Im Gespräch: 24/7 DIVA HEAVEN

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Leise ist scheiße!

Nostalgie, so sagt man, ist das beste Mittel gegen Krisen und so haben 24/7 DIVA HEAVEN aus Berlin nach ihrer Debüt-EP Superslide (2018), der Pandemie zum Trotz, Taten sprechen lassen und uns mit ihrem Debüt STRESS elf starkstromgeladene Oden an die 90er in die Suppenschale gekippt. Was unweigerlich an Heldinnen von Hole bis Babes in Toyland erinnert, kommt jedoch auch mit viel Eigensinnigkeit ums Eck und direkt aufs Trommelfell gezimmert: Musik zum Eierknacken! Und so steht das Jahr 2022 ganz unter dem Motto Back to STRESS, zurück auf die Bühne, zurück zu leidenschaftlicher und provokativer Musik mit An- und Aussage.

Drei Engel für Charlie waren gestern, denn diesen Sommer spucken uns Kat Ott-Alavi, Karo Paschedag und Mary Westphal vom Himmel aus auf die Birkenstocks. Am 04. August macht das Trio auch endlich in der Milla Halt. Doch bevor sie uns ernsthafte Anliegen wie Feminismus, Ungleichheit und Homophobie mit einem Lachen und frisch aufgezogenen Saiten um die Ohren ballern, trafen wir 24/7 DIVA HEAVEN auf einen kleinen Schnack unter wolkenfreiem Himmel.

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Angefangen hat alles vor circa vier Jahren als sich Kat, Mary und Karo Mitten in Berlin zu ersten Jam-Sessions trafen. Dabei sind die Diven musikalisch keine unbeschriebenen Blätter. Mary war bereits in ihrem Heimatdorf in Mecklenburg-Vorpommern am Schlagzeug aktiv und Kat in diversen Bands (u.a. Seven Dollar Bitches) an der Gitarre unterwegs, ehe sie die Heavy- und Stoner-Szene als Gesicht der Booking- und Promo-Agentur Sound Of Liberation mit kaufmännischer Perfektion und viel Charme bereicherte. Und auch der Bandname, für den eine Berliner Veranstaltungsreihe für queere Musikerinnen und feministische Bands Pate stand, war schnell gefunden. Und so wurde aus Diva Heaven 7/11 kurzerhand 24/7 DIVA HEAVEN. Die Chemie stimmte und auf die mit einer Bandmaschine aus den 70er-Jahren aufgenommene EP Superslide folgte 2021 schließlich der Longplayer STRESS, begleitet von rauschenden Kritiken und Jubelstürmen.

Ich erspare euch mal das übliche Geplänkel über Bandgründung, Riot-Grrrl-Bewegung und Albumaufnahme. Auch, wenn ihr tatsächlich so wagemutig ward und euer Debüt-Album inmitten der Pandemie herausgebracht habt…

Kat: „Yeah toughe motherfucker!“ (lacht)

Auf jeden Fall seid ihr jetzt endlich richtig auf Tour, am Stück und einmal quer durchs Land, als Headliner oder auch im Vorprogramm der Beatsteaks. Man will meinen, ihr könnt erst jetzt die Lorbeeren für euer Debütalbum STRESS so richtig ernten. Was hat euch hungrig gehalten als die Clubs noch geschlossen waren? Und vor allem dich Kat als quasi ehemalige Gallionsfigur von Sound of Liberation, die auch die inneren Gewerke der Branche kennt?

Kat: Endlich selbst zu spielen! Es ist was ganz anderes selbst auf der Bühne zu stehen, als im Musikbusiness zu arbeiten. Das eine ist einfach ein Job und ich könnte es auch gut gegen anderes Paperwork oder Management austauschen. Ich bin eine Kauffrau, das ist mein Job. Nur, dass es eben um Musik geht. Aber selbst Musik zu machen, das fühlt sich ganz anders an. Ich kenne zwar die Mechanismen und wie alles funktioniert, aber es ist etwas völlig anderes es dann selbst zu tun. Und ich fühle mich auch ganz anders in dieser Rolle. Ich glaube das merkt man auch, wenn man mich kennt. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Das eine ist meine Passion für zwanghafte Perfektion und das andere… ja eben meine andere Leidenschaft: Musik eben!

Doch nicht nur in der Berliner Musikszene sind 24/7 DIVA HEAVEN bekannte Gesichter und umtriebige Geister. So sitzt Mary nicht nur im Vorstand des weiblichen Biker-Kollektivs Petrolettes, nein, zusammen mit Karo und Kat hat sich auch die Plattform GRRRL-NOISY gegründet. Hier werden weitere Synergien erzeugt, um mit Frauen für Frauen etwas zu bewegen. Das beinhaltet Konzerte, Sessions, Video-Streams, den Raum für Diskussionen und vieles mehr. GRRRL -NOISY, mit Headquater in der Danziger Straße, wurde 2019 von vier Berliner Bands ins Leben gerufen (24/7 DIVA HEAVEN, Riot Spears, Isoscope und Cava) und lebt vom Motto „Trau dich einfach!“. Denn auch knapp 30 Jahre nach Hole und L7 ist das Musikgeschäft für Frauen immer noch ziemlich limitiert. Angesichts einer von Männern dominierten Szene samt entlarvenden Festival-Lineups und einseitigem Musikunterricht fehlt vielen jungen Frauen schlicht der Mut, sich an die Saiten zu wagen und einfach ihr Ding zu machen.

24/7 DIVA HEAVEN ist mehr als nur eine Band, oder?

Kat: Wir werden ganz oft gefragt und so wahrgenommen als wären wir eins, also GRRRL-NOISY und DIVA HEAVEN. Das ist es aber nicht. Wir sind keine Missionare, die auf die Bühne gehen und die Fahne schwenken. Bei DIVA HEAVEN passiert da viel im Understatement und GRRRL-NOISY ist unser offizieller Weg, wo wir uns engagieren und sozusagen politisch aktiv werden. Bei DIVA HEAVEN gehen wir auf die Bühne und laden alle ein. Und wer kleben bleibt, der bleibt eben kleben.

Also geht es euch vor allem darum, Künstlerinnen und Bands sichtbar zu machen?

Kat: Genau darum geht es! Um das Sichtbarmachen von all den Bands, die es ja auch schon gibt. Wenn man zu uns kommt, merkt man auch erstmal wie viele Schlagzeugerinnen oder Bassistinnen es gibt, die überhaupt nicht auf der Bildfläche erscheinen.

Dass Männer und Frauen gleichberechtigt auf der Bühne stehen, sollte eigentlich selbstverständlich sein. Dennoch fühlen sich viele Männer fast schon bedroht, durch eine Frauen-Quote auf Festivals und die Key-Change-Bewegung …

Mary: Persönlich empfinde ich es als Musikerin extrem belastend immer so beäugt zu werden. Wie man es macht, macht man es falsch und diese Erfahrungen teilen sehr viele. Es ist wirklich Zeit, dass sich das ändert. Es geht auch nicht um Ausschluss. Wir schaffen ein Netzwerk, auch für Fotografen oder Kinematografen. Wir haben ein Schwarzes Brett für Unterricht, Coaching, halten Diskussionsrunden ab oder helfen uns beim Instrumentenverleih. Unterstützt werden wir dabei auch durch das Musicboard Berlin.

24/7 DIVA HEAVEN (v.l.n.r. Kat, Karo & Mary) beim 17 Years of Sound of Liberation Festival in München 2022.

 

Was kann man selbst aktiv tun? Vor allem, wenn man wie ich als Redakteur mit der Musikbranche zu tun hat?

Mary: Ich habe tatsächlich während der Pandemie viele Musikmagazine gelesen und musste feststellen, dass es auch hier überwiegend nur um Typen geht. Dabei gibt es doch so viele Bands, vor allem im Underground und nicht nur in Berlin, über die aber nicht berichtet wird. Oder auch wenn mir ein Redakteur erzählt, dass er erst zwei Schlagzeugerinnen interviewt hat … Da denke ich mir schon, dass der seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Da gehört Recherche zu, klar, aber da gäbe es so viel zu holen!

Kat: Oder einfach die vielen Bands, die es schon gibt, häufiger unterzumischen. Häufig ist es ja so, dass ein ganzes Magazin voll von Blink-182 bis Smashing Pumpkins ist und dann gibt es da ein  einziges Bandfoto mit der Unterschrift: „Female Fronted!“ Da wird das Foto ganz groß gemacht, damit auch jeder sieht, dass da Frauen dabei sind. Ich plädiere dafür, dass female fronted als Label abgeschafft wird. Das ist einfach bescheuert. Aber solange man das immer noch so reproduziert, wird sich da auch nichts ändern. Es kommen ja auch immer mehr Bands nach. Also bitte einfach untermischen und auf gleicher Ebene darüber berichten. Und nicht immer das Geschlecht herausstellen.

Selbst klopfe ich mir auch immer wieder auf die Pfoten, wenn ich Bands wie ihr es seid bewerbe. „Female fronted“ ist für viele ein Label, das gut funktioniert und die Sache gut beschreibt. Dennoch ist es schade, dass man es nach wie vor so herausstellt.

Kat: Lustig, dass du das sagst, aber ja. Auch wenn ich als Bookerin Bands bewerbe, muss ich leider feststellen, dass wenn ich „female fronted“ reinschreibe, es besser ankommt. Und ich kriege auch mehr Booking-Angebote. Da muss ich mir hart auf die Finger beißen, das aus marketingtechnischen Gründen nicht auch zu machen. Aber nein, einfach sein lassen und tough sein. Mutig und Vorbild sein für andere in der Branche. Das wird dir gedankt!

GRRRL Noisy und Berlin, das passt zusammen. Gerade die Hauptstadt als Schmelztiegel der Kulturen mit seiner liberalen Haltung und einer gewissen Fuck-You-Attitüde bietet sich an, um schnell Gleichgesinnte zu finden. Doch macht Berlin die Bildung eines solchen Kollektivs wirklich leichter?

Karo: Berlin ist schon eine Bubble. Wenn wir in Rosenheim GRRRL-NOISY machen würden, wäre das schon schwieriger. Aber in Berlin sind wir einfach viele Leute, mit wahnsinnig vielen Interessen. Es gibt ja auch in anderen Städten schon ähnliche Kollektive, um das Thema aufzunehmen. Der Bedarf ist definitiv da und es gibt überall junge Mädels, die sich für verzerrte Gitarrenmusik interessieren und mal reinhören wollen. In Berlin kriegt man die Leute sicher schneller rein, das mag sein. Aber der Bedarf ist in jeder Stadt vorhanden.

Es ist definitiv wünschenswert, wenn eure Arbeit vielen jungen Frauen Mut macht, selbst aktiv zu werden. Doch wo kann man sich noch informieren und tiefer einsteigen? Habt ihr ein paar Namen und Tipps?

Karo: Da gibt es viele Netzwerke und die gibt es nicht erst seit gestern. Spontan fällt mir Fauchkrampf Music Agency ein oder Fight Like a Grrrl Booking, die alle dafür einstehen, die Sichtbarkeit von FLINTA*-Musikerinnen zu erhöhen. Auch für uns gibt es da viele Neuentdeckungen, weil wir als Veranstalterinnen bei GRRRL-NOISY auch immer selbst auf der Suche nach Bands sind. Und denen wollen wir auch eine Bühne geben. Da hat mich schon einiges überrascht, was es deutschlandweit noch so gibt.

Vielleicht ist es einfach die richtige Musik, zur richtigen Zeit. Der Sound von 24/7 DIVA HEAVEN ist direkt, wütend und laut, ohne aber auf einen Funken Glitzer zu verzichten. Das Trio aus Berlin spielt mit Gegensätzen und kombiniert den Grunge-Stil von Bands wie Babes in Toyland, Hole oder L7 mit alten aber nach wie vor aktuellen, sowie neuen gesellschaftlichen Themen. Dass STRESS dabei noch ein Rockalbum erster Güteklasse geworden ist, spricht für die Band, die unverkennbar, frisch und trotz ein wenig Nostalgie erfrischend modern klingt. Hier steckt trotz aller Wut eine gehörige Packung Lebensfreude, Verrücktheit und Hoffnung drin. Ein Sound, den es diesen Sommer vor allem live gehört werden will!

Diesen Sommer seit ihr endlich auf großer Back to STRESS-Tour. Hättet ihr gedacht, dass alles so gut für euch funktionieren wird?

Karo: Ne woher denn? Also wenn du ne Wahrsagerin oder so kennst, dann nur her damit! Ich steh auf Tarotkarten! (lacht) Ich denke ich spreche im Namen der Band: Es fetzt schon ganz schön ab, dass das so gut ankommt und die Musik auch so gelebt wird, wie wir sie schreiben und performen. Das ist cool und macht Spaß! Es fetzt!

Charme, Augenzwinkern und wichtige Inhalte. Das sind 24/7 DIVA HEAVEN, die am 04. August in der Milla endlich wieder in München zu Gast sein werden. Zusammen mit den Regensburger Psych-Duderinos Kolossus Däächt sorgen also nicht nur die prognostizierten 34 Grad für einen schweißtreibenden Abend in der Isarmetropole. Also erscheinet in Scharen, denn:

Leise ist scheiße!


Live: 24/7 DIVA HEAVEN > Homepage // Support: Kolossus Däächt // 04. August 2022 // Milla // Beginn 20 Uhr // VVK 15 EUR zzgl. Gebühren

GRRRL-NOISY > Homepage

Fauchkrampf Music Agency > Homepage

Fight Like A Grrrl Booking > Homepage

24/7 DIVA HEAVEN Live:

04.08.22 // München, Milla
05.08.22 // Odenwald, Nonstock Festival
06.08.22 // Leipzig, Re-Generation Fest
12.08.22 // Vila Praia de Âncora, SonicBlast Festival
28.10.22 // Düsseldorf, R25-Kulturschlachthof
29.10.22 // Dortmund, Piano
30.10.22 // Bielefeld, Forum
31.10.22 // Mannheim, Altes Volksbad
02.11.22 // 806qm, Darmstadt
03.11.22 // Merlin, Stuttgart
04.11.22 // Nürnberg, Club Stereo

 

Interview: Tim Brügmann