Der dicke Jude aus dem Emsland ist ein krankes Schwein. Was seine Fans schon lange wussten und seine Feinde ihm vorzuwerfen versuchten, gibt der Wahlberliner Oliver Polak jetzt ganz offen zu. Wie immer in Jogginghose und Kapuzenjacke erklärt Polak in seinem neuen Programm „Krankes Schwein“ seine Welt und lässt dabei jeden gesellschaftlich geforderten Filter weg.
Oliver Polak ist die meiste Zeit horny, muss bei dem Geruch von Pfandflaschenrückgabeautomaten an Cindy aus Marzahns Gynäkologenbesuche denken und ist sich sicher, dass seine Leidenschaft fürs Bahnfahren eine jüdische Tradition ist. Wenn frisch Vater gewordene Kumpels ihm Bilder ihrer Kinder unter die Nase halten, hat er sich mittlerweile dazu entschlossen, laut zu atmen und zu stöhnen, um umgehend wieder von den Bildern erlöst zu werden.
All das klingt nach Skandalsucht à la Ingo Appelt, hat seinen Ursprung aber vielmehr in der Frage, was unter der Hülle aus Anstand und Etikette schlummert. Die Linie zwischen Besorgnis und Verurteilung ist, zwischen Verständnis und Intoleranz, schmal, das Streben nach der „richtigen“ Haltung dagegen allgegenwärtig und allmächtig – das hat nicht zuletzt die jüngst entflammte Debatte über Pädophilie anhand der Vorwürfe gegen den SPD-Politiker Sebastian Edathy gezeigt. Und an genau dieser Stelle greift Oliver Polak an: Rassismus, Homophobie, Antisemitismus, Sodomie, psychische Krankheiten – das „kranke Schwein“ Polak touchiert mit seinem prächtig behaarten Lästermaul ein Thema nach dem anderen, nie jedoch, um Statements abzugeben, sondern immer, um Fragen zu stellen, deren Beantwortung jedem Einzelnen selbst unterliegt: Was ist eigentlich normal in diesem Land? Was ist gesund? Und: Sind wir nicht alle kranke Schweine?
TEXT: Sebastian Klug