Im Gespräch: Andi Kräftner

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„Kunst is for suckers!“ Kunst kommt von Können, nicht von Wollen: Sonst hieße es ja „Wunst“. Andi Kräftner reiht sich keineswegs in das Lager blasierter Möchtegern-Künstler und verschrobener Existenz-Exhibitionisten ein. Dafür zählt der sympathische Schreiner und Hansdampf in allen Gassen zu den mannigfaltigsten Machern Münchens. curt hat den flinkzüngigen Geek im kreativen Chaos seiner gemütlichen Giesinger Werkstatt zur Rede gestellt.

An manchen Tagen scheint Kräftners Siebdruck-maschine zu glühen und endlos Band-Shirts und Jutetaschen mit Club-Logos auszuspucken. Für außergewöhnliche Red-Bull- oder X-Games-Events kreiert der geschickte Handwerker-Hüne immer aufwendigere Trophäen und massig Medaillen. Kehrt unerwarteterweise mal Ruhe ein, schwingt er sich entweder auf sein BMX oder verwirklicht eigens erdachte Objekte, wie z. B. den Kresse-Kräutergarten „Vitamin Gunshots“, dessen Silhouette aussieht wie eine AK-47. Dazu gesellen sich Ghettoblaster-Couchkissen oder Seifen in Knarrenform. Verständlich, denn welches zarte Mimöschen möchte nicht beizeiten ihren mies müffelnden Mann mit Waffengewalt zur soma-tischen Säuberung zwingen?

Foto: Christian Vogel
Foto: Christian Vogel

Erzählst du uns bitte etwas über die Seifen-Wumme?

Ich bin gelernter Industrie-Designer. Die Idee kam mir vor ca. drei, vier Jahren. Mit erheblicher Rumtrickserei konstruierte ich eine Form, danach besorgte ich in irgendeinem Internet-
Hippieladen Gießseife, die ich in der Mikro erwärmte. Durch die Duftöle roch die ganze Bude lange recht streng nach Lavendel. Da die ersten 20 Exemplare sofort vergriffen waren, goss ich schließlich zusammen mit einer Studentin jeden Freitag an die 300 bis 400 Stück. Mittlerweile erhält man sie in mehreren Museumsshops wie der Sammlung Brandhorst bis hin zum Museum of Contemporary Art in Chicago – die sind dort ja eh recht waffenaffin.

Hat die Freiheit bei den Aufträgen durch deine Bekanntheit zugenommen?

Bekanntheit? Ich nenne es lieber Vertrauen, dass ich bei bestimmten Firmen genieße, die sich inzwischen mit mir auf der sicheren Seite wähnen. Man verfügt schon über genügend Freiheiten, um nicht komplett dem Wahnsinn zu erliegen. Das Schöne an dem Job ist die Vielfalt und das Mittendrin. Ich würde jeck werden, wenn ich jeden Tag drucken müsste. Von eigenen Sachen alleine kann man selten leben, das ist leider ein verklärtes Weltbild. Das Vervielfältigen als Handwerk an sich und der Umgang mit Farben sind der reine Wahnsinn, aber der Verkauf ist total leidig, denn die meisten horten bereits 100 T-Shirts daheim. Drucken ist ein Traum, Verkaufen der Alptraum. Die Aufträge sind dafür da, sich den eigenen Scheiß zu leisten. Heute z. B. belichte ich fünf Siebe nur für mich und probier was aus. Es ist mehr so ein Dahinwabern, the Art of Survival; man darf nicht ausflippen, wenn mal ein paar Tage lang das Telefon still steht. Dann baut man sich eben irgendein Kasterl, damit man wieder irgendwas irgendwohin stellen kann.

Hast du Vorbilder à la Banksy und gibt es derzeit ein Wunschprojekt?

Ausgeschlossen, Banksy ist für mich die Diddl-Maus. Zeit und Muße sind leider sehr rar geworden. Man verliert schnell den Überblick, was man alles fabriziert hat. Dann willst’ dich mal aufs Radl setzen und hast einen Platten. Ich würde gerne eine Woche mit schönem Papier verschwenden, nur um meine neue Monster-Druckmaschine zu beherrschen. Oder üben und in der Folge zum ultimativen Salsa-König mutieren.

Foto: Christian Vogel

Fällt es dir schwer, von deinen Erzeugnissen loszulassen?

Nein, ich benötige eigentlich keine Belege davon; ich bin in der glücklichen Lage, alles zu besitzen, was ich will. Ein Foto oder der verfräste Prototyp der X-Games-Medaille reicht mir vollends. Nur neulich beim Wrestler-Gürtel, den ich gefühlte 100 Mal in der Hand hatte … Dich kotzt jeder Mini-Kratzer an; der tut dir weh, weil man selber jeden Fingerabdruck vermeidet. Bei der Siegerehrung hält der geistesgestörte Gewinner die Trophäe hoch und die anderen Sportler blasen das Teil mit Sekt weg. Mitten in dem Inferno befindet sich dieser Gürtel, den du vorher behandelt hast wie dein eigenes Fleisch und Blut. Gut, das schmerzt einmal kurz, aber das war’s dann. Es ist eben nicht mehr so schön, wie man es damals gebaut hat. Die Freestyle-Profis nehmen das reingesteckte Herzblut dennoch wahr.

Wird heutzutage mehr konsumiert als selber produziert?

Mein Gott, momentan hängen die meisten vorm Rechner rum. Niemand ist mehr dreidimensional. Alles ist flach und digital. Aber sobald jemand gerne ein bestimmtes Teil haben möchte, weiß keiner mehr, wie es funktioniert. Tatsächlich wähne ich mich da in einer ganz guten Ecke, weil ich weiß, wie man Sachen baut. Es stellt kaum einer Fragen, ob es ein gewisses Teil wirklich braucht. Ich bin nur so am Dahinproduzieren und froh, dass ich das Zeugs nicht verscherbeln muss. Jeder ist heutzutage ein Experte. Die Leute würden auch am liebsten sämtliches selber machen, wenn sie nicht viel wichtigere Dinge zu tun hätten. Jeder findet sich total geil und möchte sich am liebsten unsterblich machen, ein Stück hinterlassen. Aber wenige besitzen so eine fette Säge wie ich.

Angst, dass hier jemand etwas klaut?

Dem Viech, das diese sauschweren Maschinen herausträgt, werde ich kaum hinterherlaufen.

Ist es die Benutzung der rechten Gehirnhälfte beim kreativen Prozess oder sind es eher die Farben, die dich in eine Art Schaffensrausch verfallen lassen?

Ich liebe es zwar, hier in meiner Werkstatt zu werkeln, aber es liegt weniger daran, dass die Farben so himmlisch duften.

Ein Kommentar zu unserem Überthema „Irgendwas mit Kunst“

Gestaltet doch ein cooles Cover und den restlichen Inhalt nur mit Blindtext: So geht für mich Kunst. Kunst is for Suckers!


Fotos: Christian Vogel

Der Artikel ist in der curt Ausgabe #79 erschienen.