Erst wochenlanges Durchstöbern von Anzeigen und Massenbesichtigungen von Wohnungen, die sowohl zu klein als auch zu teuer sind. Dann das Hin- und Hergeschleppe von all dem Kram, von dem man gar nicht wusste, dass er einem gehört. Und zum guten Schluss die Aussicht, auf Wochen in einem Labyrinth aus Kartons zu hausen und die Sachen zu suchen, die man doch eben noch in der Hand hatte – ganz ehrlich, so ein Umzug ist schon ein ganz schöner Mist. Natürlich gibt es Gründe, sich diese Tortur anzutun, manchmal sogar richtig schöne. Ein neuer Job etwa, dank dem man sich endlich eine richtige eigene Wohnung leisten kann. Oder der Beginn des Studiums in einer Stadt, die zufällig ganz weit weg von Mami und Papi ist. Vielleicht zieht man ja auch mit der Freundin, dem Partner oder einem Wellensittich zusammen. Oder das Gegenteil tritt ein und man muss den Haushalt auflösen, weil eine Beziehung in die Brüche gegangen ist.
Diese und noch viel mehr Gründe finden sich in „3 Zimmer/Küche/Bad“. Okay, einen Wellensittich gibt es dort nicht, dafür aber 11 Umzüge in 114 Minuten. Das dürfte ein neuer Rekord sein, zumindest in filmischer Hinsicht. Geplant ist von denen aber kaum einer, vielmehr sind sie das konsequente Ergebnis von Lebensentwürfen, die nicht immer so ganz aufgehen wie erhofft. Nehmen wir Philipp (Jacob Matschenz). Der ist ein gutes Beispiel dafür, wie ein Leben so ein bisschen klappt, aber eben nicht richtig. Assistenzen bei Fotografen ergattert er sich regelmäßig, mit einem festen Job oder seinem Traumstudium der Fotografie sieht’s aber düster aus. Dafür hat er eine Beziehung und zwar mit der süßen, etwas naiven Maria (Aylin Tezel).
Eigentlich wäre Philipp aber lieber mit seiner besten Freundin Dina (Anna Brüggemann) zusammen. Die hat Philipp auch echt gerne, bändelt aber nur mit anderen Männern an, etwa mit Michael (Alexander Khuon). Der wiederum war zuvor mit Wiebke (Katharina Spiering) zusammen, der Schwester von Philipp. Der älteren wohlgemerkt, denn es gibt auch eine jüngere namens Swantje (Amelie Kiefer), die ihrerseits ein Auge auf Thomas (Robert Gwisdek alias Käptn Peng) geworfen hat, ein Freund von Philipp. Aber das hat keine Zukunft, solange der mit Jessica (Alice Dwyer) liiert ist.
Überblick verloren? Keine Sorge, das ist durchaus so gewollt. Im Mittelpunkt des Films stehen nämlich weniger die Umzüge an sich, sondern die acht Freunde und ihre komplexen Beziehungen mit- und untereinander. Doch trotz der etwas übertriebenen Verwicklungen fällt die Gemeinschaftsarbeit der Geschwister Brüggemann – er führt Regie, sie spielt, zusammen schrieben sie das Drehbuch – wohltuend authentisch aus. Wenn sich Thomas beispielsweise Sorgen macht, ob sein BAföG ausreicht, um die neue Wohnung bezahlen zu können, oder Wiebke von ihrem Bruder wissen will, warum die Männer sie immer wieder sitzenlassen, wirkt das auf einmal gar nicht so weit hergeholt. Das ist sicher auch ein Verdienst der Schauspieler, die ihre Rollen sympathisch und glaubhaft rüberbringen.
Tatsächlich ist es die größte Leistung des Films, das Lebensgefühl der 20- bis 30-Jährigen akkurat wiederzugeben: Das heimische Nest hat man bereits verlassen (manche mehr, manche weniger), doch wie es danach weitergehen soll, weiß man noch nicht so recht. Also versucht man irgendwie, seinen Weg zu finden, hat manchmal Erfolg – und manchmal eben keinen. Das schönste Bild liefert der Vater von Philipp, Wiebke und Swantje, als er das Leben mit einer rostigen Maschine vergleicht, die man auf dem Dachboden findet, für die aber die Betriebsanleitung fehlt. Es bleibt einem also nichts anderes übrig, als mit dieser Maschine rumzuhantieren und sich dabei möglichst nicht anmerken zu lassen, dass man letztendlich keine Ahnung hat, wie sie funktioniert.
Auch der Witz kommt nicht zu kurz, manchmal in Form von Situationskomik, manchmal durch Running Gags. Besonders nett zum Beispiel der Einfall, einen von Dinas zahllosen Männern durch geschickte Perspektiven oder eine Mütze immer so zu zeigen, dass man nie sein Gesicht sieht. Einfach, aber effektiv. Umso bedauerlicher ist es, dass die Brüggemanns zum Ende hin wohl dachten, sich immer weiter steigern zu müssen, fortlaufend neue überraschende Wendungen einbauten und dabei ihre Glaubwürdigkeit aus den Augen verloren. Das irritiert dann doch mehr als es nützt. Aber sei’s drum, charmant und unterhaltsam ist der Film trotz alledem. Und die eine oder andere Lebensweisheit und kluge Beobachtung wird der Zuschauer auch mitnehmen, darunter, dass Umzüge durchaus Spaß machen können – solange man nur dabei zusieht.
Fazit: „3 Zimmer/Küche/Bad“ nimmt ein meist lästiges Thema – Umzüge – als Grundlage und zaubert daraus ein authentisches Porträt von acht Freunden zwischen Liebesglück und Lebenschaos. Manche Ideen sind zwar übertrieben, dafür entschädigen witzige und rührende Szenen sowie die sympathischen Schauspieler.
TEXT: Oliver Armknecht