„Ich bin keine Schwuchtel, Sie blöder Wichser. Ich kenne auch keine verfickten Schwuchteln. Sehen Sie mich an. Was sehen Sie? Das gottverdammte Rodeo, das sehen Sie.“
Die feinste Ausdrucksweise ist das sicher nicht. Aber doch auch irgendwo verständlich, denn der etwas einfach gestrickte, homophobe Ron Woodroof (Matthew McConaughey) hat gerade erfahren, dass er HIV-positiv ist. Und das war Mitte der 80er in Texas unvorstellbar. Die Ankündigung, er habe noch 30 Tage zu leben, wird deswegen auch gleich mal beiseite geschoben. Bei seiner Suche nach wirksamen Medikamenten landet er bei einem zwielichtigen Arzt in Mexiko, der ihm tatsächlich helfen kann. Problem dabei: Die Mittel sind in den USA nicht zugelassen und entsprechend schwierig zu besorgen. Was den Todkranken auf eine Idee bringt. Warum nicht genau mit diesen Medikamenten handeln? Und schon bald führt er mit der Transsexuellen Rayon (Jared Leto) ein florierendes Geschäft, was jedoch die US-Kontrollbehörde FDA auf den Plan ruft.
Auch wenn die Geschichte etwas absurd erscheint – Woodroof gründet den „Dallas Buyers Club“, um dem Verkaufsverbot aus dem Weg zu gehen – so ist sie doch wahr. Wie im Film machte auch der echte Woodroof aus der Not eine Tugend, verdiente mit dem Verkauf der Medikamente eine Menge Geld und wurde später zu einem Vorkämpfer der AIDS-Kranken. Anders als man es bei dem schweren Thema hätte erwarten können, ergibt sich „Dallas Buyers Club“ jedoch nicht melodramatischer Betroffenheit. Natürlich gibt es immer mal wieder ernste Momente. Ansonsten ist der Film aber oft überraschend komisch. Das betrifft zum einen die trickreichen Versuche Woodroofs, die Regeln der anderen zu umgehen. Zum anderen sind gerade die beiden Hauptfiguren so herrlich überzogen, dass sie für sich genommen schon für Lacher gut sind. Und im Doppelpack umso mehr.
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Jared Leto machte in den letzten Jahren vor allem durch seine Rockgruppe Thirty Seconds to Mars von sich reden. Wenn er mit High-Heels, knappen Röcken und tief ausgeschnittenen Blusen durch die Gegend dackelt, zickt und säuselt, macht er eine so gute Figur, dass er in jedem anderen Film die Kamera an sich gerissen hätte. Wäre da nicht Matthew McConaughey, der hier eine seiner größten Leistungen seiner Karriere abgibt. Bis zur Unkenntlichkeit heruntergehungert tritt er sein ehemaliges Image als Schönling mit Füßen. Wenn er und auch Leto dieses Jahr mit einem Oscar belohnt wurden, unverdient ist das nicht.
Sehenswert ist „Dallas Buyers Club“ aber nicht nur als Demonstration großer Schauspielkunst, sondern auch als Zeitdokument. Was Regisseur Jean-Marc Vallée sehr schön gelang, ist es zu zeigen, was es hieß, damals Mitte der 80er mit AIDS in Berührung zu kommen. Irgendwo zwischen einfacher Unkenntnis und Paranoia bedeutete die „Schwulenseuche“ das gesellschaftliche Aus, eine Krankheit, mit der niemand etwas zu tun haben wollte. Und von der viele nicht einmal wussten, was sie überhaupt bedeutete.
Fazit: Die Figuren hätten sicher etwas mehr Tiefe vertragen, da ist man manchmal schon nahe an der Karikatur. Da die aber brillant gespielt werden ist das überraschend komische AIDS-Drama absolut sehenswert und bietet zudem einen Einblick in die Lebenssituation von Betroffenen Mitte der 80er.
Wertung: 8 von 10
TEXT: Oliver Armknecht