Ein Serienmörder, ein Kamerateam, viele, viele Leichen: 1992 sorgte der belgische Spielfilm „Mann beißt Hund“ für reichlich Kontroverse. Diese Woche erscheint die satirische Pseudoreportage erstmals auf DVD und ist heute noch genauso böse wie vor 20 Jahren.
Eine wichtige Regel für alle, die Leichen in einem Kanal versenken wollen: Bei Kindern und alten Menschen braucht es mehr Ballast, weil sie leichter sind. Schließlich wäre es äußerst unpraktisch, wenn die Körper wieder auftauchten. Solche und weitere Insidertipps erfahren wir von Benoît, und der sollte es wissen, schließlich arbeitet er schon lange und erfolgreich als Mörder. Und während seiner beruflichen Laufbahn hatte er es da schon mit allem zu tun. Eigentlich ist ihm kein Mord zu schade. Okay, Kinder bringt er eher ungern um, denn die haben normalerweise kein Geld. Das wäre Verschwendung von Munition. Bei Älteren sieht das schon ganz anders aus. Die mögen zwar geizig sein, aber nicht arm.
Schon diese paar Zeilen sollten genügen, damit ja niemand auf die Idee kommt, wir hätten es hier mit einem pädagogisch wertvollen Streifen zu tun. Dafür sorgt Benoît. Wenn er nicht gerade jemandem vorzeitig das Leben nimmt, zieht er über Farbige, Politiker oder Schwule her. Manchmal betrinkt er sich auch nur. Dass Benoît so freimütig Betriebsgeheimnisse ausplaudert, geschieht übrigens nicht ohne Grund: Er ist der Star seiner eigenen Reportage. Ein Filmteam begleitet ihn schließlich auf Schritt und Tritt, beobachtet ihn bei seiner „Arbeit“ und hilft, wenn Not am Mann ist, auch schon einmal selbst aus. Im Mittelpunkt von „Mann beißt Hund“ steht nämlich weniger die Gewalt als solches, sondern unser medialer Umgang mit ihr, der Hang zur Sensationsgier, unser Voyeurismus, wie weit wir gehen, um ein Publikum zu finden.
Das Schockierende an der belgischen Satire ist deshalb auch nicht der selbstverliebte und völlig skrupellose Benoît, sondern die unscheinbaren Filmleute Rémy und André. Anfangs sehr zurückhaltend und unsicher verfallen sie mit der Zeit ebenfalls einem Gewaltrausch und verzichten auf moralische Prinzipien oder Hemmungen, bis es keinen wirklichen Unterschied mehr gibt zwischen den Männern vor und hinter der Kamera. Und auch zu den Menschen vor dem Bildschirm, denn wir werden durch unsere bloße Teilnahme nicht nur Zuschauer, sondern auch stille Mittäter.
Aber auch die Grenzen zwischen Inszenierung und Realität werden hier bewusst verwischt: Der gesamte Film wird in Form einer Dokumentation aufgezogen. Die Bilder sind schwarzweiß, oft verwackelt, die Macher des Films (Benoît Poelvoorde, Rémy Belvaux, André Bonzel) treten allesamt unter ihren bürgerlichen Namen auf, so als wäre man mit den reellen Filmemachern unterwegs. Allein dadurch unterscheidet sich das Debüt der drei Belgier von dem bewusst artifiziellen „Natural Born Killers“, der zwei Jahre später ein ähnliches Thema aufgriff und dabei sämtliche Möglichkeiten des Mediums auskostete.
Wenn wir uns hier überhaupt noch bewusst sind, dass wir vor einer gefälschten und parodistischen Dokumentation sitzen, dann weil das Gezeigte immer groteskere Züge annimmt und mehr als einmal die Grenze zum Geschmacklosen überschritten wird. Vögel zwitschern, wenn eine Leiche versenkt wird, diverse Morde geschehen fast beiläufig. Freunde schwarzen Humors werden deshalb an der Low-Budget-Produktion ihre helle Freude haben, sofern ihnen nicht das Lachen im Hals stecken bleibt. Allzu oft wird man sich „Mann beißt Hund“ aber eher nicht anschauen können, da er doch zu einem großen Teil von den unerwarteten und überspitzten Situationen lebt. Wer jedoch das erste Mal mit dem Serienmörder um die Häuser zieht, wird ebenso verstört sein wie die Zuschauer vor 20 Jahren. Und eine solche Zeitlosigkeit muss man mit seinem Debüt erst einmal hinbekommen.
Fazit: „Mann beißt Hund“ ist eine bitterböse, oft geschmacklose Satire auf Sensationsjournalismus aber auch auf die Rolle des Zuschauers dabei. Verpackt in eine Pseudodokumentation ist die Geschichte um den Mörder Benoît mal komisch, mal bizarr, sogar verstörend – und oft alles auf einmal.