Bastille
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Im Gespräch: Bastille

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The end is nigh! Doch ein wenig Party hat noch niemandem geschadet. Bastille haben endlich ihr drittes Studioalbum „Doom Days“ veröffentlicht und der Tanz auf dem Vulkan hätte opulenter nicht ausfallen können. Nach einer ausverkauften Tour im letzten Winter haben es everbody’s darlings wieder einmal getan. Zwar konnte das bereits vierte Mixtape „Other People’s Heartache“ manchen Fan über Wasser halten, der Durst nach neuen Tracks aus der Feder von Dan Smith war dennoch kaum zu stillen.

Ja, der Albumtitel kommt recht düster daher, doch das nimmermüde Quartett aus London will mit Studioalbum Nummer drei vor allem Hoffnung spenden. Dass sie dabei selbstbewusster denn je klingen, ist einer der vielen positiven Aspekte der neuen Veröffentlichung. Auf „Doom Days“ präsentieren die Grammy-Nominierten und BRIT-Award-Abräumer wesentlich provokanteres Material als noch auf  „Wild Word“. Egal ob globale Probleme oder Krisen in den eigenen vier Wänden, Bastille sind fokussiert und konzentriert. Das Konzept hinter dem Album? Smith und Co. nehmen eine einzige Nacht und arbeiten sich erzählerisch an ihr und ihren Protagonisten ab. Alltägliche Situationen halten dem Hörer den Spiegel vor und sorgen für einiges an Identifikation. Ihr markenzeichensicherer Sound zwischen Pop, R&B und Indie ist dabei eingängig wie eh und je. Die cineastische Leinwand Bastilles wird dabei noch ein kleines bisschen größer.

Als einer der meistgehörtesten Künstler auf Spotify wirkt es bisweilen verwunderlich, wie intelligent und abgründig die Texte bei maximalem Ohrwurm-Potenzial dennoch erscheinen. Eine ominöse Website mit dem Titel „Doom Days Society“ spinnt den Faden des Albumkonzepts noch ein wenig weiter. Aber hey! Zeit sich mit den Londonern einmal persönlich zu unterhalten. Kurz vorm Stundenschlag der Doomsday-Clock haben wir uns mit Will und Woody getroffen, um neben dem Album und der Zukunft von Bastille auch einen Blick zurück zu wagen.

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Erst einmal herzlichen Glückwunsch zur neuen Platte. Bevor es in die heiße Phase des Release von „Doom Days“ ging, habt ihr ausgiebig getourt. Diverse Pressestimmen sprechen sogar von eurer bisher kreativsten und farbenfrohesten Show. Wie seht ihr das?

Woody: Wir versuchen natürlich immer möglichst kreativ zu sein und wir sind davor immer sehr aufgeregt. Ich bin mir nicht sicher, ob das jetzt schon das Kreativste war. Für mich wirkt es tatsächlich eher moderat. Aber es freut mich sehr, wenn es so aufgefasst wird.

Will: Wir gehen da relativ strukturiert vor, weißt du? Wir betrachten die Details und überlegen uns, welche Story wir erzählen wollen, statt einfach zur die Kabel einzustecken und loszulegen. Aber ich bin sehr happy darüber, wie alles gelaufen ist.

Nunja, es war ein Artikel aus Deutschland. Vermutlich hat diese Person noch nicht viele Konzerte erlebt. Auf der anderen Seite wirkt ein Tröpfchen Farbe auf manche Deutsche sicher beunruhigend.

Woody: Ihr habt aber Rammstein und da brennt die Bühne lichterloh! (lacht)

Das war’s dann aber auch schon.

Woody: Ich verstehe. Also doch eher die bescheidenere Sorte Mensch. (lacht)

Die Tour trug den Namen „Still Avoiding Tomorrow“, inwieweit habt ihr die Story von “Doom Days” hier schon vorweg gegriffen?

Woody: Das ist in der Tat auch eine Line der Single „Quarter Past Midnight“. Es ist ein Partyalbum für Eskapisten und die Tour hat sicher einiges davon vorweggenommen. Zumal viele Fans relativ lange gewartet haben. Das zahlt also alles ein bisschen darauf ein.

Will: Es ist sogar ein apokalyptisches Partyalbum und definitiv ein Konzeptalbum. Wir stellen uns die Apokalypse vor, sind aber währenddessen auf einer Hausparty. Wir bewegen uns auf dem Album also einmal quer durch die Nacht und streifen all die Themen, die… naja, die Dan eben so im Kopf rumschwirren. Gott weiß, was in seiner Rübe vorsichgeht. (lacht) Da draußen tobt also dieses Chaos und wir fliehen davor, indem wir eine Party schmeißen.

Woody: Oder einfach dort bleiben und weiterfeiern.

Eure Texte sind für eine Band, die dermaßen viel Airplay und Charterfolge verbucht, durchaus sehr tiefgründig. Ich bin mir nicht sicher, ob eure Fans hier in Deutschland sich die Zeit nehmen, die Zeilen tatsächlich zu lesen. Ist eine gewisse Message wichtig für euch?

Woody: Zuerst einmal muss ich die deutschen Fans sehr loben. Sie sprechen wirklich einwandfrei Englisch und das weitaus besser, als ich jemals Deutsch sprechen könnte. Aber das ist eine interessante Frage, da ich schon viele Bands darüber hab diskutieren hören. Bei Rammstein, um darauf zurückzukommen, ist die Show ja dermaßen over-the-top, dass die Texte für ein Publikum im Ausland tatsächlich zweitrangig sind. Aber wir erzählen Geschichten und auch melodisch sind die Texte, wie sie geschrieben sind, wichtig bei uns. Die Deutschen scheinen beim Wort „fire“ ohnehin auszuflippen… (lacht)

Da hast du uns tatsächlich entlarvt.

Will: Das letzte Album ist bereits etwas politischer geraten, als es das sollte. Ich denke die Texte entstehen auf ganz natürliche Weise und bedingt durch unser Umfeld, sowie die Dinge, die uns umgeben. Brexit, Trump, all das führte zu einem recht optimistischen „Fuck you!“, welches auf dem Album zu hören war. Bei diesem Album ist es jedoch so, dass wir zwar politisch engagiert sind, aber niemanden vorschreiben wollen, was er zu denken hat. Wir bieten auf „Doom Days“ eine kleine Auszeit von all dem Wahnsinn und laden auf diese Reise mit uns ein. Wir wollen auf keinen Fall all die Dinge da draußen ignorieren, aber vor diesem Hintergrund das Leben am Laufen halten.

Woody: Wir ermahnen und ergründen, woher die Probleme kommen, aber auf der anderen Seite wollen wir die Leute auch daran erinnern, dass es ganz schön sein kann, auch mal auf einem Gig all das Grauen zu vergessen. Aber wenn ich. die Chance nutzen darf: Um Himmels Willen Leute, geht wählen, wenn ihr die Chance dazu habt! Danke!

Neben der neuen Platte kann man euch mittlerweile auch zu fast 10 Jahren Band gratulieren. Ihr seid wie schon erwähnt ziemlich durch die Decke gegangen und habt schnell Erfolge erlebt. Gab es dennoch die ein oder andere Lektion, die ihr bitter lernen musstet?

Will: Whiskey ist nichts für jeden Tag… (lacht)

Woody: Oh shit, ja! Aber ich würde sagen, dass es wichtig ist, nicht aufzugeben und hartnäckig zu bleiben. Das hat sich definitiv ausgezahlt für uns. Mit Dan mache ich nun schon ein Drittel meines Lebens Musik. Das erstaunt mich immer wieder.

Will: Ich fand es etwas schockierend, dass unser erstes Album zwar die Nummer 1 erreicht hat, aber weitaus mehr digitale Verkäufe erzielt hat, als physikalische. Musik verändert sich rapide, Genres bedeuten kaum mehr etwas… Dinge, mit denen ich mich ebenfalls erst anfreunden musste.

Woody: Aber krass, oder? Uns gibt es schon eine Weile. Toi toi toi!

Unsere aktuelle Ausgabe läuft unter dem Motto „Zeit“ und ich würde gerne mit euch darüber sprechen. Bastille legen ein sehr rasantes Tempo vor, die Dinge scheinen bei euch alle relativ schnell und zügig zu passieren. Wünscht ihr euch manchmal, auf dem Weg etwas mehr Zeit für bestimmte Dinge gehabt zu haben und euren Erfolg zu verarbeiten?

Will: Wir hatten verdammt Glück. Doch auf der anderen Seite war ich beispielsweise schon 30 Jahre alt, als Bastille begann abzuheben. Ich denke, wenn ich um die 18 gewesen wäre, dann hätte ich definitiv einiges nachzuholen. So geht es uns glaube ich allen. Aber es ist witzig, manche Dinge fühlen sich für mich an, als wäre es schon eine Ewigkeit her.

Woody: Mir schwirrt da immer eine ganz besondere Geschichte im Kopf rum. Unser erster Support-Gig war mit Keane in Paris und sie waren großartig zu uns. Es war 2012 und „Bad Blood“ kam bald raus. Ihr Schlagzeuger kam auf uns zu und ich scherzte, dass wir nach den nächsten 2 Gigs wieder heim fahren und es das dann wohl auch schon war mit der Band. „Wir sehen uns in 10 Jahren“ meinte er nur, die würden vorbeigehen wie im Flug. Und schon sitze ich hier. (lacht) Aber ich will nichts daran ändern.

Was ich an der Musikszene im UK mag ist, dass die Menschen ihr musikalisches Erbe wesentlich mehr wertschätzen als andere Länder. Man denke nur an die Abschlusszeremonie der Olympischen Spiele in London bei der von Oasis bis zu den Spice Girls und Muse alles vertreten war. Spürt ihr das?

Will: Ich finde, dass wir eine sehr laute Stimme haben im Vergleich zur Größe des Landes. Musik aus dem UK und den Staaten ist sehr dominant, aber ja, es ist schon auffallend, wie viel Einfluss Bands wie Oasis, die Beatles oder die Stones hatten. Aber so sind wir aufgewachsen und kennen nichts anderes, daher finde ich es interessant, dass du es isoliert betrachtest. Es ist witzig, wenn wir nach Amerika fahren und man frevelhaft mit den Beatles verglichen wird, nur weil wir aus derselben Ecke kommen. Aber ist ja auch schön. (lacht)

Woody: Wir waren nie wirklich Teil einer bestimmten Szene im UK. Ich sah uns auch immer eher als Außenseiter. Doch ich habe ziemlich viel amerikanische Musik gehört und würde sagen, dass das was man nicht hat, immer interessanter wirkt auf den ersten Blick. Aber du hast schon Recht, es ist eine interessante Frage.

Ihr seid schließlich auch für eure Kollaborationen und eure Mixtapes „Other People’s Heartache“ bekannt und streckt eure Fühler doch sehr weit aus, was musikalische Grenzen angeht. Ist dieser Mix das, was euch weiterhin mit Leidenschaft dabei sein lässt?

Woody: Als wir mit Craig David aufgenommen hatten, musste ich mich auch erst einmal kneifen. Er war wirklich groß im UK und auf einmal macht er bei unserer Sache mit? Das war surreal. Aber wir nehmen uns selbst nicht zu ernst und wollen Spaß haben. Wir hängen auf Festivals gern mit den verschiedensten Bands rum und nehmen dadurch auch eine Menge auf. Das hält die Dinge sicher frisch. Ich denke aber auch, dass du gezwungen bist, dich immer wieder neu auszurichten, wenn du kreativ bleiben willst.

Das denke ich auch, vor allem weil ich gestehen muss, dass ich kein ausgesprochener Bastille-Fan bin. Dennoch ist eure Herangehensweise extrem interessant und der Stil-Mix sicher einer der interessantesten, den es derzeit im Radio zu hören gibt. Viel Erfolg mit dem neuen Album und wir sehen uns bei einem eurer nächsten Konzert in Deutschland.

Will: Oh vielen Dank, das tut gut zu hören!

Woody: Danke dir, wir kommen bald wieder!


Gehört: Bastille – Doom Days // Virgin; Universal // VÖ: 14. Juni 2019 > Homepage