Im Gespräch: Black Rebel Motorcycle Club

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Whatever happened to their Rock ’n‘ Roll? Eine berechtigte Frage, wenn es um San Franciscos berüchtigsten Motorradclub geht. Es ist schon eine Weile her, dass uns Black Rebel Motorcycle Club sowohl mit einem Album als auch mit einer ausufernden Tour beehrt haben. Seit ihrem siebten Langspieler „Specter At The Feast“ ist viel passiert, doch nach vier Jahren heulen die Motoren wieder auf. Am 28. November polieren Robert, Peter und Leah ihre Blues und Psychedelic tankenden Chromstühle in München.

Produziert von Nick Launay (Nick Cave, Arcade Fire, u.a.) und aufgenommen in den Sunset Sound Studios in Los Angeles, lassen die „Wrong Creatures” auf Album Nummer 8 noch bis nächstes Frühjahr auf sich warten. Solide vier Deutschland-Shows wollen aber schon diesen Herbst besucht und das neue Material begutachtet werden. Und auch wenn es bisher nur eine Single-Auskopplung zu hören gibt, wird man die gewohnt qualitative Motorcycle Club-Alchemie um die Ohren gehauen bekommen. Rollende Riffs kombiniert mit melancholisch-aufgeladenen Rhythmen, in denen es sich kurz vorm Siedepunkt in fabelhaftem und grundehrlichem Retro-Rock baden lässt. Black Rebel Motorcycle Club sind so etwas wie letzte Überlebende einer Ära, in der staubiger Rock ’n‘ Roll immer öfter von anbiederndem Dance-Pop und grellem Kommerz überschattet wird. Mastermind Robert Levon Been weiß, warum die schwarzen Kutten nach wie vor im Spint hängen:

“We are truly an island – come hell or high water, so it’s usually best to dress accordingly. Though I’m not sure what the proper attire is when drowning in fire. But leather usually goes with everything.”

 

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Ehe es mit „The Vacant Lots“ aus Vermont auf große Europa-Tour geht, drehten wir mit Drummerin Leah Shapiro ein Kippchen und haben mit ihr über das neue Album, die Zeit davor und ihren zweiten Geburtstag gesprochen.

Leah, gerade erst habt ihr euer neues Album enthüllt sowie eine neue Single veröffentlicht, auf der du sogleich als Erste zu hören bist. Doch „Little Thing Gone Wild“ ist auffällig düster, etwas dissonant, aber bei aller Härte auch sehr groovy. Ist dieser Song ein echter Vorbote für das neue Album?
Lass mich überlegen. Du hast vermutlich bisher nur diesen gehört, richtig?

Genau, wobei ihr zwei weitere Tracks bereits auf eurer US-Tour letztes Jahr präsentiert habt, oder?
Oh ja, das wären „Bandung Hum“ und „Haunt“. Im Großen und Ganzen ist das neue Album aber tatsächlich ein klein wenig dunkler geraten, was die Lyrics und den Vibe angeht. Ich würde sagen, es ist dreckiger und düsterer als das letzte Album. Wir sind aber immer noch dabei, am Album zu feilen. Das wird wie immer eine Crashlandung, und so arbeiten wir leider immer. (lacht) Nein, es ist wirklich ein Clusterfuck und für alle Umstehenden sehr spannend, wenn sie mit uns dreien arbeiten. Es steckt jedoch immer ein tieferer Sinn dahinter, obwohl es für die anderen wie die reinste Shitshow wirkt. Ich hatte auch noch nicht wirklich die Gelegenheit, Abstand zu nehmen. Ich will aber nicht zu viel verraten und den Hörern vorschreiben, wie sie die Songs zu deuten haben. Mich interessiert, was andere Leute von den Songs halten, da meine Ansicht vermutlich drastisch abweicht. Eben weil ich diesen Tunnelblick während des Schreibens entwickelt habe.

So sehe ich das auch. Vor allem da Black Rebel Motorcycle Club für mich schon immer eine Band war, auf die sich viel projizieren lässt. Klar, das Image sind das Schwarz und die Lederjacken, doch die Songs kommen stets mit viel Ambiguität daher, was die Band für mich gerade so spannend macht.
Schön zu hören, genau  das meine ich damit. Am Ende interessiert mich mehr, was die Zuhörer von den Songs halten und was sie hineininterpretieren, als das, was ich mir dabei gedacht habe.

Wer euch kennt, weiß, dass sich die Band schon öfters fast aufgelöst hat und euch auch diverse Schicksalsschläge getroffen haben. Zum einen war da der Tod von Roberts Vater und du hast mit einer schweren Gehirnoperation zu kämpfen gehabt. Haben diese Einschnitte ihren Weg auf das Album gefunden?
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das keinen Einfluss genommen haben soll. Egal ob es diese Ereignisse sind oder die kleinen Wehwehchen im Alltag. All das fließt mit ein und ist Teil unserer Lebenserfahrung,  ganz egal auf welcher Reise sich jeder Einzelne von uns befindet. Aber ja, Dinge, die so gravierend sind, nehmen natürlich großen Einfluss auf ein Album. Ich war es gewohnt, mich stark zu fühlen und all das zu tun, was ich tun wollte, doch am Ende habe ich die Kontrolle über meinen Körper verloren. Dabei habe ich meine Gesundheit für mehr als selbstverständlich genommen. Es war ein Schock und die Angst vor dem Ungewissen war enorm. Wie wird die Operation verlaufen? Wie geht es mir danach? Ich konnte nach der OP quasi gar nichts tun. Somit genieße ich heute vieles auf eine ganz andere Art und Weise.

Auch deinen Posten bei Black Rebel Motorcycle Club?
Natürlich auch BRMC! Als wir im Sommer 2016, also knapp sechs Monate nach der OP, in Europa auf Tour waren, habe ich die Entscheidung getroffen, dass ich diese Tour wirklich brauche. Klar, es war vielleicht zu früh, aber ich wurde so aus der Musik gerissen und war noch nie so lange von ihr getrennt. Mein ganzes Leben begann sich um diese Gesundheitskacke und die Doktoren etc. zu drehen. Mir wurde alles zu viel und bin schier darin ertrunken. Auch wenn ich noch nicht hundertprozentig in der Lage war, auf Tour zu gehen, hat es mir wahnsinnig geholfen, wieder zurück ins Leben zu kommen.

Musik war also mal wieder die beste Therapie.
Musik ist Medizin, egal in welcher Form, ob du sie hörst oder selber spielst. Es ist irre, wie sehr sie dich durch so beschissene Zeiten bringen kann. Ich weiß nicht, was ich ohne sie getan hätte oder heute tun würde. Kennst du das? Es war körperlich wirklich eine Challenge, aber absolut nötig. Und auch für die Jungs, die sich so viele Sorgen gemacht haben, obwohl wir früher so viel Spaß hatten. Das war sehr schmeichelnd und schön.

Fast wie ein zweiter Geburtstag …
Definitiv!

Leah, du bist schon seit 10 Jahren die „neue“ Drummerin. Doch wir sind mittlerweile an dem Punkt, an dem viele sagen, du seist die einzig wahre Schlagzeugerin der Band. Wie fühlt es sich an, zu einem so festen Mitglied von BRMC geworden zu sein?
Oh, Mann, ich vergesse in der Tat manchmal, dass schon so viel Zeit vergangen ist. Ab und zu fühle ich mich noch wie „die Neue“, ja … Aber ich erinnere mich daran, wie ich damals den gesamten Song-Katalog der Band lernen musste. Nicht nur den Band-Katalog, denn ich suchte so viele Live-Videos, wie ich konnte, um so gut es ging Nick und seine Art zu ersetzen. Selbst wenn sich nur wenig im Flow ändert, kann der Song trotzdem eine ganz andere Note bekommen. Gerade beim Schlagzeug. Ich musste also ein paar Dinge einstudieren, die sich für mich nicht natürlich angefühlt haben, da jeder Drummer seinen eigenen Rhythmus hat. Aber sobald einige Zeit vergangen war, musste ich mir keine Gedanken mehr machen. Dabei fingen wir 2008 auch an „Beat the Devil’s Tattoo“ zu schreiben. Während dieser Phase hab ich alles und jeden wirklich intensiv beobachtet, um in die bereits bestehende Dynamik der Band zu passen. Es war schwierig, aber ich glaube für die Jungs war es am Ende gar nicht so fremd. Gerade das Schreiben ging mir gut von der Hand, aber da musst du Rob und Peter fragen. Vielleicht waren sie auch nur lieb zu mir … (lacht)

Klar,  je mehr Zeit man miteinander verbringt, und das waren, denke ich, zahllose Stunden bei euch, desto besser werden deine eigenen Fähigkeiten.
Gerade als Drummer muss man wahnsinnig auf die Leute aufpassen, mit denen man die Bühne teilt. Deren Style, deren Stärken und deren Schwächen kennen. Nur so kannst du der beste Background für die Leute sein. Oh je, jetzt wird’s etwas verkopft … Nein, mittlerweile fühle ich mich einfach selbstbewusster, was meine eigenen Ideen angeht und meine Kreativität. Es war ein natürlicher Prozess, bei dem ich kein bestimmtes Ziel vor Augen hatte.

Du sagtest mal in einem Interview, dass du dir nicht vorstellen kannst, nicht mit den Menschen befreundet zu sein, mit denen du auf Tour bist. Was für eine Band sind BRMC? Seid das ihr gegen den Rest der Welt oder seht ihr euch als Kollektiv, dessen Kreativität einfach harmoniert?
Weder noch! (lacht) Wir sind sehr eng miteinander, aber ganz ehrlich, ich glaube nicht, dass ich inspirierendere Musiker als Rob und Peter hätte finden können. Wenn wir schreiben oder performen, nehmen wir so viel Kreativität vom anderen auf. In gewisser Weise sind wir unsere eigene kleine, verrückte Familie. Wie auch immer du es nennen willst …  Aber ich würde nicht sagen, dass es wir gegen die Welt sind. So viele unserer Freunde sind Musiker, wir touren mit vielen Bands und das auch, wenn wir in unserer eigenen kleinen Welt sind. Wir scheren uns nicht so sehr um den Mainstream oder andere Bands, aber wir wollen andere unterstützen und sichergehen, dass gerade kleinere Bands ebenfalls gehört werden. So suchen wir auch unsere Support-Bands aus. Wenn uns etwas gefällt, nehmen wir sie mit. Aber ob isoliertes Kollektiv oder wir als DIE Band? Vermutlich liegen wir irgendwo zwischen diesen beiden Szenarien.

Was hat es genau mit dem Titel des Albums zu tun? Wer oder was sind „Wrong Creatures“?
Lass mich nachdenken … (lacht) Unsere Diskussion war, dass wir uns über Menschen generell und Individuen unterhalten haben. Irgendwo ein bisschen abgefuckt, alle sind nicht ganz da. Jeder hat seine eigene Art von Verrücktheit und die hält einen gefangen, was sehr unangenehm sein kann. Ich glaube nicht, dass wir zwingenderweise allesamt perfekte kreative Testimonials für die menschliche Rasse sind. Jeder spinnt auf seine Weise und darauf nimmt der Titel des Albums Bezug.

Da kann man euch kaum wiedersprechen.
Für mich ist der Titel sehr ähnlich zu der Idee hinter „Beat the Devil’s Tattoo“. Der beschäftigt sich mit diesem Diskomfort im eigenen Körper. Wir sind allesamt ein wenig verquer. Viele Leute behaupten, dass es da etwas Normales gäbe, aber das glaube ich nicht. Vor allem nicht in diesen Zeiten. Vermutlich musst du es nochmal googlen, aber es gibt doch dieses Zitat: „When the going gets weird, the weird turn pro“ oder so. Das trifft es!

Robert meinte einmal, dass er vor dem eigentlichen Beginn und dem Ende der Tour die meiste Angst hat. Ihr seid im November auch endlich wieder in Deutschland. Teilst du seine Meinung?
Ich bin einfach nur aufgeregt, auf Tour zu gehen. Punkt! Aber ich stimme Robert zu. Es herrscht immer diese Nervosität vor. Vor allem wenn wir eine Weile nicht unterwegs waren. Es braucht einen Moment, um sich diesem Rhythmus hinzugeben. Aber dann ist alles in Ordnung und es läuft sehr rund. Es gibt ein paar Schluckaufs und Schlaglöcher, aber so chaotisch, wie wir an die Dinge herangehen, ist das völlig normal. Ich hab das schon oft genug durchgemacht und bin optimistisch, dass wir es auch diesmal wunderbar hinkriegen werden. Ich freu mich einfach, on the road zu sein, und kann es kaum erwarten.

Ehe am 12. Januar das lang ersehnte Album „Wrong Creatures“ von Black Rebel Motorycle Club unter anderem auch als Limited Edition Vinyl Box-Set erhältlich ist, beehren uns Leah, Robert und Peter am 28. November endlich auch wieder in der TonHalle. Die Show in Hamburg ist bereits ausverkauft: Also, spread your love like a fever und sichert euch die letzten Tickets für diese Ausnahmeband!


curt präsentiert: Black Rebel Motorcycle Club // Support: The Vacant Lots // 28. November // TonHalle // Beginn: 20:30 // AUSVERKAUFT!

Unsere Verlosung ist beendet, die Gewinner wurden per E-Mail informiert.

Interview: Tim Brügmann > Homepage