Cadet Carter curt München

Im Gespräch: Cadet Carter
18. Januar @ Folks!Club

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Mering-Sankt Afra klingt mehr nach sonntäglichem Kaffee und Kuchen bei Tante Erna als nach Rock’n’Roll. In diesem Outback zwischen München und Augsburg haben Cadet Carter ihr Lager aufgeschlagen. Für Nick (Gesang/Gitarre), Benny (Drums), Passy (Bass) und John (Gitarre) der perfekte Ort, um im eigenen Studio an ihrem Sound zu tüfteln. Nach dem Debüt 2018 folgt 2020 nun endlich das zweite Album.

Die Alternative-Rocker, die alle vor Cadet Carter in Indie- und Hardcore-Punk-Bands gespielt haben, können es kaum erwarten, den Fans die neuen Songs um die Ohren zu ballern. Dass das mit der Band bis jetzt so gut geklappt hat, hat sicher auch etwas mit der großen Musik-Leidenschaft zu tun, die die vier an den Tag legen. Dass ihr Stil alles andere als der neueste heiße Elektro-Pop-Shit ist, ist ihnen dabei scheißegal. Was zählt, ist Authentizität. Zu erzählen gab es also genug, als curt den Jungs einen Besuch im Proberaum abgestattet hat.

Euer erstes Album bekam gute Kritiken, ihr habt einen Song mit Dave Hause aufgenommen, wart gefühlt dauernd auf Tour. Von der Band-Gründung an ging es  gut ab bei euch  – habt ihr damit gerechnet?
John:
Wir wollten schon auf was hinaus. Dass es jetzt so gut funktioniert, war eine positive Überraschung.
Nick: Es ging wirklich sauschnell. Für meinen Teil eigentlich zu schnell. Wir waren mit Dangerous Summer auf Tour, mit Itchy, mit Touché Amoré. Letztes Jahr im Sommer war der Punkt, an dem wir gesagt haben, wir müssen jetzt aufhören, zu jedem Konzert, zu jeder Tour Ja zu sagen, sonst kriegen wir das zweite Album nicht fertig. Dann kam aber eine Anfrage von den Blackout Problems für Anfang 2019. Und dann von Dave Hause. Aber das ist natürlich Jammern auf sehr hohem Niveau.
Passy: Irgendwas kam immer. Das war jetzt nicht so, dass wir uns umschauen mussten. Nach der Dave-Hause-Tour haben wir aber das zweite Album zum Ziel gesetzt.

Könnt ihr nach den vielen Shows die Songs vom Debüt noch hören?
Passy:
Die Songs sind für mich noch geiler geworden, weil ich damit coole Momente bei Konzerten verbinde.
Nick: Dass die eigenen Songs auf einmal anderen Leuten so viel bedeuten – Brainfuck.

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Euer zweites Album kommt 2020: Wie hoch ist die Erwartungshaltung?
Nick:
Die einzige Erwartungshaltung, die es gibt, kommt von uns. Wir haben für die neue Platte Sachen weggeschmissen, für die wir beim Debüt noch dankbar gewesen wären. Die erste Single vom neuen Album haben wir auf der Blackout-Problems-Tour probiert und das hat sofort connected. Ab da wusste ich, dass ein zweites Album funktionieren kann.
Benny: Ich möchte keine Erwartungen erfüllen. Da wollte ich auch bei den Aufnahmen gar nicht daran denken. Ich hab einfach das gemacht, worauf ich Bock hatte.
Passy: Bis zum zweiten Album mussten wir immer liefern. Da haben wir uns echt krass stressen lassen. Wenn man versucht, Erwartungen zu erfüllen, macht man die eigene Kreativität kaputt.

Wofür steht ihr als Band?
Nick:
Cadet Carter sind absolut songorientiert. Gute Songs zu haben, ist immer noch mehr wert als eine fette Image-Kampagne. Schon allein der Fakt, dass wir ein ganzes Album gemacht haben, zeigt, wie unglaublich vintage wir sind. Heutzutage bringen viele Bands alle paar Monate einen Song auf Spotify und freuen sich, wenn sie auf irgendwelchen Playlists sind. Das mag zwar für Reichweite sorgen – aber ist das dann ein Fan, wenn er nur eine Nummer von dir kennt? Wir machen Mucke, die wir als Band geil finden. Wir machen das nicht, weil’s grad angesagt ist – und Gott weiß, Gitarren-Rock mit Punk-Einschlag ist gerade so was von nicht angesagt. Authentizität for a lack of a better world.
Benny: Das könnte man auch als Appell an die Leute nehmen: Seid ehrlich zu euch selber.
Passy: Wir ziehen halt unser Ding durch. Wir kommen alle aus der Punk- oder Indie-Szene – das hörst du der neuen Platte auch an.

Wie wichtig ist Social Media für euch?
Nick:
Heute müsstest du als Band ¾ deiner Zeit auf Social Media verbringen. Bands sollen kleine Marketing-Maschinen sein. Klar, ist es wichtig und eine super Möglichkeit, Leuten was mitzuteilen. Aber die Follower stehen im keinen Verhältnis zu den Leuten, die tatsächlich zu Shows auftauchen.
Passy: Social Media ist Fluch und Segen zugleich. Du musst liefern, jede Band fühlt sich verpflichtet. Früher oder später gehst du aber in der Masse unter. Social Media ist ja nicht nur hier eine Story, da ein Post. Mir sind wenige Likes lieber, wenn dafür alle, die geliked haben, zum Gig kommen.
John: In Zeiten von Spotify und Social Media ist es sehr schwierig geworden, von Musik leben zu können. Und damit meine ich nur ganz bescheidene Sachen wie Miete und Essen bezahlen. Du bist bekannt, aber du musst gucken, wo du bleibst.

Wie viel Zeit investiert ihr in Cadet Carter?
Passy: Zu viel und gleichzeitig zu wenig. Mittlerweile ist es ein Lebensmittelpunkt. Natürlich hast du deinen Job und deine Family, aber dann kommt schon die Band. Die Arbeit auf Teilzeit zu reduzieren, ist gerade echt ein Thema.
Nick: Cadet Carter hat Vorrang vor so ziemlich allem. Das ist ein Commitment, das du aus Liebe zur Musik machst. Natürlich ist das aber auch Teil eines großen Spaßes – es ist ja keine Qual für uns, auf Tour zu gehen.

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Ich war im Frühjahr auf einem Konzert, da hießt es, Bands sind eigentlich „T-Shirt selling companies“. Wie wichtig ist Merch für euch?
John:
Du machst fast keine Kohle mehr mit Plattenverkäufen. Du hast einen Online-Shop, das meiste machst du natürlich vor Ort nach Konzerten. Gerade kleinere Bands, die international touren, sind auf Merch-Verkäufe angewiesen, weil sie so an Kohle für Unterkunft und Sprit kommen. Merch macht auch bei Cadet Carter einen wichtigen Teil der Einnahmen aus.
Nick: Zum Vergleich: Von dem Geld, dass wir bis jetzt durch die ungefähr Viertelmillionen Streams des Debüts auf Spotify verdient haben, könnten wir zu viert nicht Essen gehen. Gagen in unserem Stadium sind nicht hoch. Wenn du heutzutage auf eine Band stehst, laber die nach der Show an, nimm eine Platte und ein Shirt mit. Dann kannst du dich als wirklicher Supporter fühlen. Das ist was ganz anders, als die Band auf Instagram zu liken – das ist zwar nett, bringt der Band aber wenig.
Passy: Mit Merch visualisierst du auch, was du machst – und zwar nachhaltiger als mit einem Instagram-Post.

Was müsste sich eurer Meinung nach in der Musik-Branche ändern?
Nick:
Alles. Ich würde mir wünschen, dass hart arbeitende Künstler mehr Anerkennung kriegen, als die, die einen guten Marketing-Plan haben.
Passy: Und dass die Wertigkeit von Social Media abnimmt. Es sollte sich auf das Wesentliche konzentriert werden.
John: Wir hoffen einfach, dass die Zeiten sich wieder ändern und die Leute es zu schätzen wissen, wenn nicht jeder Song gleich klingt.

Wie findet ihr die Münchner Musik-Szene?
John:
Ziemlich breit gefächert. Es gibt viele HipHoper, es gibt viel Indie, es gibt viel Metal. Man kennt sich untereinander.
Nick: Mit einer Speerspitze aus Leuten wie Fiva, Blackout Problems, Marathonmann, Sportfreunde Stiller und Emil Bulls ist München viel besser aufgestellt als viele andere deutsche Städte. Das einzige Problem ist, dass es nicht genug Wertschätzung für Live-Locations gibt. Jede Location wird früher oder später von der Gentrifizierung gefressen.
Passy: Es herrscht in München ein wahnsinniger Band-Inzest. Es ist alles miteinander vernetzt. Es gibt kaum Konkurrenzkampf, jeder versucht, den anderen ins Boot zu holen und die Szene zum Wachsen zu bringen. Ich habe gerade das Gefühl, dass es wieder nach oben geht.


Die Gewinner unserer Kartenverlosung sind informiert.


curt präsentiert: Cadet Carter > Homepage > Facebook > Instagram // 18. Januar 2020 // Folks! Club // Beginn 20 Uhr, Einlass 19 Uhr // VVK: 12 Euro zzgl. Gebühren

Foto: Michaela Wiedholz