Appetitlich hört sich der Titel nicht gerade an. Ein bisschen nach Gammelfleisch à la Italia. Andererseits, was italienische Regisseure in den 60ern/70ern auf die Leinwand brachten, sollte auch alles sein, nur nicht schön. „Dreckige Spaghetti“ wirft einen Blick zurück auf ein ebenso spannendes wie ausgestorbenes Filmgenre.
Die Gesichter verhärtet, oft regungslos. Der Bahnhof heruntergekommen, fast ausgestorben. Nur drei Fremde lungern dort herum, wartend, lauernd. Gnadenlos brennt die Sonne vom Himmel, als die Mundharmonika aus dem Nichts ertönt. Kurze Zeit später liegen die drei Fremden am Boden, erschossen vom Mundharmonikaspieler. Wie er heißt, erfahren wir den ganzen Film über nicht. Nur dass er auf der Suche nach einem Frank ist und diesen töten will.
Diese Anfangssequenz von „Spiel mir das Lied vom Tod“ hat sich so stark in unser filmisches Gedächtnis gebrannt, dass wir den Eindruck haben, Western wären schon immer so gewesen. Dabei ist es keine 50 Jahre her, dass sich Italien anschickte, das US-Genre schlechthin komplett auf den Kopf zu stellen. Vorher war die Welt im Westen zwar wild gewesen, aber doch in Ordnung. Denn trotz aller Gefahren oder widriger Hindernisse gewannen am Ende immer die Guten. Damit war es jetzt vorbei. Nicht, weil es keine Gewinner mehr gab, sondern weil wir nicht mehr wussten, wer eigentlich die Guten waren, wer die Bösewichte.
„Dreckige Spaghetti“ nimmt uns mit zurück in diese Zeit, als eine Handvoll italienischer Regisseure, Drehbuchautoren und Kameramänner ein reichlich angestaubtes Filmgenre wiederbelebten und eine ganz eigene Note gaben. Eine sehr harte, düstere und eben dreckige Note. Spannend ist das Buch vor allem an der Stelle, wenn es genau diese Hintergründe erklärt. Wie kam es zu diesem radikalen Wandel? Wer war dafür verantwortlich? Und worin liegen eigentlich die Unterschiede zwischen dem klassischen US-Vorbild und den sogenannten Spaghetti-Western?
So ganz schafft es Autor Uwe Killing leider nicht, diesen Spannungsbogen über das gesamte Buch aufrecht zu erhalten. Zwar sind seine Ausführungen über die wichtigsten Schauspieler und die Frauenrollen in dem Genre ebenfalls noch interessant zu lesen. Aber spätestens beim umfangreichen Lexikon verliert sich „Dreckige Spaghetti“ in Details, B-Movies und Randnotizen, die eher ermüden als zu unterhalten. Zu viel für den Einsteiger, aber nicht tief genug für eingefleischte Fans. Und auch der Versuch, ein recht dünnes Interview mit Quentin Tarantino zu dessen aktueller Westernhommage „Django Unchained“ als Brücke zur Gegenwart zu nutzen, wirkt etwas aufgesetzt.
Dass sich das Buch dennoch lohnt, verdankt es seiner liebevollen Aufmachung. Eindrucksvolle Bilder aus zahlreichen Filmen und eine hochwertige Verarbeitung machen „Dreckige Spaghetti“ zu einem Vergnügen fürs Auge. Man spürt beim Durchblättern förmlich, dass sich hier ein Fan wirklich Gedanken gemacht hat. Besonders nett der Einfall, das Ganze im Querformat zu präsentieren, als würde man tatsächlich vor einer Leinwand sitzen. Abgerundet wird der Band durch einen Nachdruck des alten Programmhefts von „Für eine Handvoll Dollar mehr“ und ein Poster mit der Übersicht der wichtigsten Filme.
Wer selbst bei diesem Bilderrausch von einer vergangenen Filmepoche träumen oder sein Westernwissen etwas auffrischen möchte, sollte eine E-Mail mit Stichwort „Dreckige Spaghetti“ und Adresse anichwillgewinnen@curt.de schicken. Unter allen Einsendern verlosen wir ein Exemplar des Buches.
++ Die Verlosung ist bereits vorbei +++
Uwe Killing, „Dreckige Spaghetti: Die glorreiche Geschichte des Italo-Westerns“, Hannibal Verlag, 352 Seiten, 49,99 Euro
TEXT: Oliver Armknecht