Mit „Superhelden: Was wir Menschen von Superman, Batman, Wonder Woman & Co lernen können“ erscheint Grant Morrisons Ode an die bestrumpfhosten Supermänner und -frauen endlich auch auf Deutsch. curt verlost 4 dicke, fette Taschenbücher!
Dass der Originaltitel „Supergods: What Masked Vigilantes, Miraculous Mutants, and a Sun God from Smallville Can Teach Us About Being Human“ natürlich wieder einmal schön geschmacksneutral übersetzt wurde und die Übersetzer Morrisons zentrale „Superhelden = Götter der Neuzeit“-These scheinbar nicht mehr im Titel haben wollten – geschenkt! Titel zu ver-übersetzen ist augenscheinlich eine Gehirnkrankheit, die aus dem deutschen Übersetzerpöbel nicht mehr rauszupeitschen ist. Und das war’s dann auch schon mit der Kritik.
Das Buch selbst ist nämlich sehr gut, wenn auch nicht für jeden gleich gut zugänglich. Menschen, die noch nie in ihrem Leben Superhelden-Comics gelesen haben, können mit Morrisons Werk eher weniger anfangen, analysiert der Autor doch bekannte Comics, Charaktere und Ereignisse zum Teil detailgenau: Da wird’s für den Durchschnittsleser recht schnell langweilig und/oder unübersichtlich.
Allen Freunden von Unterhose-über-Hose-Trägern und Fans von Morrison sei das Buch jedoch wärmstens empfohlen: Chronologisch nach den „Ages“ der Comic-Industrie aufgebaut (Golden Age während des Zweiten Weltkrieges, das Silver Age der 50s bis zu den 1970s etc.), bietet es allerlei Skurriles und Unterhaltsames aus über sieben Jahrzehnten. Morrison, einer der größten neuzeitlichen Autoren im Superhelden-Geschäft, nutzt diesen Zeitstrang, um die Befindlichkeiten der verschiedenen Jahrzehnte und Generationen herauszuarbeiten und die Superhelden als Spiegelbild der jeweiligen Ära zu untersuchen. Dabei geht er auch auf die Autoren, Zeichner und Verleger hinter den Comics ein und gibt Einblicke auf deren Stile und Persönlichkeiten.
Auch hier wird’s bisweilen schräg: So integriert Wonder Woman’s Schöpfer William Moulton Marston z. B. Bondage und hatte per se kein Problem damit, Sexualität unterschwellig zu thematisieren (er selbst lebte in einer polyamourösen Beziehung und war beteiligt an der Entwicklung des Lügendetektors). Dass solcherlei Ferkeleien – plus der Fakt, dass Wonder Woman der herausragende „Starke Frau“-Archetyp war – natürlich nach Einführung der „Comics Code Authority“ ausgemerzt wurden und die Amazone dem Bild des „schwachen Geschlechts“ der 1950s weichen musste, wird von Morrison ebenfalls umrissen. Dazu sei kurz erläutert, dass die „Comics Code Authority“ 1954 als Selbstzensur der Comic-Branche eingeführt wurde. Und zwar nachdem Frederic Werthams Buch „Seduction of the Innocent“ Comics als Wurzel all des Übels erkannt hatte, die die amerikanische Jugend dumm, versaut und ggf. schwul machte. Bücherverbrennungen (kein Witz), moralische Panik und öffentliche Empörung kastrierten die Industrie daraufhin für die nächsten 50 Jahre.

Neben der chronologischen Aufarbeitung des Materials wird Morrison auch zunehmend autobiografisch. Vor allem ab dem Silver Age – Morrison ist Jahrgang 1960 – erläutert er Einflüsse auf sein Schaffen, Rivalitäten und Kritik an Kollegen. Zentral aber ist seine große These, dass Superhelden als Götter der modernen Welt verstanden werden können. Immer wieder kehrt Morrison darauf zurück und erläutert die jeweiligen Charakteristika und archetypischen Merkmale mythischer oder folkloristischer Figuren, die in den verschiedenen Superhelden aufgegriffen wurden. Morrison hat sich in den meisten seiner Werke als Comic-Autor immer wieder auf diese, in seinen Augen sehr spezielle Stellung der Superhelden als Verkörperungen gewisser, teils uralter Prototypen bezogen. Hier rollt er dieses Thema in seiner Gesamtheit auf.
Als alter Comic-Sammler und Bewunderer von Morrisons Arbeit bin ich natürlich voller Jubel ob dieses Buches, zumal es Lust macht, so einige alte Schinken wieder mal aus dem Regal zu holen und mit einem Auge auf Morrisons Analysen noch mal zu lesen. Also: Leseempfehlung!
Addendum: Wer bisher kaum etwas von Grant Morrison gelesen hat, sollte sein Leben bereichern und folgende Titel zur Hand nehmen (teilweise bereits auf Deutsch erschienen): bei DC „All-Star Superman“, „Arkham Asylum: A Serious House on Serious Earth“, „Seven Soldiers“ sowie die Vertigo-Serien „Doom Patrol“ (1989–1993, die verdammt beste Serie, die je geschrieben wurde), „Animal Man“, „The Invisibles“ und „Flex Mentallo“. Jedes dieser Comics sollte die Annahme, Superhelden-Geschichten seien nur Quatsch für kleine Kinder, mit einer Hodentorsion zurück in die 1950s schicken.
Wer eines von insgesamt vier Exemplaren der „Superhelden“ sein Eigen nennen will, macht bei unserer Verlosung mit: Schreibt uns Kommentare und unser curt-Superheld sucht sich die schrägsten heraus. >>> Up, up and away!
+++ Unsere Verlosung ist vorbei +++
TEXT: Philipp Dahlmanns