Der Name verrät es ja eigentlich schon, ganz klar: Wer sich Me and my Drummer nennt, der wird nicht bescheiden sein. Da bin ich – Kopf und Stimme – und ach ja … da ist noch mein Drummer! Oder wird er es schelmisch meinen? Oder ehrlich, geradeheraus: Ich halt, und mein hellblonder Drummer – heute, hier, live auf der Bühne. Oder doch: dickes, fettes Wir? Wir beide, zusammen, in musikalischer Personalunion: perfekt geschnitztes Elektro-Handwerk?
Hellblonder Kopf und Stimme ist die 26-jährige Charlotte Brandi, der fünf Jahre jüngere Matze Prollöchs ist ihr Drummer. Fast pünktlich eröffnen sie den Abend mit dem Pop-Synth-Track „Rain kids“ ihres hochgelobten Albums „The hawk, the beak, the prey“ – ein A-capella-Intro wie eine kleine Faust.
Beeindruckend, wie kraftvoll Charlotte Brandis Stimme durch den verschwitzten Raum schlägt und ihn absorbiert. Beeindruckend auch, wie wenig man von Charlotte Brandis Erzählung versteht, wenn man sich nicht hochgradig konzentriert. Schwitzig ist es, weil gut gefüllt; das Publikum könnte sich kaum mehr in Bartwuchs und Attitüde unterscheiden.
Dann ein dreißigköpfiger Chor beim sakralen „The wings“, allerdings nur aus der Büchse, denn – so Charlotte Brandi – „im Auto war nicht genug Platz“. Ihre Stimme legt sich warm über den Chorteppich; Gänsehaut und Kopfnicken. Zwischendurch zitiert Charlotte Brandi Schlingensief und definiert Fremdfühlen, philosophiert kurz-knackig über Britney Spears‘ Seelenzustand und Christina Aguileras Dachschaden. Auch nur human, die beiden, resümiert sie, und leitet so Phobia ein, ein phrenetisches Glockenspiel über den alltäglichen Kummer. Sie bedankt sich viel und herzlich, ist eine gute Performerin mit einer leuchtenden Präsenz auf der Bühne, nimmt ihr Gegenüber als Publikum ernst.
Me and my Drummer erinnern eher an professionelle Bühnenmusiker als an ein halbgares Berlin-Hypie-Hypie-Elektroduo, dem lieblos die Haare im Gesicht hängen. Bei einem neuen Song, dessen Titel die beiden für sich behalten, scheinen Charlotte Brandi und Matze Prollöchs fast mit einer einzigen starken Hand auf die Drums zu preschen. Bemerkenswert, wie viel sie aus ihren Instrumenten rausholen, wie minimalistich ihre musikalische Performance ist, ohne abgegriffen zu sein. Charlotte Brandi erzählt vom Haus der Eltern in Dortmund-Hörde. Das Haus gibt es nicht mehr, und lustig ist es da gewiss nicht, im Ruhrgebiet, betont Charlotte. Alles lacht. Man sieht ihr an, dass sie sich wohl fühlt bei dem, was sie da tut. Und alles lacht erneut, als sie sich umschaut und feststellt, dass die Bühne von hölzernen, „äußerst praktischen“ Ablageflächen begrenzt wird. Super, kann man Wasser drauf abstellen! „Bier!“, schreit jemand aus dem Publikum. In schönstem Boarisch grummelt – auf ihr Keyboard deutend – Charlotte: „Später. Dieser Job hier erfordert absolute Kontrolle.“
Me and my Drummer covern auch Radioheads “Where I end and you begin” und stricken daraus eine dream-poppige, sphärische Version, getragen von Charlottes weichem Gesang. Es gelingt ihnen wunderbar, eine ganz eigene, noch mehr gitarren-entschlackte, apokalyptische Hymne zu kreieren. Viel ist Theater-Musik, die reich ist an großen, gut einstudierten Gesten, mit Glitzer und mit ein bisschen Gaga – weniger die Frau als der Geisteszustand.
Charlotte Brandi blickt zeitweise so verträumt und spielerisch-abwesend, dass die emotionale Wandelbarkeit ihres großen Stimmumfangs allein arbeitet. Bereits beim drittletzten Titel bittet das seelenhungrige Publikum um eine Zugabe. Dreizehn Songs spielen Me and my Drummer schließlich in München; die Spannung halten sie bis zum letzten melancholisch gehauchten „My attitude“ von „Runner (Reprise)“.
TEXT: MICHAELA NEUKIRCH