Auf dem Cover sieht man eine Glaskuppel, die mitten im See aus dem Wasser ragt, das Album trägt den Titel „Brothers and Sisters of the Eternal Son“, fünf von zehn Liedern beginnen mit „Silver“ – uff. Noch vor dem ersten Hören drängt sich da der Eindruck auf, da wäre jemand sehr spirituell veranlagt oder hätte in seiner Jugend ein bisschen viel Klebstoff geschnüffelt. Vielleicht auch beides.
Ungewöhnlich geht es auch los, geradezu magisch. Zuerst wiegt einen Opener „Magic Number“ noch in Sicherheit, bevor mitten im Lied das Klappern beginnt. Eine Art Trommelwirbel. So, als wäre man tatsächlich dabei, wenn da vorne jemand auf der Bühne steht und etwas aus einem Zylinder zaubert. Und das ohne, dass da ein Zylinder wäre. Auch die Vorabsingle „Silver Timothy“ beginnt eher konventionell, als schwungvolles Gutelaunelied, bei dem man auf Anhieb mitsummen möchte. Bis sich dann zu den akustischen Instrumenten auf einmal Loops aus dem Computer gesellen und man sich fragt: Wo kommen di denn auf einmal her?
So wie hier geht es bei den meisten Liedern von Jurados elftem Album zu. Da wird traditioneller Folk mit Elektroklängen gemischt. Zu einem wirklichen Bruch, einem Konflikt zwischen zwei Welten kommt es hier aber nicht. Vielmehr fügen sich die einzelnen Bestandteile recht harmonisch zusammen und wirken gerade in Kombination mit der zurückgenommenen, relaxten Stimme wie aus einem Guss.
Space Folk heißt wohl das Buzzword, wenn man denn unbedingt eine Schublade dafür finden wollte. Man könnte aber auch einfach von guter Musik sprechen, denn reizvoll ist die Mischung auf jeden Fall; manche Lieder gewinnen deutlich durch den Beistand der Rechner. „Silver Donna“, mit sechs Minuten Länge der mit Abstand dickste Brocken, wird im Verlauf geradezu spacig. „Return To Maraqopa“ – ein Verweis auf Album Nummer zehn des Amerikaners – gehört durch das Nebenher von schleppenden Rhythmen und der später einsetzenden verspielten Elektromelodie sogar zu den Höhepunkten des Albums.
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Dass Jurado technische Spielereien aber gar nicht nötig hat, das zeigt der vorletzte Track „Silver Joy“, wo sich der Barde nur auf sich selbst verlässt, auf seine Stimme, die akustische Gitarre und eine simple Melodie. Simpel, aber schön. Und melancholisch. Allgemein ist das Album eher weniger für Partys geeignet, dafür wird dann doch zu sehr in Mollfarben gemalt. Erst ganz zum Schluss entlässt er den Hörer mit dem fröhlichen „Suns in Our Mind“ in die Welt da draußen – aber erst, nachdem er in dem Lied ein Schnarchen (!) eingespielt hat.
Seltsam, aber auch irgendwie passend für ein Album, das gleich in mehrfacher Hinsicht traumhaft ist, immer wieder wirkt, als wäre es nicht von dieser Welt. Für manche könnte das zu einem Problem werden, denn durch diese Entrücktheit hat „Brothers and Sisters of the Eternal Son“ auch immer etwas Unnahbar-Distanziertes an sich. Schuld daran sind auch die teils sehr kryptischen Texte. Wenn er beispielsweise in „Jericho Road“, Lied Nummer fünf, „colours don’t change when your life gets strange“ singt, sind wir längst in dieser Kuppel des Covers angekommen, ohne es zu merken, und betrachten die Welt durch die schiefen, dreieckigen Glasscheiben um uns herum. Also doch zu viel Klebstoff? Mag sein, aber wenn dabei so schöne Alben wie das hier rauskommen, darf der Mann jeden Weg einschlagen, den er vor sich findet.
Nächsten Monat führt ihn der sogar nach München, wenn der Sänger am 25. Februar im Milla auftritt. Wem das Album Gefallen hat oder generell Interesse an etwas anderer Folkmusik hat, kann dann sogar hautnah dabei sein, wenn Damien Jurado unsere Sphären verlässt.
Damien Jurado >> „Brothers and Sisters of the Eternal Son“ >> Secretly Canadian (Cargo Records) >> VÖ: 17. Januar 2014
TEXT: OLIVER ARMKNECHT