Im Kino: Es gilt das gesprochene Wort

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Marion (Anne Ratte-Polle) ist eine Frau, die genau weiß, was sie will, und sich von niemandem etwas vorschreiben lässt. Anders hätte sie es auch nicht geschafft, sich in einer Männerdomäne durchzusetzen und Pilotin zu werden. Und auch in ihrer Affäre mit dem verheirateten Raphael (Godehard Giese) behält sie gerne die Kontrolle. Doch so ganz klappt es in der letzten Zeit nicht, eine Krankheit hat sie zutiefst verunsichert. Und dann wäre da auch noch Baran (Ogulcan Arman Uslu), dem sie während eines Urlaubs in der Türkei über den Weg läuft. Raus aus seiner Heimat und in Deutschland ein neues Leben anfangen. Zunächst reagiert Marion zögerlich auf sein Angebot, beschließt dann aber doch, mit dem deutlich jüngeren Mann eine Scheinehe einzugehen und ihm somit eine Aufenthaltsgenehmigung zu verschaffen.

Filme über die Flüchtlingskrise hat es in den letzten Jahren nicht zu knapp gegeben. Der Verdacht liegt da natürlich nahe, dass „Es gilt das gesprochene Wort“ letztendlich nur ein weiterer Film ist, der sich mit dem Schicksal von Menschen auseinandersetzt, die zwangsweise ihre Heimat hinter sich lassen mussten und nun darauf hoffen, in der Fremde ein neues Leben anfangen zu können. Doch dieser Verdacht bestätigt sich nur sehr bedingt. Zunächst einmal stammt Baran aus der Türkei. Und so fragwürdig manches in dem östlichen Land politisch auch sein mag, mit ihm hat das wenig zu tun. Feste Überzeugungen hat er keine, zeigt sie zumindest nicht. Er ist Opportunist. Arbeitet mit einer ebenso großen Selbstverständlichkeit am Flughafen, wie er es als Gigolo tut. Er will einfach nur ein besseres Leben.

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Und auch Marion ist eine bemerkenswerte Figur. Eine Frau, die als Pilotin arbeitet und sich einen deutlich jüngeren Mann nimmt, das sieht man dann doch eher selten. Der Film hat dabei einiges über unsere Welt zu verraten. Das tut er manchmal expliziter, beispielsweise bei den Auftritten von Godehard Giese als Liebhaber, der nicht wirklich glücklich darüber ist, von einem jüngeren Ausländer ausgebootet zu werden. Und auch zum Ende hin wird etwas dicker aufgetragen. Anderes bleibt hingegen offen. Weshalb sich Marion beispielsweise dafür entscheidet, Baran zu helfen, das wird nicht verraten. Das muss das Publikum dann schon für sich selbst entscheiden.

Das ist auch deshalb eine mutige Entscheidung, da die angesprochenen gesellschaftlichen Themen – sei es Immigration oder die Rolle der Frau – eigentlich nur sekundär sind. Vielmehr interessieren sich die Filmemacher für das Paar als solches. Was ein Kommentar zur Lage hätte sein können, wird so zu einer eigentlich ganz schönen Romanze zwischen zwei Menschen, die völlig unterschiedlich und an unterschiedlichen Stellen ihres Lebens sind. Vor allem das leise Zusammenspiel von Ratte-Polle und Uslu geht dabei zu Herzen. Der Film verschweigt dabei nicht die Schwierigkeiten, die eine solche Kombination mit sich bringt. Damit ist das Drama trotz der konstruierten Situation deutlich näher am Leben als so mancher Liebesfilm, der von großen Gefühlen spricht, ohne diese wirklich verstanden zu haben.

Fazit: „Es gilt das gesprochene Wort“ ist ein ungewöhnlicher Film, der gleichzeitig gesellschaftlicher Kommentar über Immigration und die Rolle der Frau wie auch einfühlsame Romanze ist. Vor allem das Zusammenspiel des ungleichen Leinwandpaares überzeugt dabei, selbst wenn sich vieles nicht wirklich ausgesprochen wird, anderes dafür umso expliziter ist.

Wertung: 7 von 10


Regie: Ilker Çatak; Darsteller: Anne Ratte-Polle, Ogulcan Arman Uslu, Godehard Giese, Jörg Schüttauf; Kinostart: 1. August 2019