Es ist mal wieder so weit und wir haben uns umgeschaut, was das aktuelle Filmangebot in der Videothek oder auch im Laden zu bieten hat. Unser Oberthema diesmal: Dramen. Langweilig? Nope! Denn das Genre hat weit mehr zu bieten als kitschige Schmonzetten oder bleischwere Kunstschinken. Was genau, erfahrt ihr in unserem dreiteiligen Special. Und zu gewinnen gibt es natürlich auch wieder einiges.
„Voll und ganz und mittendrin“
Schlaganfall, Amnesie, kindliches Verhalten – viel ist nicht von Conor geblieben. Fünf Monate wurde der junge Mann im Krankenhaus behandelt, bevor er zurück in die Obhut seiner Frau Vanetia gegeben wurde. Dort, in einer irischen Kleinstadt, kümmert sie sich aufopferungsvoll um ihn und die beiden kleinen Kinder. Unterstützung erfährt sie dabei durch den amerikanischen Neuropsychologen Ted Fielding, der Conor anlässlich einer Fallstudie mit der Kamera begleitet. Wenn Ted während dieser zwei Monate bei der Familie einzieht, sorgt das durch seine nicht sonderlich sensible Vorgehensweise nicht nur für eine Menge Chaos und Reibereien, sondern später auch für ungeplante Gefühlswirrungen. Aus bloßem Halt wird Sympathie, Zuneigung und dann auch etwas mehr. Und Vanetia ist plötzlich zwischen zwei Männern gefangen.
Kann man einen Menschen lieben, der durch eine Krankheit nicht mehr derselbe ist? Der es aufgrund der Schäden im Gehirn wohl auch nie wieder sein wird? Ein wehleidiges Rührstück ist der Film trotz der harten Ausgangslage dennoch nicht, für ein derart schweres Thema ist der Film erstaunlich optimistisch und leichtherzig. Nur zum Ende hin wurden einige besonders dramatische Szenen eingebraucht, die der Independent-Streifen gar nicht gebraucht hätte. „Voll und ganz und mittendrin“ punktet nämlich mit einer einfachen, aber doch emotional nachvollziehbaren Geschichte, glaubwürdigen Charakteren und warmen Bildern der irischen Provinz. Wenn Vanetuia versucht, ein normales Leben zu führen, beinhaltet das eine Menge schöner, kleiner Momente, mal hoffnungsvoll, dann wieder herzzerreißend, die vor allem dank des überzeugend spielenden Darstellertrios sehenswert sind.
Wertung: 7 von 10
Regie: Steph Green; Darsteller: Maxine Peake, Edward MacLiam, Will Forte, Brendan Morris; VÖ: 7. März 2014
„Love Battles – Mein erotischer Ringkampf“
Lange hatten sie sich nicht gesehen, erst der Tod führt dazu, dass die beiden Schwestern wiederzusammenfinden und alte Verletzungen ansprechen. Immer habe der Vater ihre Geschwister mehr beachtet, sie hingegen war unsichtbar, oder im besten Fall Ziel seines gesteigerten Ehrgeizes. Doch das frühere Familienoberhaupt ist nicht der einzige Mann in ihrem Leben, welcher der namenlosen Protagonistin Probleme bereitet. Da wäre auch noch der gut aussehende, etwas ältere Schriftsteller, für den sie Gefühle empfindet, seitdem sie eines Tages in seinem Pyjama vor ihm stand. Passiert ist nichts aus seiner Sicht, denn es kam zu keinem Geschlechtsverkehr. Sie sieht das wiederum anders, besteht darauf, dass der bloße sexuelle Akt nicht entscheidend ist. Genug Konfliktpotenzial gibt es also, und das entlädt sich immer wieder in Kämpfen. Wortwörtlich.
Beim ersten Mal erfolgt die Rauferei noch spontan, ist Ausdruck aufgestauter Gefühle, die kein anderes Ventil fanden. Doch später verabreden sich die beiden gezielt, nur des Kämpfens willen. Bald schon verschwimmen die Grenzen zwischen Leidenschaft und Wut, positiven und negativen Gefühlen, und auch wer hier eigentlich gegen wen kämpft. Das hört sich in der Theorie spannender an, als es auf dem Bildschirm dann stattfindet. Zu Beginn noch nachvollziehbar wird das ständige Gerangel mit der Zeit immer willkürlicher und auch ermüdender, die Geschichte bewegt sich nicht vom Fleck. Erschwert wird der Zugang durch die seltsamen Dialoge zwischen den beiden. Und das ist schade, denn die Hauptdarstellerin zeigt gerade bei den Szenen mit der Schwester, dass sie es sehr gut versteht, mit kleinen Gesten oder Mimik sehr viel Gefühl zu transportieren.
Wertung: 5 von 10
Regie: Jacques Doillon; Darsteller: Sara Forestier, James Thiérrée, Louise Szpindel; VÖ: 14. März 2014
„Zwei Leben“
Als Tyskertøs wurden sie beschimpft, die „Deutschenflittchen“: Frauen, die zur Zeit des Zweiten Weltkrieges Beziehungen mit den deutschen Besatzern eingingen. 250 Kinder, die aus solchen Beziehungen hervorgingen, wurden später nach Deutschland verschleppt, um das arische Erbgut zu fördern. Nur wenige dieser Kinder durften je ihre Eltern kennenlernen, die meisten wuchsen bei Pflegeeltern oder in Kinderheimen auf. Katrine ist eine der wenigen, die Glück hatte und ihre Mutter wiederfand. Heute erinnert nur wenig an ihre traurige Kindheit. Sie ist glücklich mit dem Marineoffizier Bjarte verheiratet, hat Familie. Wer kann es ihr verdenken, dass sie wenig begeistert ist, als der Anwalt Sven Solbach auftaucht, um ihre Geschichte zu hören. Oder steckt hinter ihrer Weigerung, mit ihm zusammenzuarbeiten, vielleicht doch noch etwas anderes?
Kaum ein Film schaffte es in der letzten Zeit vergleichbar gut wie „Zwei Leben“, Drama mit Thriller zu kreuzen und dabei wirklich in beiden Genres zu überzeugen. Die Spannung besteht dabei weniger darin, was sich damals wirklich zugetragen hat – durch Rückblenden wird viel vorweggenommen – sondern, ob die Geheimnisse ans Tageslicht kommen. Und wenn ja, welche Auswirkungen das haben wird. Noch bevor wir diese Antworten bekommen, zeigt uns das Psychodrama, wie die Schatten von einst das Familienglück überdecken. Diese inneren Konflikte von Katrine, aber auch die mit ihrem Mann und der Mutter werden differenziert von Juliane Köhler und ihren Kollegen dargestellt. Und ganz nebenbei werden unsere Konzepte von Gerechtigkeit und Wahrheit auf die Probe gestellt. Wo liegen die Grenzen zwischen richtig und falsch, Täter und Opfer, äußerer und innerer Identität?
Wertung: 8 von 10
Regie: Georg Maas, Judith Kaufmann; Darsteller: Juliane Köhler, Liv Ullmann, Sven Nordin, Ken Duken, Julia Bache-Wiig; VÖ: 28. März 2014
„Sein letztes Rennen“
Noch immer hat Paul Averhoff den Jubel in den Ohren, wenn er daran zurückdenkt, wie er 1956 bei den Olympischen Spielen den Marathon gewann. Nur sind seither einige Jahrzehnte vergangen, heute schafft es der frühere Spitzensportler kaum mehr, das kleine Häuschen in Schuss zu halten, in dem er mit seiner gebrechlichen Frau Margot lebt. Da sich auch Tochter Birgit nicht um sie kümmern kann, muss ein anderer Ausweg her: Altersheim. Lange hält es der rüstige Rentner dort aber nicht aus; eingesperrt zwischen Singnachmittagen und dem obligatorischen Basteln von Kastanienmännchen will Paul einfach nur weg, raus, davonlaufen. Und kommt so auf die Idee, noch einmal beim Berliner Marathon teilzunehmen. Dass das Wahnsinn ist, weiß er insgeheim wohl selbst. Dennoch lässt er sich von niemandem abbringen und wird bald von den anderen Heimbewohnern unterstützt, die dank ihm zum ersten Mal seit Jahren wieder Lebensfreude spüren.
Dass Paul das Unmögliche möglich macht, steht von Anfang an fest, da läuft „Sein letztes Rennen“ schon auf verdammt abgewetzten Bahnen. Und dass die Heldengeschichte teils ziemlich zum Pathos neigt, auch damit muss man leben. Schwer fällt einem das nicht, denn trotz aller Vorhersagbarkeit und der klischeehaften Figuren sieht bald nicht nur das gesamte Altersheim zum einstigen Superstar auf. Auch als Zuschauer kann man gar nicht anders, als ihn anzufeuern, wenn er gegen alles anläuft. Das Alter. Die Trostlosigkeit. Den Tod. Richtig bewegend wird es immer dann, wenn eben das thematisiert wird: Was heißt es eigentlich, alt zu werden? Alles um dich herum zu verlieren? Deine Nachmittage mit albernen Basteleien auszufüllen, um auf deinen Tod zu warten? Dadurch wird „Sein letztes Rennen“ gleichzeitig zu einem Film über die Schattenseiten des Älterwerdens, mit einigen sehr schönen Szenen.
Wertung: 7 von 10
Regie: Kilian Riedhof; Darsteller: Dieter Hallervorden, Tatja Seibt, Heike Makatsch, Katharina Lorenz, Frederick Lau; VÖ: 28. März 2014
Zum Einstieg in unsere dramatische Woche verlosen wir 2 DVDs des warmherzigen Indiefilms „Voll und ganz und mittendrin“. Wenn ihr die gewinnen wollt, schickt uns eine Mail mit Name, Anschrift und Betreff „Voll und ganz und mittendrin“ an willhaben@curt.de. Und verratet uns: Wie geht ihr damit um, wenn euer Partner sich mal wieder wie ein kleines Kind verhält?
Unsere Verlosung ist beendet, die DVDs wurden verschickt!
TEXT: Oliver Armknecht