Kid-Thing DVD Rezension curt München

Auf DVD/Blu-ray: Drama-Special – Teil 3

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Auch im dritten Teil unseres Specials stellen wir euch einige Dramen vor, die ihr vielleicht im Kino damals verpasst, die alle aber einen zweiten Blick wert sind. Und anfangen tun wir mit einem, der zu den ungewöhnlichsten des letzten Jahres zählt. So ungewöhnlich, dass ihn damals in München keiner zeigen wollte. Und damit genau das richtige für curt.

„Kid-Thing“
Mal zerstört sie eine Toilette mit ihrem Baseballschläger, dann klaut sie einem behinderten Mädchen die Geschenke oder bewirft vorbeifahrende Autos mit Aufbackbrötchen – wenn die zehnjährige Annie während eines Telefonstreiches behauptet, der schlimmste Alptraum des anderen zu sein, ist man durchaus geneigt ihr zuzustimmen. Das mag auch an ihrem überschaubaren sozialen Umfeld liegen: Mutter und Freunde hat sie nicht, der Vater interessiert sich nicht für sie. Die einzige Person, zu der es so was wie einen menschlichen Kontakt gibt, ist ausgerechnet jemand, von dem wir bis zuletzt nicht erfahren, ob er überhaupt ein Mensch ist: Esther, eine vermutlich ältere Dame, die im Wald in ein Loch gefallen sein soll. Mit ihr unterhält sich Annie immer wieder, bringt ihr zu essen und zu trinken, weigert sich aber, ihr aus dem Loch zu helfen. Schließlich könnte Esther auch der Teufel sein.

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Aber vielleicht ist Esther auch nur eine Einbildung, das seltsame Konstrukt von Annies Fantasie, so wie vieles in „Kid-Thing“ äußerst seltsam ist. Wer kommt auf die Idee, Hühner hypnotisieren zu wollen? Dieser Eindruck des Bizarren wird durch die allgegenwärtige Apathie noch weiter verstärkt. Die Zerstörungswut des kleinen Mädchens geschieht nicht aus Lust an Gewalt oder aus Protest gegen die Welt, sondern aus Langeweile. Vielleicht auch aus einer inneren Leere heraus. Dazu passt, dass hier nur selten gesprochen wird. Manchmal geschieht einige Sekunden gar nichts, dazu Stille, kein Laut, nichts. Zusammen mit dem Verzicht auf eine Handlung hat der sperrige Indie-Streifen nur wenig Mainstreamappeal. Doch das sollte alle Filmliebhaber nicht abhalten, die den immer wiederkehrenden Einheitsbrei leid sind. Denn gerade durch das entschieden Seltsame wird der Film verstörend und ungemein faszinierend.
Wertung: 7 von 10

Regie: David Zellner; Darsteller: Sydney Aguirre, Nathan Zellner; VÖ: 28. März 2014


„Um jeden Preis – At Any Price“

Seit Jahrzehnten wird bei den Whipples der landwirtschaftliche Familienbetrieb an die nächste Generation gegeben. Und wenn es nach Henry Whipple geht, wird das auch bei der kommenden der Fall sein. Talent für das Metier hat der ältere Sohn sogar, wie er mehrfach unter Beweis stellen durfte, verbringt seine Zeit aber lieber beim Bergsteigen in Argentinien als bei seinem Vater. Sohn Nummer zwei, Dean, ist da nicht groß anders, seine Flucht besteht aber in der Teilnahme an Autorennen. Abgerundet werden die Familienkonflikte durch Henrys Affäre mit Meredith Crown und den folgerichtigen Problemen mit Frau Irene. Und als wäre als das nicht schlimm genug, sieht es auch beruflich mau aus: Das Geschäft ist hart, es herrscht ein gnadenloser Verdrängungskampf und Henrys größter Konkurrent Jim Johnson macht ihm immer mehr Kunden abspenstig.

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Viel hilft viel, so lautete wohl das Motto des Films. Ob es nun der Familienkonflikt ist oder der Kampf ums wirtschaftliche Überleben, ständig kommen neue Problematiken ins Spiel. Einige der Wendungen sind geglückt, andere weniger. Vor allem führt diese Überdosis an dramatischen Begebenheiten dazu, dass „Um jeden Preis – At Any Price“ irgendwann wie eineine Sopa Opera wirkt. Gebraucht hätte der Film diesen Dauerbeschuss nicht, starke Szenen hätte es auch so mehr als genug gegeben, etwa wenn der Verlust von Anstand beim Kampf ums wirtschaftliche Überleben aufgezeigt oder die Entfremdung zwischen den Generationen thematisiert wird. Trotz der überfrachteten Geschichte und eines fragwürdigen Endes bleibt aber ein immerhin ordentliches Drama, das effektiv bestehende Familienbilder seziert und den allgegenwärtigen Drang zum Erfolg hinterfragt.
Wertung: 6 von 10

Regie: Ramin Bahrani; Darsteller: Dennis Quaid, Zac Efron, Kim Dickens, Heather Graham, Clancy Brown ; VÖ: 27. März 2014

„Rush – Alles für den Sieg“

Der eine ein gewissenhafter, kühler Analytiker, der andere ein leidenschaftlicher Lebemann – was könnten die schon gemeinsam haben? Im Fall von Niki Lauda und James Hunt ist die Antwort einfach: Sie gehörten in den 70ern zu den besten Rennfahrern der Welt. Bis heute ist der Wettstreit der beiden legendär, vor allem der spannende Kampf um die Weltmeisterschaft 1976 ging in die Geschichte ein. „Rush – Alles für den Sieg“ nimmt uns zurück in diese Ära. Angefangen bei ihrem ersten Aufeinandertreffen folgt das Drama den beiden, beleuchtet ihr schwieriges Verhältnis zueinander, den jeweiligen Aufstieg zum Formel-1-Superstar und gibt dabei ganz nebenbei einen Einblick in eine Zeit, als der Rennsport noch deutlich rauer und waghalsiger war.

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Die grobe Geschichte dürfte vielen bekannt sein, Lauda ist Jahrzehnte nach seinem Karriereende immer noch ein bekanntes Gesicht im Fernsehen. Warum dann noch ein Film darüber? Kann das überhaupt spannend sein? „Rush – Alles für den Sieg“ ist es, sehr sogar. Das komplexe Verhältnis zwischen den beiden Ikonen wird behutsam beleuchtet, Regisseur Ron Howard lässt sich viel Zeit bei der Vorstellung seiner beiden Protagonisten. Ganz so negativ wie im Film dargestellt war die Beziehung der beiden wohl im wahren Leben nicht, hier wird die Rivalität aber zu einer überzeugenden Sprungfeder für die Höchstleistungen der Fahrer. Zudem gibt sie Sonnyboy Chris Hemsworth und dem Deutsch-Spanier Daniel Brühl die Gelegenheit zu zeigen, dass sie auch im Dramabereich gut aufgehoben sind. Die Rennszenen sind im Vergleich zu dem Dramateil überraschend selten. Rasant sind sie aber und gut in Szene gesetzt – vor allem beim spektakulären Finale.
Wertung: 8 von 10

Regie: Ron Howard; Darsteller: Chris Hemsworth, Daniel Brühl, Olivia Wilde, Alexandra Maria Lara; VÖ: 28. März 2014

„Michael Kohlhaas“
Ein einfacher Grenzübergang ist es, der Michael Kohlhaas zu schaffen macht. Doch an diesem muss der angesehene Rosshändler vorbei, um seine Ware im nächsten Markt verkaufen zu können. Eine Lappalie, wenn man im Besitz des geforderten Passierscheins ist. Ohne den ist Kohlhaas aber gezwungen, dem Baron zwei seiner Pferde als Pfand zu überlassen, die er auf dem Rückweg wieder abholen darf. Doch die sind bei seiner Rückkehr in einem sehr schlechten Zustand, ebenso sein Diener César, der von den Männern des Barons misshandelt wurde. Kohlhaas fordert Wiedergutmachung, erst beim Adligen selbst, dann bei den Behörden. Als ihm diese verwehrt wird, schart er eine Streitmacht um sich und beginnt, auf eigene Faust und mit viel Blutvergießen für Gerechtigkeit zu sorgen.

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Mehr als zweihundert Jahre hat die gleichnamige Novelle von Heinrich von Kleist inzwischen auf dem Buckel. Regisseur Arnaud des Pallières hält sich bei seiner Version an das Grundgerüst des Ausgangsmaterials, verlegt das Geschehen jedoch in die französischen Cevennen, die mit ihren kargen Landschaften das optische Pendant zu einem sehr rauen Film bilden. Als eine Art Rachewestern könnte man „Michael Kohlhaas“ bezeichnen, das von den intensiven Bildern geprägt ist und das die Frage nach einem Helden offen lässt. Anfangs feuert man Kohlhaas innerlich an, fordert, dass ihm Gerechtigkeit widerfährt. Doch irgendwann fängt dieses Verhältnis an zu kippen, als dem Betrogenen die Folgen seiner Rache zunehmend gleichgültig sind. Damit ist „Michael Kohlhaas“ nicht nur ein stark gespieltes, atmosphärisches Drama, sondern gleichzeitig auch kluge Reflexion darüber, was Gerechtigkeit überhaupt bedeutet.
Wertung: 7 von 10

Regie: Arnaud des Pallières; Darsteller: Mads Mikkelsen, Mélusine Mayance, Delphine Chuillot, David Bennent, Swann Arlaud; VÖ: 28. März 2014

Zum Abschluss unseres Specials haben wir 3 Exemplare des bizarren Indiefilms „Kid-Thing“ für euch organisiert. Wie immer brauchen wir Name und Anschrift. Schickt uns beides mit Betreff „Kid-Thing“ an willhaben@curt.de und verratet uns: Wer ist euer schlimmster Alptraum?

Unsere Verlosung ist beendet, die Filme wurden versandt.

TEXT: Oliver Armknecht