Das Leben kann manchmal echt hart sein: Armut, Krankheit, eine unglückliche Liebe, soziale Benachteiligung oder auch Tod von Familienangehörigen. Vier Filme stellen wir euch heute vor, in denen die Protagonisten mit einem schwierigen Schicksal fertig werden müssen und jeder das auf seine Weise tut.
„Mister & Pete gegen den Rest der Welt“
Die Kindheit soll die schönste Zeit des Lebens sein? Wenn das der Fall ist, hat der 13-jährige Mister (Skylan Brooks) nicht viel, worauf er sich freuen kann. Einen Vater hat er nicht, seine drogenabhängige Mutter Gloria (Jennifer Hudson) arbeitet als Prostituierte, Freundschaften sind in dem heruntergekommenen Block kaum möglich, auch in der Schule läuft es mies. Als seine Mutter mal wieder von der Polizei aufgegriffen wird und nicht wieder kommt, ist der Junge plötzlich auf sich allein gestellt und muss sich auch noch um den neunjährigen Nachbarsjungen Pete (Ethan Dizon) kümmern. Ein bisschen viel für ein Kind, Trost findet er lediglich in der Aussicht auf ein Vorsprechen und in seinem Traum, Schauspieler zu werden.
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„Mister & Pete gegen den Rest der Welt“, das hört sich nett an, wie ein Abenteuerfilm für die Kleinen. Und streckenweise könnte man das hier auch tatsächlich glauben, wenn die beiden Jungs sich mit viel Einfallsreichtum, Witz und einer etwas freieren Auslegung von Recht und Moral durchschlagen. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Schon früh dürfen wir erschreckende Details aus dem Leben der beiden erfahren. Und später wird klar: Aus der trüben Nachbarschaft, deren Soundtrack aus einer Mischung aus Vogelgezwitscher, TV-Beschallung und Polizeisirenen besteht, gibt es kein Entkommen. Wie bei einem Film zu erwarten ist, der den Sommer zweier auf sich allein gestellter Jungs erzählt, besteht „Mister & Pete gegen den Rest der Welt“ aus lauter einzelnen Episoden, die größtenteils in einer beliebigen Reihenfolge hätten gebracht werden können. Eine wirkliche Spannungskurve gibt es auf diese Weise natürlich nicht, eine Entwicklung ebenso wenig, und wenn zum Ende hin doch noch eine gut gemeinte Message alles zum Abschluss bringen soll, ist das schon recht forciert. Dass das Drama dennoch richtig gelungen ist, verdankt es seinen beiden Protagonisten, die das Stückwerk fast lückenlos zusammenhalten.
Wertung: 7 von 10
Regie: George Tillman Jr.; Darsteller: Skylan Brooks, Ethan Dizon, Jennifer Hudson, Adewale Akinnuoye-Agbaje; VÖ: 29. August 2014
„Gabrielle – (K)eine ganz normale Liebe“
Zwei Dinge sind es, die Gabrielle (Gabrielle Marion-Rivard) über alles liebt, die der Kanadierin mit dem Williams-Beuren-Syndrom Halt geben: ihre Familie und die Musik. Und es scheint ja auch gut zu laufen für die lebenslustige junge Frau, vor allem dem bevorstehenden Auftritt ihres Chors zusammen mit dem berühmten Chansonnier Robert Charlebois (Robert Charlebois) fiebert sie voller Vorfreude entgegen. Doch längst sind dunkle Wolken am Himmel aufgezogen. Ihre Schwester Sophie (Mélissa Désormeaux-Poulin), die sich aufopferungsvoll um sie kümmert und die wichtigste Bezugsperson in ihrem Leben ist, plant nach Indien auszuwandern. Und dann wäre da noch Martin (Alexandre Landry), der ebenfalls geistig behindert ist und im selben Chor singt. In ihn hat sich Gabrielle unsterblich verliebt. Erwidert werden die Gefühle sogar, doch das Umfeld der beiden ist weniger davon begeistert, versucht zum Teil sogar, die beiden gezielt auseinanderzubringen.
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Auch geistig Behinderte sollen ein ganz normales Leben führen können. Das hört sich gut an. Aber was genau heißt das schon? Anhand der schwierigen Romanze zeigt der Film, wie verkrampft der Umgang mit Betroffenen ist. Dabei verzichtet „Gabrielle“ darauf, zu verurteilen oder auch die Behinderten zu mehr machen zu wollen. Auf sich allein gestellt gelingt Gabrielle erstaunlich viel, aber eben auch nicht alles. Die Diabeteskranke ernährt sich dann mitunter falsch, kommt mit einem Toaster nicht klar, weiß nicht, wie sie von einem Ort zum anderen gelangt. Was also tun? Eine Antwort darauf gibt das Drama nicht. Wichtiger war es, das Leben von geistig Behinderten darzustellen, so wie es eben ist. Dass viele der Darsteller tatsächlich geistig behindert sind, unterstützt die Authentizität, oft könnte man meinen, eine reelle Reportage vor sich zu haben. Der ungekünstelte Zugang hat natürlich den „Nachteil“, dass „Gabrielle“ eher spröde ist. Wer es jedoch etwas leiser mag, findet hier eine unaufgeregte Liebesgeschichte, weitab von Hollywood und Genreklischees.
Wertung: 7 von 10
Regie: Louise Archambault; Darsteller: Gabrielle Marion-Rivard, Alexandre Landry, Mélissa Désormeaux-Poulin; VÖ: 5. September 2014
„Mandela: Der lange Weg zur Freiheit“
Interesse an Politik hatte Nelson Mandela (Idris Elba) schon immer gehabt, engagierte sich noch während seines Studiums in der Opposition. Doch irgendwann reichte es dem Anwalt nicht mehr, die Ungerechtigkeiten seines Landes Fall für Fall zu bekämpfen – das gesamte System Südafrikas musste geändert werden. Als Führungsfigur des ANC (African National Congress) verschrieb er sich daher dem Kampf für eine Gleichberechtigung der Farbigen, zunächst gewaltfrei, später zur Not mit Waffen. Immer wieder geriet er dabei mit der regierenden Partei aneinander, bis er schließlich im Gefängnis landete. Doch das hielt Mandela nicht auf: Mit der Unterstützung seiner zweiten Frau Winnie (Naomie Harris) führte er als Inhaftierter seinen Widerstandskampf fort.
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Dass ein Film nicht genug ist, um Jahrzehnte in ihrer Gänze zu beleuchten ist klar. Anfangs ist das Ergebnis noch stimmig, man erfährt von einzelnen wichtigen Episoden in Mandelas Leben, aber auch über die Situation der Schwarzen während der Apartheid. Während wie beim „was“ einiges lernen, bleibt das „warum“ aber weitestgehend im Dunkeln. Die Beziehung Mandelas zu seinen beiden Frauen, sein Aufstieg zur Ikone, die Annäherung zwischen Schwarz und Weiß, all das wird vorausgesetzt, ohne je plausibel und greifbar werden. Dabei schweigt „Mandela: Der lange Weg zur Freiheit“ nicht einmal die negativen Seiten aus: Die rücksichtslosen Tendenzen des Friedensnobelpreisträgers werden ebenso gestreift wie die Gräueltaten, welche die Schwarzen sich gegenseitig zufügten. Und doch bleibt das schale Gefühl, über zwei Stunden auf ein Werbeplakat geschaut zu haben, das legitime Fragen mit Schlagwörtern ersetzt hat und leere Flächen hinter großen Reden versteckt. Man muss daher schon eine große Toleranzgrenze für Pathos mitbringen, um das Drama zu überstehen und die positiven Aspekte wie die Ausstattung oder das gelungene Make-up überhaupt genießen zu können.
Wertung: 6 von 10
Regie: Justin Chadwick; Darsteller: Idris Elba, Naomie Harris, Tony Kgoroge; VÖ: 5. September 2014
„Ein Brief an Momo“
„Liebe Momo“, mehr ist dem 11-jährigen Mädchen nicht geblieben. Ein Brief, den Momos Vater ihr kurz vor seinem Tod noch schreiben wollte, über die Anrede aber nicht hinauskam. Viel ist es nicht, aber der größte Schatz, den sie hat. Etwas, an dem sie sich festhalten kann in ihrer neuen Heimat, der kleinen Insel Shio. Ihre Mutter war es, die alle Zelte in Tokio abbrechen wollte, um hier ein neues Leben anzufangen. Momo selbst ist darüber nur wenig begeistert: Sie kennt niemanden, auf der Insel ist nichts los und ihre Mutter ist den ganzen Tag außer Haus. Doch Aufregung naht in Form der drei Kobolde Kawa, Mame und Iwa, die ein Talent dafür haben, alles auf den Kopf zu stellen – umso mehr, da Momo die einzige ist, die sie sehen kann.
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Auch wenn die Ausgangslage traurig ist und einige Szenen herzzerreißend sind, ist die Grundstimmung im Animationsfilm „Ein Brief an Momo“ doch oft auch heiter. Das liegt zum einen an den handgezeichneten, aquarellartigen Landschaftsaufnahmen, die sehr schön die Atmosphäre des ländlichen Japans im Sommer einfangen. Aber auch die drei ungebetenen Gäste sorgen immer wieder für Auflockerung. Laut eigener Angabe einst mächtige Götter, die Menschen mit Haut und Haar verschlucken konnten, sind sie heute nicht viel mehr als tollpatschige, einfach gestrickte Minimutanten. Deren Slapstickeinlagen verhindern, dass „Ein Brief an Momo“ seiner Tristesse erliegt, sind aber auch recht albern gehalten, so wie der Humor insgesamt eher kindlich ist. Für Erwachsene ist daher vor allem die Kombination interessant: Hier treffen Coming of Age, Familiendrama, Fantasy und Comedy aufeinander. In die Tiefe geht zwangsweise keines der Elemente, bei derart vielen Genrezutaten reichen selbst zwei Stunden nicht aus. Aber die Mischung stimmt, hier wird einmal in jedem Gefühlssegment vorbeigeschaut, der Wohlfühlfaktor darf nicht fehlen, trotz der Länge wird es nie langweilig.
Wertung: 7 von 10
Regie: Hiroyuki Okiura; VÖ: 5. September 2014