Das ganze Leben ist ein Kampf. Das gilt nicht nur für ferne Kriegsschauplätze oder die Privatwirtschaft, bei der Priesterbruderschaft St. Paulus ist damit durchaus der Alltag gemeint.
Selbst eine Tafel Schokolade oder Gospelmusik können da eine Versuchung des Teufels sein, der man zu widerstehen hat – so lautet die Botschaft von Pater Weber (Florian Stetter). Und die 14-jährige Maria (Lea van Acken), ebenso wie der Rest der Familie Glaubensmitglied dieser Gemeinschaft, saugt jedes dieser Worte begierig in sich auf. So sehr, dass sie bei jedem Schritt alles in Frage stellt, was sie tut. Verstärkt wird diese Unsicherheit durch ihre Mutter (Franziska Weisz), der sie es einfach nie recht machen kann. Dabei hat das Mädchen doch nur ein Ziel: Sie will ihr Leben Gott opfern, damit der ihren kleinen Bruder wieder gesund macht.
Schon in der ersten Szene, wenn der wortgewandte Pater Weber seine Firmlinge als künftige Soldaten Gottes bezeichnet, läuft es einem als Zuschauer eiskalt den Rücken herunter. Doch der wahre Gegenspieler ist hier Marias namenlose Mutter, die ihrer Tochter das Leben zur Hölle macht. Warum sie das tut, bleibt ein Rätsel. Überhaupt haben die Brüggemann-Geschwister kein Interesse daran, die Figuren zu tatsächlichen Charakteren auszubauen. Die meisten bleiben stumm oder haben wie die Mutter und der Pater über ihren Glauben hinaus kein wirkliches Gesprächsthema. Lediglich Maria sticht da hervor, die auf der einen Seite eine überzeugte Anhängerin ist, gleichzeitig aber eben auch ein Mädchen in der Pubertät – und beides in ihrem Leidensweg nicht zusammenbringen kann.
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Präsentiert wird dieser Weg in einer formal außergewöhnlichen Form: Angelehnt an den christlichen Kreuzweg besteht der Film aus 14 Episoden aus dem Leben von Maria, jede trägt den Namen einer Etappe aus eben diesem Kreuzweg. Fast immer ist sie die Hauptfigur darin, interagiert mal mit ihrer Familie, mit dem Pater oder eben der Außenwelt. Kameraschnitte gibt während keiner dieser Episoden, meistens nicht mal Kameraschwenks. Wie in einem Theaterstück wird Marias Schicksal so zu einer Bühne, die in ihrem starren Format die strikten Regeln der Glaubensauslegung widerspiegeln.
Wäre das nicht auch alltäglicher gegangen? Sicher, zusammen mit der fehlenden Charakterisierung und der sehr symbolträchtigen Inszenierung wirkt „Kreuzweg“ nie ganz real, eine alltagsnahe Auseinandersetzung mit Glauben sieht anders aus. Gerade durch diese formale Strenge gewinnt das Drama aber auch besonders beunruhigende Qualitäten, eben weil es hier kein Entkommen gibt, für den Zuschauer nicht, für Maria nicht. Die wird von Nachwuchsschauspielerin Lea van Acken übrigens herausragend porträtiert. Auf ihr lastet die Hauptleistung des Films und das nimmt sie auch dankbar an. Durch ihre Darstellung eines Mädchens, das zwischen der Welt der Menschen und der Welt des Glaubens aufgerieben wird, erlangt „Kreuzweg“ eine Intensität, die man in deutschen Beiträgen nur selten erleben darf.
Fazit: Die Figuren sind schemenhaft, der Aufbau sehr streng, der Film insgesamt sehr symbolträchtig – nein, einfach ist „Kreuzweg“ bestimmt nicht. Durch die ungewöhnliche Inszenierung und die herausragende Schauspielleistung wird das Drama aber zu einem brutal intensiven Porträt eines Mädchens, das an seinem Glauben zugrunde geht.
Wertung: 8 von 10
Regie: Dietrich Brüggemann // Darsteller: Lea van Acken, Franziska Weisz, Florian Stetter, Lucie Aron // VÖ: 24. Oktober 2014