Mr. May DVD Rezension curt München

Auf DVD: Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit

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Wo das Leben anderer Menschen aufhört, fängt seines erst an: John May (Eddie Marsan) kümmert sich als „Funeral Officer“ um all die einsam Verstorbenen, macht sich auf die Suche nach Angehörigen, organisiert Trauerfeiern, wählt sogar die Musik aus.

Doch seine Akribie hat einen Preis, und den ist man nicht länger gewillt zu zahlen. Nach 22 Jahren wird er aus Rationalisierungsmaßnahmen gefeuert. Drei Tage bleiben ihm noch, um seinen letzten Fall abzuschließen: der alkoholkranke Billy Stoke, der gegenüber von Johns Wohnung verstarb und dort Wochen liegen blieb, ohne dass es jemand mitbekommen hatte.

Facebook, Twitter, WhatsApp – die Welt rückt immer näher zusammen, jeder ist mit jedem vernetzt. Und doch gibt es sie immer wieder: Menschen, die aus welchen Gründen auch immer durchs Raster gefallen sind, die mitten unter anderen leben, ohne je von ihnen bemerkt zu werden. Wann immer wir von Leuten hören, die einsam und verlassen gestorben sind, deren Tod erst durch den sich entwickelnden Gestank bemerkt wurde, stellt sich einem unweigerlich die Frage: Wie konnte das passieren? Wie kann es sein, dass eine Gesellschaft ihre eigenen Mitglieder vergisst?

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Eine wirklich Antwort darauf hat auch „Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit“ nicht zu bieten. Stattdessen wirft der italienische Regisseur und Drehbuchautor Uberto Pasolini einen Blick auf die Prozesse, die nach einem solchen Tod in Gang gesetzt werden. Er erzählt aber auch von traurigen Schicksalen wie der Frau, die nur noch eine Katze als Ansprechpartner hatte, oder einem Mann, dessen Sohn nicht einmal zur Beerdigung kommen mag, so stark war das Verhältnis zerrüttet. Ein solcher Film läuft immer Risiko, zu wehleidig zu werden, zu sentimental, sogar kitschig. Doch so unscheinbar der pedantische Mr. May, so unspektakulär ist auch der Film.

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Spannung gibt es, wenn überhaupt, ab dem Moment, wenn May sich auf Spurensuche begibt und versucht, das frühere Leben seines unbekannten Nachbarn zu rekonstruieren. Auch hier behält der Film seine episodenhafte Struktur bei. Und doch ist etwas anders: Je mehr sich der Staatsdiener mit der Vorgeschichte des Verstorbenen befasst, umso mehr entdeckt er auch die Freude am Leben. Ein Eis zwischendurch, heiße Schokolade statt Tee, eine private Verabredung – Pasolini erzählt die von Eddie Marsan wunderbar gespielte Geschichte eines Mannes, der nach vielen Jahren mit kleinen Mitteln doch noch seinen Platz im Geschehen findet.

Trotz der vielen traurigen Momente hat der Film daher etwas Tröstendes an sich, findet in der Beschäftigung mit dem Tod etwas Lebensbejahendes. Und wenn „Mr. May“ mit seinem bittersüßen Ende doch noch zu Tränen rührt, dann auf eine liebevolle, warmherzige Art, die einem dazu animiert, wieder genauer hinzuschauen und bewusster zu leben: die Farben der Blumen sehen, den Vögeln zuhören, ein Eis essen und vielleicht doch zum unbekannten Nachbarn hinübergehen, um sich mit ihm zu unterhalten. Die Ewigkeit des Lebens, sie nimmt hier ihren Anfang.

Fazit: Was passiert mit den Toten, die keiner will? Von dieser Frage ausgehend folgen wir in „Mr. May und das Flüstern der Ewigkeit“ einem Mann bei seiner Suche nach Angehörigen von Verstorbenen. Trotz des traurigen Themas ist die unspektakuläre und wunderbar gespielte Tragikomödie ein warmherziger Film, der das Leben in all seinen kleinen Momenten feiert.

Wertung: 8 von 10


Regie: Uberto Pasolini // Darsteller: Eddie Marsan, Joanne Froggatt, Karen Drury, Andrew Buchan // VÖ: 13. Februar 2015