Nymph()maniac DVD Rezension curt München

Auf DVD/Blu-ray: Nymph( )maniac I + II

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Als der ältere Junggeselle Seligman (Stellan Skarsgård) an einem kalten Winterabend auf dem Weg nach Hause ist, entdeckt er in einer Gasse eine halb bewusstlose, zusammengeschlagene Frau (Charlotte Gainsbourg). Doch wer hat die rund 50-Jährige so böse zugerichtet? Nachdem er sie mit in seine Wohnung genommen und versorgt hat, stellt sie sich als Joe vor und erzählt, wie es zu ihrem Zustand kam. Und diese Geschichte führt sie bis weit in ihre Kindheit, wo sich die ersten Anzeichen ihrer späteren Sexsucht zeigten.

Kurios geht es schon los, mit langen, geschmeidigen Kamerafahrten durch die Winterlandschaft und die kleinen Seitengassen, dazu ertönt im Hintergrund das brachiale Lied „Führe mich“ von Rammstein. Das Elegante und das Brutale, Schönheit und Dreck – in „Nymph( )maniac“ tritt beides immer zusammen auf. Einen Porno wolle er drehen, kündigte der berüchtigte Regisseur Lars von Trier im Vorfeld an. Und auch wenn es sicher nicht an expliziter Darstellung von Sex und Geschlechtsteilen mangelt, mit Erotik hat sein neuestes Werk nur wenig zu tun. Dafür aber mit Selbstbehauptung, mit Macht und auch mit Gewalt.

Frauenfeindlich soll er sein, wird dem Dänen immer wieder vorgeworfen. Doch auch wenn Joe sicher nicht als Vorbild taugt, wirklich gut kommen auch die Männer nicht rüber. Feige sind manche, andere verlogen, vor allem aber ohne Identität: Abgesehen von Joes Mann Jerôme (Shia LaBeouf) und Seligmann bekommt hier niemand einen Namen. Nicht einmal ihr Vater (Christian Slater), der eine so große Rolle in ihrem Leben spielt, darf der Anonymität entkommen. Zum Schluss hin lässt sich „Nymph( )maniac“ sogar zu einer deutlich feministischen Aussage hinreißen.

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Oder doch nicht? Bis zum Schluss lässt er konsequent offen, was ernst gemeint, was nur ein Spaß ist. Wenn Seligmann etwa anmerkt, Joes Geschichte bestünde aus zu vielen Zufällen, ist das dann ein Eingeständnis oder doch nur wieder Spott am Zuschauer? Und auch die vielen seltsamen Einfälle wie Splitscreens oder Schwarz-Weiß-Abschnitte, die ständigen Exkurse zu Musik, Mathematik, sogar Angeln und Waffen, wozu dienen sie? So ganz klar wird das nicht, zwischenzeitlich ermüden diese Extravaganzen auch mehr, als dass sie faszinieren. Denn so beeindruckend und fordernd der vierstündige, im Director’s Cut sogar füneinhalbstündige Film an vielen Stellen ist, so nichtssagend und sich wiederholend ist er an anderen.

Nymph()maniac DVD Rezension curt München

Doch selbst während der eher belanglosen Passagen darf man umwerfend starke Darstellungen bewundern. Wie immer treibt von Trier seine Schauspieler zu Höchstleistungen an, lässt sie sich verausgaben und in unwürdigen Posen ablichten. Gainsbourg, Skarsgård und Willem Dafoe durften das schon in früheren Filmen des Regisseurs über sich ergehen lassen. Überraschender ist da schon, welche ungeahnten Talente  in Shia LaBeouf und Christian Slater schlummern. Doch die große Entdeckung ist Stacy Martin, welche die junge Joe spielt und schon in ihrer ersten Filmrolle unter Beweis stellt, dass wir da in Zukunft noch deutlich mehr zu erwarten haben.

Fazit: Macht, Gewalt oder doch Liebe? Lars von Trier dekliniert in seinem groß angelegten Filmopus die verschiedensten Formen von Sex durch und was er aus den Menschen macht. Das ist wie so oft beim dänischen Regisseur fordernd und faszinierend, manchmal aber auch einfach überladen, zu künstlich und nichtssagend.

Wertung: 7 von 10


Regie: Lars von Trier // Darsteller: Charlotte Gainsbourg, Stellan Skarsgård, Stacy Martin, Shia LaBeouf, Christian Slater, Jamie Bell // VÖ: 20. November 2014