Zwei Tage, eine Nacht Rezension DVD curt München

Auf DVD/Blu-ray: Zwei Tage, eine Nacht

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Eigentlich hatte Sandra (Marion Cotillard) gehofft, dass das Schlimmste jetzt hinter ihr läge. Die Depression ist überwunden und sie brennt darauf, in der Fabrik wieder normal weiterarbeiten zu können. Doch dann hört sie die schlimme Nachricht: Sie soll entlassen werden. Nur eine Chance bleibt ihr noch!

Bei einer abschließenden Abstimmung am Montagmorgen können die Kollegen entscheiden, ob sie eine Prämie von 1.000 Euro erhalten oder darauf verzichten, um so Sandras Stelle zu halten. Ein Wochenende hat sie nun Zeit, die anderen zu überzeugen, ihr zuliebe genau das zu tun.

Zwei Tage, eine Nacht Rezension DVD curt München

Würdest du auf 1.000 Euro verzichten, damit jemand anderes nicht arbeitslos wird? Nicht nur Sandras 16 Kollegen müssen sich mit dieser Frage auseinandersetzen, auch der Zuschauer wird hier angehalten, Stellung zu beziehen. Anfangs scheint der Fall klar zu sein: Natürlich muss man solidarisch sein, wenn es um die berufliche Existenz eines anderen geht! Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Manche Kollegen müssen ohnehin schon alte Kacheln verkaufen oder schwarz arbeiten, um nur irgendwie über die Runden zu kommen. Ein anderer hat schlicht Angst, dass es ihn trifft, sollte Sandra bleiben. Verlierer sind sie daher fast alle, die insgesamt 17 Angestellten. Die Fabrik wird so zum Sammelsurium an Menschen, die im Kapitalismus irgendwo auf der Strecke geblieben sind.

Die Grundsituation riecht etwas nach Schreiberwerkstatt, weniger nach dem wahren Leben. Und auch wenn Sandra unterwegs ist, wird schön darauf geachtet, dass der Stimmenfang abwechselnd erfolgreich und erfolglos ist, schließlich muss bis zum Schluss offengehalten werden, was bei dem finalen Votum rauskommt. Diesen Weg einzuschlagen ist sicher naheliegend. Authentisch ist es jedoch weniger.

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Das dies aber kaum auffallt, hat vor allem zwei Gründe. Zum einen verzichtete der neueste Film des belgischen Brüderpaars Jean-Pierre und Luc Dardenne bei der Inszenierung auf jeglichen Schnickschnack. Mit einer unruhigen Kamera folgen die beiden ihrer Heldin, schwenken hektisch von dem einen zum anderen Gesprächspartner, so als würden wir selbst gerade mit Sandra durch die Straßen laufen. Und auch auf eine dramatische Musik wird hier verzichtet, wenn wir überhaupt Lieder hören, dann nur aus dem Autoradio.

Und dann wäre da natürlich noch Marion Cotillard. Wenn sie in dem Sozialdrama als Häufchen Elend immer einen Schritt davon entfernt ist, zurück in ihre Depression zu fallen, dann geht es einem bei aller inhaltlich bedingten Distanz dann doch sehr nahe. Ganz ins Elend wollen uns die Dardenne-Brüder zwar nicht stürzen, wägen immer zwischen Verzweiflung und Hoffnung ab. Was ihnen dabei sehr schön gelingt, ist den Zuschauer darüber nachdenken zu lassen, was der Kampf um die Existenz aus den Menschen macht. Aus einem selbst. Und darüber, wie in einer vom schnellen Geld und großer sozialen Ungerechtigkeit geprägten Gesellschaft Solidarität noch funktionieren kann.

Fazit: Sollen alle etwas opfern oder eine alles? Aus dieser grundsätzlichen Frage basteln Jean-Pierre und Luc Dardenne ein spannendes Sozialdrama, dessen moralisches Dilemma sich nicht ohne weiteres auflösen lässt. Die Ausgangssituation ist konstruiert, die Geschichte folgt einem dramaturgisch starren Pfad. Doch die spröde Inszenierung, die traurigen Einzelschicksale und eine stark spielende Marion Cotillard lassen einen bis zum Schluss mitfiebern.

Wertung: 8 von 10 


Regie: Jean-Pierre Dardenne, Luc Dardenne // Darsteller: Marion Cotillard, Fabrizio Rongione // VÖ: 13. März 2015