Bis vor Kurzem war für Elisabeth (Astrid Whettnall) die Welt noch in Ordnung: Die gläubige Christin ist glücklich verheiratet, hat zwei gesunde Kinder und gibt in ihrer beliebten Radiosendung anderen Menschen Halt. Doch den verliert sie selbst, als ihr Mann bei einem Unfall ums Leben kommt und sie in Folge diverse unschöne Geheimnisse ihrer Familie erfährt.
Vor allem eins schockiert sie, ihr ältester Sohn Jean-Charles (Zacharie Chasseriaud) behauptet, sich in den jungen italienischen Priester Achille (Achille Ridolfi) verliebt zu haben. Außer sich vor Empörung wendet sie sich an die Kirche, um den pädophilen Geistlichen zur Verantwortung zu ziehen. Daran hat man jedoch nur wenig Interesse, möchte lieber alles unter den Teppich kehren, damit die Öffentlichkeit nichts davon mitbekommt. Und so beschließt Elisabeth, sich selbst der Sache anzunehmen.
Wenn das heikle Thema Kindesmissbrauch seinen Weg in einen Film findet, dann oft in Form eines Dramas, seltener auch als Thriller. Auch „In the Name of the Son“ ist in seinem Herzen eine Tragödie, jedoch eine, die ihren Schmerz nur selten in Tränen ausdrückt, sondern in Wut und beißenden Spott. Traurige Momente gibt es dabei genug, etwa wenn der unter seiner sich abzeichnenden Homosexualität leidende Jean-Charles mit dem Leben hadert und dabei weder in der Kirche noch bei seiner Mutter Unterstützung findet. Doch zeitgleich dreht Regisseur und Ko-Autor Vincent Lannoo die Geschichte genüsslich ins Absurde, lässt gläubige Männer in einer herrlichen und an Monty Python erinnernden Szene Jagd auf Osama-Bin-Laden-Aufsteller machen.
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Martialisch geht es später auch weiter, wenn Elisabeth in Selbstjustiz pädophile Geistliche verfolgt und um die Ecke bringt. Je grotesker umso besser scheint hier das Motto zu sein, und auch vor Blut und Gewalt scheut Lannoo nicht zurück. Für Kirchenkritiker ist ein solcher Film natürlich Wasser auf den Mühlen. Tatsächlich lassen Lannoo und Co. keinen Zweifel daran, dass Glaube und Bigotterie Hand in Hand gehen. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit Religion findet hier jedoch keine statt, allein schon weil die ernstzunehmenden Vertreter fehlen. Allenfalls der sanftmütige Achille darf beim Publikum Sympathiepunkte sammeln, setzt sich für andere Menschen ein und auch für den Austausch mit anderen Religionen und Kulturen. Doch die nie so genau definierte Beziehung zwischen ihm und Jean-Charles macht es schwierig, ihn zu einem tatsächlichen Vorbild zu machen.
Aber vielleicht war genau das der Punkt, in der Welt von „In the Name of the Son“ gibt es keine Vorbilder mehr. Keinen Halt. Wenn sich Elisabeth durch das Land ballert und eine Spur der Verwüstung hinter sich zurücklässt, dann eben auch deshalb, weil nichts mehr übrig zu sein scheint, an das man noch glauben kann. Und so bleibt einem selbst in den vielen verdammt lustigen Szenen das Lachen im Hals stecken.
Fazit: Mal trauriges Familiendrama, dann wieder bösartige Satire attackiert „In the Name of the Son“ voller Genuss die Kirche und ihre geistlichen Führer. Eine wirkliche Auseinandersetzung mit Glauben bietet der Film jedoch nicht, dafür sind gerade die Gläubigen zu einseitig porträtiert. Unterhaltsam ist die belgische Genremischung trotz allem, selbst wenn die nihilistische Haltung einem oft das Lachen im Hals stecken lässt.
Wertung: 7 von 10
Regie: Vincent Lannoo // Darsteller: Astrid Whettnall, Philippe Nahon, Achille Ridolfi, Zacharie Chasseriaud // VÖ: 20. März 2015