Sein Debütroman „Becks letzter Sommer“ erschien 2008 und wurde mit dem bayerischen Kunstförderpreis ausgezeichnet. „Spinner“ folgte ein Jahr später. Im August erschien Fast genial. Am 21. Januar liest er im „Buch und Bohne“ aus seinem Werk. curt traf den Münchner Benedict Wells vorab zum Interview.
Dein aktueller „Fast genial“ gleicht einem modernen Roadmovie bzw. moderner Beat-Literatur …
Ich weiß ehrlich gesagt selbst nicht, wie ich ihn einordnen würde. Wichtig waren für mich klassische amerikanische Romane wie „Die Abenteuer des Huckleberry Finn“ von Twain. „Fast genial“ ist einfach die Geschichte eines Jungen aus ärmlichen Verhältnissen, der erfährt, dass sein Vater ein Genie aus Harvard ist. Um ihn zu finden, reist er quer durchs Land. Aber es ist trotzdem kein klassisches Roadmovie, mehr eine Suche.
Wie stark wird Francis Dean vom Schicksal bestimmt? Ist seine Suche nach Freiheit eine Flucht vor dem Schicksal? Das Leben, das für ihn Freiheit bedeutet (Haus, Frau, Kind), ist ja nicht gerade ein weit verbreitetes Synonym dafür.
Ich glaube, Freiheit ist oft auch das, was man nicht hat. Für einen berühmten Superstar ist Freiheit vielleicht, sich ganz anonym in ein Café setzen zu können. Und für Francis sind es eben Dinge, die ihm immer verwehrt wurden, ein normales, sorgenfreies Leben zum Beispiel. Er ahnt, dass er so etwas nie haben wird, gerade deshalb versucht er noch mal alles, um sein Schicksal zu ändern. Sein Leben steht im Buch die ganze Zeit auf der Kippe, das hat mich beim Schreiben am meisten gereizt.
Tod kann auch für einen Wechsel stehen, z.B. zwischen Daseinsformen. Welche Rolle spielt der Tod in „Fast genial“? Am Anfang haben wir ja z.B. die tote Katze, am Ende eine Schilderung, die nach dem berühmten Zeitrafferfilm kurz vor dem Tod klingt.
Der Tod spielt im Buch eine gewisse Rolle, allerdings nicht der klassische Tod am Ende des Lebens, sondern der währenddessen. Im Sinne von: Alles ist gelaufen, alles ist verloren, trotzdem lebt man danach noch fünfzig Jahre seelenlos weiter. Das ist Francis‘ größte Angst.
Figurenentwicklung gilt als ein mögliches Kriterium für einen guten Roman. Bei dir bewegen sich die Figuren auch räumlich. Welche Rolle spielt Reisen bei dir? Und bist du auch privat gern unterwegs?
Privat reise ich sehr gern. Wobei ich aufgrund meiner Flugangst manchmal schon gewisse Umwege in Kauf nehmen muss, nach Amerika bin ich zum Beispiel mit dem Schiff gefahren. Aber ich finde es toll, neue Länder und Kulturen kennenzulernen. In meinem nächsten Buch wird jedoch so gut wie gar nicht gereist, zwei Roadtrips sind ja auch wirklich genug.
Wie kamst du zu der Entscheidung, Autor zu werden? Vor allem so schnell nach dem Abi! Nerven einen nicht tausend Leute, die sagen, dass das eh nichts wird?
Natürlich! All die Jahre gab es wahnsinnig viele Diskussionen, dass ich doch etwas Sicheres studieren müsse, usw. Aber ich wollte nicht. Es heißt ja: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“, und daran glaube ich absolut. Ich habe das Schreiben geliebt. Seit ich mit fünfzehn „Das Hotel New Hampshire“ von John Irving gelesen habe, wollte ich auch solche Geschichten erzählen. Ich dachte, ich muss es einfach versuchen. Ich habe dann zwar noch das Abi gemacht, aber dann wollte ich endlich loslegen. Später interessiert es eh niemanden, was man die ersten Jahre nach der Schule gemacht hat, also wollte ich diesem Traum vom Schreiben einfach eine Chance geben.
Wie war deine Anfangszeit in Berlin? Ist es dir schwer gefallen, München hinter dir zu lassen?
Nein, ich war froh, endlich mal rauszukommen. In meine eigene Wohnung nach Berlin, auch wenn es eine Bruchbude ohne Strom auf der Toilette und mit Dusche in der Küche war. Aber ich fand es großartig, ich war frei, konnte tun, was ich wollte, war losgelöst von allem. Diese Anfangszeit hat mich sehr inspiriert.
Warum nicht studieren? Dabei kann man doch auch wunderbar schreiben? Hattest du mit deinen Nebenjobs so viel mehr Zeit zum Schreiben? Oder wurdest du irgendwie anders finanziert?
Nein, ich hätte es auch unmöglich gefunden, wenn es irgendeine Unterstützung gegeben hätte. Ich wollte immer unabhängig sein und alles allein machen. Und mit den Nebenjobs konnte ich gut schreiben, weil sie etwas völlig anderes waren. Hätte ich studiert, hätte ich dagegen – statt einem Roman – etwas für die Uni lesen müssen, ich hätte zu viel Energie darauf verwenden müssen, Arbeiten zu schreiben und zu lernen. Ich wollte mich voll aufs Schreiben konzentrieren, auch wenn anfangs alles schiefging. Vier Jahre lang gab es nur Ablehnungen. Es ist einfach das Glück meines Lebens, dann ausgerechnet bei Diogenes gelandet zu sein, meinem Lieblingsverlag.
Was für Nebenjobs waren das überhaupt? Was war der beschissenste Nebenjob, den du hattest?
Die Nebenjobs waren ziemlich unterschiedlich. Kellnern oder im Kino arbeiten, später auch bei einer politischen Talkshow, wo ich für die Einspielfilme zuständig war. Am schlimmsten war es im Callcenter, das habe ich sofort wieder abgebrochen.
Findet man dich noch ab und zu in München? Welche sind deine Lieblingslocations?
Ich bin nur noch ganz selten in München, etwa, wenn ich Freunde besuche. Meine Lieblingsorte waren immer der Luitpoldpark, das Monopol-Kino, Mamas Kebab und natürlich die Buchhandlung Lehmkuhl. Im Nachtleben habe ich mich dagegen bei meinen Besuchen eher mitschleifen lassen, da habe ich keine bestimmten Favoriten.
Was für Pläne hast du als nächstes?
Nach der Lesereise gehe ich zurück ins richtige Leben, in meine WG in Barcelona. Darauf freue ich mich sehr. Und natürlich arbeite ich am nächsten Roman, dem bisher größten und für mich wichtigsten. Es ist das Buch, das ich schon als Teenager schreiben wollte, seit ich damals Irving las. Ich sitze gerade an der zweiten Fassung und werde die nächsten Jahre alles in die diese Geschichte werfen, was ich habe.
Fast genial // Benedict Wells // Diogenes // 19,90 €
INTERVIEW: MATTHIAS DITTMANN