Kino: The Five Devils

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Vicky (Sally Dramé) führt ein Ruhiges, wenngleich nicht übermäßig glückliches Leben in einem kleinen Dorf in den französischen Alpen. So ist die Beziehung ihrer Eltern Joanne (Adèle Exarchopoulos) und Jimmy (Moustapha Mbengue) schon vor einer ganzen Weile erkaltet. Die Achtjährige wird zudem als Tochter einer weißen Frau und eines schwarzen Mannes immer mal wieder gemobbt. Dafür hat sie eine besondere Fähigkeit, von der niemand etwas weiß: Sie kann einzelne Düfte über weite Strecken klar erkennen und sie zudem auch rekreieren. Diese Fähigkeit macht sie sich auch zu Nutze, als eines Tages Julia (Swala Emati) auftaucht, die Schwester von Jimmy. Dass mit der etwas nicht stimmt, merkt sie schnell. Bei dem Versuch, ihre Essenz einzufangen, reist sie weit in die Vergangenheit und lernt dabei mehr über ihre Familie …

Fünf Jahre hat es gedauert, bis sich Léa Mysius nach ihrem gefeierten Spielfilmdebüt „Ava – Endlich erwachsen“ (>>Filmkritik) zurückmeldet. Doch die Wartezeit hat sich gelohnt, die Filmemacherin zeigt auch bei „The Five Devils“, dass sie eine ganz eigene Stimme hat. Wobei ihre beiden Filme eine Reihe von Gemeinsamkeiten haben. So erzählt sie erneut von einem Mädchen, das unter schwierigen Bedingungen aufwachsen muss. War es im gefeierten Debüt noch eine zunehmende Erblindung, die das Aufwachsen erschwerte, sind es hier familiäre Probleme sowie Rassismus. Vicky ist ein Fremdkörper in dem kleinen Bergdorf, was zu einer symbiotischen Beziehung mit ihrer Mutter geführt hat. Und noch etwas hat „The Five Devils“ mit dem ersten Drama gemeinsam: Mysius verbindet den Coming-of-Age-Aspekt mit Fantasy-Elementen. So gab es beim letzten Mal ziemlich surreale Szenen. Dieses Mal wird der außergewöhnliche Geruchssinn der Protagonistin zu einer Möglichkeit, in die Vergangenheit zu reisen, wenn sie an den selbst kreierten Kopie-Düften riecht.

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Wie das genau funktioniert, wird nie erklärt. So spielt das Drama der Mystery-Faktor keine wirkliche Rolle. Die Spezialfähigkeit der Protagonistin ist zwar wichtig für den Ablauf der Handlung, steht selbst aber nicht im Mittelpunkt. Eine längere Passage zeigt, wie Vickys Mutter von der Begabung erfährt und überrascht ist. Ansonsten befasst sich Mysius stärker mit den Beziehungen innerhalb der Familie. Die sind allesamt besonders, egal ob nun Mutter-Tochter, Mann-Frau oder Frau-Frau. Und dann ist da auch noch Nadine (Daphné Patakia), die früh auftaucht, deren Bedeutung aber erst im späteren Verlauf deutlich wird. „The Five Devils“ gleicht hier einem Puzzle, dessen einzelnen Stücke zunächst gar nicht zusammenpassen.

Tatsächlich wird der Film in mancher Hinsicht auch bis zum Schluss ein Stückwerk bleiben. „The Five Devils“ ist ein verschachteltes Werk, irgendwo zwischen Alltag und magischem Realismus, das gar nicht vor hat, alles zu beantworten. Darauf muss man sich einlassen, der Genremix befasst sich zwar mit unserer Welt, lebt dabei aber auch in einer eigenen. Das ist faszinierend, teilweise sehr traurig und bitter. Dazu passen auch die Bilder: Anstatt sich auf idyllischen Heimatfilm-Landschaften auszuruhen, wird das Bergdorf zu einem kalten Ort der Entfremdung, an dem vieles nichts ausgelebt werden kann. Dann und wann bricht es heraus, in einem Strudel aus Gewalt und Leidenschaft. Oft genug bleibt den Figuren aber nichts anderes übrig als einfach zuzuschauen, während vor ihren Augen alles kaputt geht.

Fazit: „The Five Devils“ erzählt die Geschichte eines Mädchens, das eine besondere Duft-Fähigkeit hat, erzählt aber auch von kaputten Beziehungen in einem Bergdorf. Der Film wechselt zwischen verschiedenen Genres, ist dabei faszinierend und rätselhaft – und manchmal unglaublich tragisch.

Wertung: 8 von 10

Regie: Léa Mysius; Besetzung: Adèle Exarchopoulos, Sally Dramé, Swala Emati, Moustapha Mbengue, Daphné Patakia; Kinostart: 13. April 2023; ab 2. Juni 2023 auf MUBI