Flake von Rammstein ist wohl der bekannteste aller Tastenficker und mit seiner Autobiografie nun auch Tastataturficker.
Wer sich erinnern kann, war nicht dabei! In ländlich geprägten Gegenden gilt diese Maxime unter jungen Männern als Qualitätsmerkmal gemeinsamer, stark alkoholumspülter Feierlichkeiten. Gefeiert und getrunken hat Christian Lorenz, der 1966 in Ostberlin geborene Autor dieser Autobiografie, zur Genüge. Zeitweise sogar mehr, als für seine Gesundheit zukunftsfördernd gewesen ist. Und trotzdem ist ihm genug in Erinnerung geblieben, um 416 Seiten Kurzweiliges über sein bisheriges Leben zu Papier zu bringen. Christian Lorenz ist autodidaktischer DDR-Punk, Musiker bzw. Keyboarder – was den Titel „Tastenficker“ erklärt –, gelernter Werkzeugmacher, Lebenskünstler, Maler und Fotograf aus Leidenschaft, zügiger Spaziergänger, Freigeist und Um-die-Ecke-Denker, Philanthrop sowie Freund eigenwilliger Orte.
Seinen Einstieg in die Szene fand Christian Lorenz mit der Gründung der Dada-Punk-Band Feeling B im Jahr 1983. Seit mehr als 20 Jahren drückt er die Tasten für eine international recht erfolgreiche deutsche Rockband, die er selber auch nur als „Die Band“ bezeichnet. Ein Leben, das reichlich Stoff bietet, um mit knapp 50 Jahren ein paar Dinge aufzuschreiben. Der größte Teil des Buches dreht sich um die Zeit vor der Wende, dem Organisieren des Mangels und der gerade dadurch so intensiven Erlebnisse im Sturm und Drang einer unangepassten Jugend. Lorenz selbst beschreibt sich als ängstlich, kann aber auch nicht Nein sagen. Das führt ihn zuhauf durch skurrile, selten ressourcenschonende Erlebnisse, denen er aber immer auch eine schöne Seite abgewinnen kann. „Durch meine Verblendung ärgere ich mich aber seltener, auch wenn einiges objektiv gesehen schiefläuft. Früher hätte man dazu gesagt, ich sähe alles durch die rosarote Brille.“ Ein schräger Vogel, der mit einer gesunden Portion Naivität nur stolpert, aber nie fällt.
Trotz vorhandenen Weltruhms bleibt dem passionierten Ostberliner alles Glamouröse und Extrovertierte höchst verdächtig. Je klarer und einfacher die Dinge, desto besser. Genauso schreibt Christian Lorenz. Kurze, einfache Sätze. Keine Fremdwörter oder andere stilistische Angebereien. Ehrlich bis auf die Knochen und durchweg unterhaltsam. Das Buch ist eine Liebeserklärung an das Leben, die Liebe, die Musik und die von der Welt unbeachteten kuriosen Sachen. Deutlich mehr Zeitgeschichte als Rockmusik und genau deswegen so empfehlenswert.
Am 23. April – am Welttag des Buches – liest Christian Lorenz aus seinem Buch in der Hugendubel Filiale am Marienplatz. Bandshirts bitte zu Hause lassen!
Flake: „Der Tastenficker – An was ich mich so erinnern kann“ // Schwarzkopf & Schwarzkopf // Gebundene Ausgabe // VÖ: 19. März 2015 // 19, 99 Euro
Lesung Flake: „Der Tastenficker – An was ich mich so erinnern kann“ // 23. April // 20.30 Uhr // Buchhandlung Hugendubel, Marienplatz // Eintritt: 10 Euro