Schmetterlinge im Ohr für all jene, denen beim Gedanken fröstelt, dass die letzten Gitarrenklänge auf der Sonnenstraße verhallt sind: Das Frühlingsgefühle Festival im Feierwerk geht am 30. März in die nächste Runde. Auf zwei Bühnen werden zehn lokale Bands den Winter in die Flucht rocken, darunter Stray Colors, Naked Feen, Tuó, The Capitols und Famous Naked Gipsy Circus. Präsentiert wird das Hör-Highlight wieder vom unabhängigen Münchner Label Flowerstreet Records.
Nackte Gitarren-Sounds wirft der Famous Naked Gipsy Circus in die Manege, Halligalli garantiert! Begleitet von Rasseln, Orgel und zuweilen einer Mundharmonika gehen die Jungs auf eine Reise in die 60s, an deren Ziel nur eines steht: tanzen, tanzen, tanzen. Eine Sound-Supernova performten sie unter anderem bei „Klosett.tv“ mit dem Song „Miss Champagne“. So viel sollte klar sein: Wer selbst auf dem Klo spitze klingt, muss auf der Bühne der Knaller sein.
Naked Feen wollten ihre Karriere dagegen in privaten Wohnzimmern starten. Allesamt soundheiß und haarig, haben sich die Vier beim Studium per musikalisch orientierter Kontaktanzeige kennengelernt. Da die Münchner Studentenszene aber weniger dafür bekannt ist, freie Räume für Konzerte statt zahlendem Mietvolk freizuhalten, füllten Naked Feen Wohnheime mit ihren ehrlichen Indie-Rhythmen. Mittlerweile sind sie natürlich da angekommen, wo sie hingehören: on stage.
Mehrstimmiger Gesang und gelegentliche Balkan-, Rassel- oder Querflötenklänge formen den genregrenzenlosen Stil von Stray Colors – spontane Assoziationen mit Simon and Garfunkel oder Jethro Tull nicht ausgeschlossen. Ein melodischer World-Wide-Roadtrip, der ein süßes Verlangen nach mehr hinterlässt. Das dachten sich wohl auch die Leser der SZ-Jugendseite, als sie die Stray Colors zu „Münchens Band des Jahres 2012“ wählten.
Durch ähnlich ungewöhnliche Features wie eine Blockflöte zeichnen sich The Capitols aus. Seit 2010 eifern Matija, Jan, Johann und Sami ihren Idolen wie Jimi Hendricks und den Red Hot Chili Peppers nach, um zu zeigen: Rock isn’t dead. Mit Matijas wunderschön tiefer und zugleich sanfter Stimme könnte das sogar klappen.
Ordentlich exzentrisch, so wie es die ausgesprochene Orientierung am „real ale Britrock“ verlangt, schwirren Patrick McCranc und seine Royal Canaries über die Bühne. Sie sind überzeugt davon, das güldenste Kehlchen des Rock ’n’ Roll seit Mick Jagger im Gepäck zu haben – ob die Töne dem Ego standhalten? Werden sie live beweisen müssen!
Ganz entspannt gehen dagegen die Feengesänge von Tuó ins Ohr. Viele der auf dem 2012 releasten Album „Tales of Life“ klingen so ruhig und märchenhaft, wie das Albumcover vermuten lässt, auf dem die Mädels im Sonnenuntergang auf einem See treiben. Doch mit Uptempo-Nummern wie „Gone with the wind“ beweisen Tasmin und Oda, dass ihr Folk-Herz auch schneller schlagen kann.
Mit elektronischen Beats dominieren dagegen Tecnosaurus Rex die Menge. Rechner, Synthies und Drummachines regieren über die Gelegenheitsgitarre. Dieser Elektropop mischt eine ganz neue Klangwelt in die Frühlingsgefühle. Eine, die den Körper unterm Stroboskop zappeln lässt.
Eine ganz und gar ungewöhnliche Klangfarbe, eine Gitarre und eine Bass-Drum am Fuß formen die Ein-Mann-Band Finn Nelé. Der Singer/Songwriter setzt anders als viele Sänger dieser Kategorie weniger auf leise vor sich hin plätschernde Herzschmerz-Erweiterungen, sondern auf Rhythmus und perfekte Intonation. Und nimmt so mit nur wenigen Akkorden den ganzen Raum im Sturm für sich ein.
Eine ebenso starke Bühnen-Alleinherrschaft bestreitet die zarte Stimme von Sarah Sophie. Die Singer-Songwriterin entdeckte ihre Liebe zur Musik beim Schauspielern, davon zeugen auch Präsenz und Ausdruck ihrer Performance.
Gäste, weil einzige Nicht-Münchner dieses Festivals, sind Splashing Hill aus Viechtach im Bayerischen Wald. Ihr Koffer ist gepackt mit Tonsalven, die erfolgreich zusammenbringen, was nicht zusammengehört: Eingängige Indie-Klangteppiche werden mit jazzigen oder gar housigen Intermezzi aufgemischt. Das macht den jungen Musik-Profis sichtlich Spaß und dem Publikum erst recht. Ein frisch auf YouTube hochgeladenes EPK hinterlässt einen feinen Vorgeschmack!
TEXT: Christina Herbert