Es soll ja Leute geben, die es nicht erwarten können, bis der erste Sonnenstrahl den Morgen erweckt. Die einem mit ihrer penetrant guten Laune den Tag schon zu verderben wissen, noch bevor dieser überhaupt angefangen hat. Beck gehört sicher nicht dazu. Was auch immer das Alternativurgestein in den sechs Jahren so getrieben hat, die seit seinem letzten Album „Mordern Guilt“ vergangen sind, viel Spaß scheint er dabei nicht gehabt zu haben.
Schon „Cycle“, der instrumentale Opener von „Morning Phase“, ist so schwermütig, als hätte der Amerikaner gerade seine Lieblingskatze einschläfern müssen. Auch das zweite gesanglose Lied „Phase“ lädt nicht unbedingt dazu ein, das Bett zu verlassen und die feindlich gesinnte Welt da draußen zu erkunden. Ganz finster wird es dann in „Wave“, das so verstörend verloren klingt, dass wir die Welt nicht einmal mehr mit Tränen teilen können.
„I move away from this place
In the form of a disturbance
And enter into the world
Like some tiny distortion“
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Doch dieses Eintauchen kopfüber in die Traurigkeit ist nur die eine Hälfte der Wahrheit. Melancholisch sind sie irgendwo alle, die 13 Lieder von Becks zwölftem Album. Aber verborgen hinter der Dunkelheit, irgendwo am Boden seiner eigenen Büchse, wartet da oft auch die Hoffnung. „I’m so tired of being alone“ mag er auf der ersten Single „Blue Moon“ singen, der Titel zudem eher auf Mondanheulen schließen. Aber die Musik? Die ist schwärmerisch, weniger zu Tode betrübt, vor allem wenn zum Ende hin noch die fröhliche Computermelodie den Schleier vor den Augen zerrupft.
Wer generell auf solche Rechnerspielereien hofft, dem kann das Album dann aber doch die Laune verderben. Anders als bei seinen früheren Werken verzichtet Beck bei „Morning Phase“ auf klangliche oder kompositorische Experimente. „Say Goodbye“ ist recht konventioneller Alternative Rock, wie er in den 90ern gang und gäbe war, bei dem heiter schimmernden „Blackbird Chain“ ist der Abstand zu Country sogar erschreckend gering.
Wenn noch nicht außergewöhnlich, so ist die klassische Singer-Songwriter-Musik aber doch sehr schön geworden. Und auch irgendwie tröstlich. Zu einem Gute-Laune-Gute-Morgen-Menschen macht einen „Morning Phase“ sicher nicht. Aber wer braucht das schon? Sollen die anderen sich doch da draußen in den Alltag stürzen, spätestens wenn das letzte Lied „Waking Light“ erklingt, dämmert einem: So ein Morgen, der kann eigentlich sogar recht schön sein. Fernab von Stress, Arbeit, Menschenmassen. Nur du, Beck und ein bisschen seliges Träumen.
„Waking light, you profile the shadow
Raise yourself to the morning low
Night is gone, long way of turning
You’ve waited long enough to know“
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TEXT: OLIVER ARMKNECHT