Erwartungen sind doch was Tolles. Man legt sich die Welt in hübschen kleinen Stapeln zurecht und darf sich dann stolz auf die eigene Schulter klopfen, wenn alles schon im Vorfeld richtig zugeordnet wurde. Oder aber ein kräftiger Wind bringt alles durcheinander, man sieht die Blätter durch die Luft flattern und freut sich, dass sich da draußen doch noch ein bisschen was bewegt. Hundreds haben von beidem ein bisschen.
Ein finsterer Wald ist zu sehen auf dem neuen Album des Hamburger Duos, darüber ein Nachthimmel. Menschen? Nein, wozu auch. Nur das Gras direkt vor den Füßen ist beleuchtet, der letzte Schritt, bevor es in die Finsternis geht. Im Innenteil sieht es nicht viel besser aus: Das Geschwisterpaar Philipp und Eva Milner schauen in die Kamera, als hätte man sich auf einer Beerdigung noch mal schnell für ein Familienfoto zusammengefunden. Da könnte man schnell denken, dass auch die Musik entsprechend Grabesstimmung verbreitet, die deutsche Antwort auf die Weltuntergangsbeschwörer von Portishead. Was nicht ganz falsch ist, aber eben auch nicht ganz richtig.
Dunkel ist die Elektromusik der beiden sicherlich, aber nicht annähernd so erfroren und schmerzverzerrt wie die der englischen Kollegen. Vielmehr funkelt in der Nacht von Hundreds dann doch der eine oder andere Stern, gerade die warme Stimme von Eva tut viel dafür, dass man sich hier nicht in der Finsternis verliert. Aber auch die abwechslungsreichen Arrangements sind ein verlässlicher Kompass, um sich nicht der eigenen Tristesse zu ergeben.
Die erste Single „Circus“ etwa beginnt mit einem rhythmischen Klatschen, welches den leicht schleppenden Gesang unterlegt. Später öffnet sich der Sound, Bläser kommen hinzu, die Melodie wird fröhlicher und Eva erinnert – wie auch an anderen Stellen von „Aftermath“ – an Dido. Ein Zirkus mit Clowns, Artisten und tanzenden Affen wird das Lied zwar auch dann nicht, aber vielleicht eine Art gut gelaunter Mitternachtsmarkt.
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Ebenfalls gelungen ist das Touchy-Mob-Cover „Foam Born“, das passend zu seinem Namen luftig-leicht daherkommt, auf einem Klavierteppich durch die Nacht segelt. Bis die Akkorde prägnanter werden, kraftvoller und Eva davon singt, das Gegenüber vergiften zu wollen – ein interessanter Kontrast zu der gefälligen Musik.
Das ist dann vielleicht auch der einzige Vorwurf, den man dem Album machen kann: Es ist ein bisschen ZU gefällig. Mangelnde Abwechslung oder Kreativlosigkeit wird man den beiden Geschwistern nicht vorwerfen können. Hier und da mal eine Ecke und Kante wären nicht verkehrt gewesen, damit „Aftermath“ nicht ganz so glatt wirkt. Wer das nicht braucht und einfach nur auf der Suche nach schönem Elektropop ist, darf sich über zwölf elegant perlende Songs freuen. Gelohnt hat sich die vierjährige Wartezeit auf Longplayer Nummer zwei also auf jeden Fall.
Belohnt wurde übrigens, wer regelmäßig die Homepage von Hundreds besucht hat. Denn Freitag nächste Woche (21. März) tritt das Duo in der Münchner Kranhalle auf. Doch Tickets gibt es dafür schon lange keine mehr, das Konzert ist seit Wochen ausverkauft. Schade für die, die leer ausgehen, aber immerhin spendet „Aftermath“ dann auch hierbei Trost.
TEXT: Oliver Armknecht