Teebs Estara Rezension curt München

Gehört: Teebs – „Estara“

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Die Älteren unter euch werden sich vielleicht noch daran erinnern: Bevor es MP3-Player gab, iTunes und Smart Phones, war man auf sogenannte Tonträger angewiesen, wenn man Musik hören wollte. CDs dürften die meisten schon einmal in der Hand gehalten haben, jene silbernen Alleskönner, auf denen je nach Verwendungszweck neben Liedern auch Bilder oder sonstige Daten Platz fanden. Doch schon Jahrzehnte davor gab es Verwandte, die ebenfalls kreisrund waren, schwarz und deutlich größer: die gute alte Schallplatte.

Die hatte nicht nur einen wärmeren Klang (so sagt man), sondern auch den Vorteil, dass man sie in anderen Geschwindigkeiten und sogar rückwärts abspielen konnte. So mancher Heavy-Metal-Band wurde nachgesagt, dass sie auf diese Weise satanische Botschaften unters Volk bringen wollte.

Einen vergleichbaren Vorwurf wird man Teebs sicher nicht machen, dafür ist die Musik des amerikanischen Produzenten nicht kontrovers genug. Und doch, wenn man „View Point“ oder „Hi Hat“ aus dem neuen Album hört, erinnert das irgendwie an diese lange vergessenen Klänge. Ungewohnt, verfremdet, einfach falsch herum hört sich das an, eben als ob die Musik versehentlich rückwärts abgespielt würde. Nur dass dabei keine Botschaften vermittelt werden. Wie auch, wenn „Estara“ größtenteils instrumental ist? Nur bei „Holiday“, einer Kollaboration mit dem australischen Sänger Jonti, kommt dann doch mal Gesang dazu, der aber nie in den Vordergrund rückt, sondern vielmehr mit den Klanggebilden zu einem harmonischen Soundteppich verwoben wird.

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Kontraste sind allgemein nicht das hervorstechendste Merkmal von Teebs’ zweitem Album, dann schon eher Kontinuität. Wenn es Musik gibt, die den Ausdruck „Der Weg ist das Ziel“ verdient, dann diese hier. Opener „The Endless“ weckt nicht nur durch seinen Titel Assoziationen an den Weltraum, durch den man sanft schwebt, anmutig, umgeben von den schimmernden Lichtern der Sterne. So wie hier ist „Estara“ meist Reise, aber einer ohne Zwischenstopp. Einzelne Lieder bleiben nur wenig im Gedächtnis, hier verschwimmt alles zu einem musikalischen Gemälde, ohne wirkliche Grenzen, welche die 13 Tracks voneinander trennen würden.

Das liegt auch daran, dass Mtendere Mandowa, wie Teebs mit bürgerlichem Namen heißt, immer wieder eingeführte Elemente wiederaufgreift, lässt zum Beispiel auf „Holiday“ und später auf „Mondaze“ Vögel zwitschern. Andere Lieder wie „NY Pt. 1“ sind von vornherein als reine Ambientnummern konzipiert, die gar nicht erst auffallen sollen. Nur selten, etwa auf dem an Son Lux erinnernde „Shoouss Lullaby“, wird mit plötzlichen Pausen oder einem scheppernden Schlagzeug etwas vom Weg abgewichen.

Teebs Estara Rezension curt München

Diese Homogenität ist dann Stärke und Schwäche des Albums zugleich. Auf der einen Seite ist Teebs ein sphärisches, streckenweise hypnotisches Zweitwerk geglückt, das immer wieder andere Bilder vor dem inneren Auge hervorruft, wir in dem einen Moment Molekül im All sind, dann wieder Forscher in einem Elektrodschungel. „Estar“, das spanische Wort für „Sein“, bildet nicht nur die Grundlage für den Titel, sondern ist auch bezeichnend für ein Album, das mehr ist als tut. Gleichzeitig läuft der Musiker aber auch Gefahr, dass durch den Mangel an unterscheidbaren, echten „Songs“ das Album zu einer reinen Hintergrundbeschallung verkommt. Und das wäre schade, denn wer die Mühe aufbringt, genauer aufzupassen, entdeckt eine ganze Menge Details, für die es sich dann doch lohnt, während der Reise aus dem Fenster zu schauen. Oder eben zu hören.

TEXT: Oliver Armknecht