Timber Timbre Rezension curt München

Gehört: Timber Timbre – „Hot Dreams“

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Langsam schleichen die Schatten durch den Raum, langsam, fast unmerklich, aber unaufhaltsam. Kriechen die Wände entlang, durch Ritzen, immer am Rande der Augenwinkel. Da, hat sich nicht eben was bewegt? Nein, paranoid sollte man besser nicht sein, wer das neue Album von Timber Timbre auflegt. „Hot Dreams“ heißt es zwar, schwüle, dampfende Erotik ist beim vierten Longplayer aber nicht angesagt. Die Nähe zu einem Traum ist hingegen durchaus gegeben, unwirklich, traumhaft sind die zehn Lieder auf alle Fälle. Nicht ganz da, verschoben, verschroben. Und eben auch bedrohlich.

Wenn man „Hot Dreams“ mit einem Film vergleichen wollte – und das liegt nahe, denn das Album ginge auch als Soundtrack durch – dann wären das aber weniger hochtourige Horrorschocker, sondern klassische Grusler, die langsam eine unheilvolle Atmosphäre aufbauen. Langsam ist dann auch das Stichwort für die Musik. Die kanadische Band lässt sich viel Zeit beim Aufbau ihrer Songs. „Beat the Drum Slowly“ heißt dann auch der grandiose Opener und erste Single des Albums, dessen surreales Zeichentrickvideo wir seit dieser Woche bewundern dürfen.

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Und wenn beim Titellied vom Wunsch zu tanzen die Rede ist, dann ist darunter weniger ein hektisches Herumgehopse gemeint, sondern ein gemächlicher Tanz im Mondschein. Und immer mit dem Blick nach unten, denn an vielen Stellen ist „Hot Dreams“ Shoegazing-Folk vom Feinsten, mal gemischt mit Western („This Low Commotion“), dann wieder ein bisschen Rockabilly („Run From Me“). Oder klingt im Fall des psychedelisch hallenden „Curtains!“ auch mal so, als hätten die Walkabouts zusammen mit Portishead ein Lied aufgenommen. Wer das für einen Widerspruch hält, hat recht und unrecht zugleich. Was sich auf dem Papier wie ein fürchterlicher Mischmasch liest, ist am Ende dann aber doch erstaunlich wirkungsvoll. Und vor allem eben stimmungsvoll.

Trotz der Vielfalt ist „Hot Dreams“ kein Album, das man eher in voller Gänze hören wird, weniger einzelne Lieder herauspickt. Das ist gleichzeitig durchaus auch ein Kritikpunkt, wenn man so will: Es gibt nur wenige Tracks, die wirklich hervorstechen, echte Highlights sind. Sie sind eher ein Mittel zum Zweck, und der lautet einen halluzinatorischen, atmosphärisch dichten Sound zu kreieren. Was Timber Timbre auch gelungen. Wer mehr davon hören will, hat am 8. April die Gelegenheit dazu, wenn die Kanadier in München auftreten. Aber auch hier gilt dann natürlich: Zuhören nur auf eigene Gefahr.

Timber Timbre: „Hot Dreams“
Full Time Hobby (rough trade)
VÖ: 4. April 2014

TEXT: Oliver Armknecht