Es hat schon seine Vorteile, Musiker zu sein. Wenn unsereiner in einer Krise steckt, braucht es viel Geld, um da wieder rauszukommen. Geld, das man in einen Therapeuten investiert. Oder auch Alkohol. Als Musiker kannst du hingegen deine Gitarre schnappen, auf eine Bühne gehen und dein Leid einfach unter all deinen Zuhörern aufteilen. Und mit ein bisschen Glück dabei sogar selbst noch Geld verdienen.
Der finanzielle Aspekt war sicher nicht der ausschlaggebende für William Fitzsimmons, diesen Beruf zu wählen. Vielmehr war Musik von jeher allgegenwärtig in seiner Familie: Seine Eltern, beide blind, lehrten William und den Geschwistern, sich durch Musik auszudrücken und auch die Welt zu erfahren. Und davon machte der Amerikaner auch eifrig Gebrauch, verarbeitete in seinen Liedern diverse private Tragödien wie seine Scheidung.
Noch persönlicher soll jetzt „Lions“ sein, das demnächst erscheinende sechste Album des Sängers. Ob das stimmt, kann nur der Meister selbst beurteilen, gefühlvoll ist es aber auf jeden Fall. Anders als man bei dem Anblick – der Kopf ist kahl, der Bart dafür umso länger – vielleicht erwarten würde, steht der Name William Fitzsimmons nämlich für leise, ganz leise Folkmusik. Mit einem Wispern startet dann auch der Opener „Well Enough“, ein bisschen melancholisch, ein bisschen gespenstisch, so wie die meisten der zwölf Lieder sich im Hintergrund ganz wohl fühlen.
Deprimierendes Weltschmerzgejammere hat William zum Glück jedoch nicht im Sinn. Seine sanfte Stimme hat sogar etwas richtig Tröstendes an sich, vor allem dann wenn er wie in „Josie’s Song“ oder „Brandon“ den Kümmerer mimt. Du bist von den anderen verstoßen, weil du anders bist? Dann komm her, ich nehm dich in den Arm! Manche werden sich vielleicht an der Heile-Welt-Stimmung stören, wer aber einfach nur mal wieder „schöne“ Musik hören mag, ist hier genau richtig. Vor allem eignet sie sich bestens, den in der letzten Zeit weniger schönen Anblick auf der anderen Seite des Fensters zu vergessen. Bei verträumten Nummern wie dem Höhepunkt „Took“ oder der Single „Fortune“, reicht es, die Augen zu schließen. Et voilà, schon ist man an einem ganz anderen, deutlich freundlicheren Ort.
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Bei den beiden Nummern versucht der Schmusebarde auch, mit Schlagzeug und Beats ein wenig Abwechslung ins Album bringen. Doch es bleibt bei Nuancen, insgesamt ist „Lions“ dann doch recht homogen und wird von akustischen Balladen dominiert. Selbst beim Titellied lässt der Löwe seine Krallen stecken. Aber das muss ja kein Fehler sein, als Gegenmittel zu Trübsal wirken die intimen Bekenntnisse auch so. Insofern dürfen Folkfreunde frohlocken, dass William Fitzsimmons am 26. Februar auch mal wieder in München auftritt. Denn als direktes Gegenüber funktioniert die selige Therapiestunde gleich noch mal so gut.
>> Hier geht’s zu unserem Interview mit William Fitzsimmons
TEXT: Oliver Armknecht