Zola Jesus
Foto: Angel Ceballos

Gehört: Zola Jesus – Versions

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„Blisters on my hands
Cannot feel the doors or floors
I got cysts, yeah, in my head
Telling to me to take a blow
Telling me to let it fade“

Egal ob sie wie hier in „Hikikomori“ über isolierte Jugendliche sang oder in „In Your Nature“ ihrem Fatalismus freien Lauf ließ, nein, Zola Jesus war nie unbedingt die Musik, die man auflegte, um sich aufzuheitern. Gerade zu Beginn ihrer noch jungen Karriere bot sie mit dröhnenden Lo-Fi-Sturzbächen, apokalyptischen Texten und ihrer ungebremsten opernhaften Stimme all jenen Zuflucht, die ihr (Un-)Glück in der Dunkelheit suchten. Umso größer die Überraschung, als sie sich 2010 anlässlich ihres zweiten Albums platinblond à la Paris Hilton zeigte. Doch die neue Haarfarbe war nur die offensichtlichste Veränderung, hinter der Fassade zeigte sich bei der Musik eine Orientierung weg von scheppernden Geräuschkulissen hin zu einer deutlich sauberen, glatteren Produktion – eine Entwicklung, die sie 2011 bei „Conatus“ noch weiter fortsetzte.

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Und nun „Versions“, das neueste Werk der Halb-Amerikanerin/Halb-Russin, deren bürgerlicher Name Nika Roza Danilova ist. Wobei neu nicht wirklich zutrifft. Wie der Titel schon andeutet, handelt es sich dabei vielmehr um Alternativfassungen, neue Versionen von altbekannten Liedern der letzten beiden Platten. Nun sind Neuaufnahmen oft eine kreative Bankrotterklärung, der Versuch, im Alter mit Altem noch mal Kohle zu scheffeln. Doch bei Zola Jesus ist der Fall etwas anders, nicht nur, weil sie erst 24 Jahre zählt, sondern auch weil das Album letztendlich kein Rückblick, sondern konsequente Fortsetzung ist: Ein Auftritt im Guggenheim Museum inspirierte sie dazu, ihre Lieder noch einmal mit einem Streicherquartett neu aufzunehmen, geleitet von Industrialveteran JG Thirwell.

Ganz auf ihre elektronischen Spielereien möchte die ehemalige Industrial-Chanteuse zwar auch hier nicht verzichten, aber die Neuinterpretationen kommen doch deutlich getragener daher, eleganter und selbstbewusster. Statt einem ziellosen Poltern durch die Dunkelheit gleicht „Versions“ mehr einem majestätischen Schreiten durch die Nacht, das Licht der Sterne fest im Blick. Tatsächlich sind die Aufnahmen deutlich heller, offener, bieten Zola Jesus’ imposanter Stimme mehr Platz. Wer also gehofft hat, hier mal wieder ein bedrohlich-klaustrophobisches Industrialgewitter à la „Clay Bodies“ zu hören – Fehlanzeige.

Dafür kommt in den neuen Arrangements besser rüber, dass Nika neben den unbestreitbaren Gesangs- auch Songwriterqualitäten mit sich bringt. Befreit vom instrumentalen Ballast zeigt sich, dass ihre Lieder zwar recht banale Texte, dafür aber richtige Ohrwurmqualitäten haben. Und wenn man „Fall Back“, das einzige wirklich neue Lied auf dem Album, als Ausgangslage nimmt, scheint sich Zola Jesus in ihrer neuen Rolle als Poprinzessin durchaus wohlzufühlen. Das muss kein Fehler sein, schließlich ließ auch Siouxsie Sioux – mit der Nika immer wieder verglichen wird – mit der Zeit ihre Gothik- und Punkwurzeln hinter sich, um zugänglichere, aber nicht minder faszinierende Musik zu schaffen.

Schade nur, dass durch die Reduktion und Aufhellung bei Zola Jesus auch das Tempo gedrosselt wurde. Gerade wenn man sie auf ihrer Tour erlebt hat, wird einem die geradezu frenetische Energie, mit der sie da über Lieder und Publikum herfiel, vermissen. Bis auf „Seekir“ und teilweise „In Your Nature“ trifft sich hier alles im mittleren Tempo, worunter auf Dauer die Abwechslung leidet. Und „Sea Talk“ verliert als fast schon optimistische Hymne die schmerzerfüllte Dringlichkeit. Ein wirklicher Ersatz für die früheren Alben, ein „Best of Zola Jesus“ ist „Versions“ damit nicht. Aber immerhin ein gelungener und hörenswerter Einstieg in die Musik, der außerdem neugierig macht, was die One-Woman-Band wohl bei ihrem nächsten „echten“ Album machen werden.

TEXT: Oliver Armknecht