Abgelegene Hütten, einsame Landhäuser, vielleicht auch kleine Dörfer ohne Funknetz – der Schrecken vieler Horrorfilme basiert darauf, die Protagonisten in Umgebungen zu werfen, die fernab der Zivilisation liegen und eine Flucht damit unmöglich ist. Hin und wieder wird aber auch der genau entgegengesetzte Weg gegangen: Der Horror ist direkt unter uns! So wie bei den drei heutigen Filmen, die uns sehr viel näher sind, als wir es gerne hätten.
„The Tunnel“
Zum Auftakt unseres Alltaghorrors begeben wir uns in die Millionenstadt Sydney, genauer in dessen Untergrund. In den nicht mehr genutzten Tunneln könne man doch Wasserspeicher errichten, um so für zukünftige Wasserknappheiten besser gewappnet zu sein – so der Plan. Das revolutionäre Projekt ist in aller Munde, bis die Politik es eines Tages sang- und klanglos sterben lässt. Die Journalistin Natasha wittert hinter dem Ganzen eine fette Story und steigt deshalb heimlich mit drei Kollegen hinab, um die Wahrheit herauszufinden. Anders als bei vielen anderen „Found Footage“-Filmen ist „The Tunnel“ wie eine richtige Dokumentation aufgebaut, inklusive Interviews mit den Teammitgliedern. Diese Gespräche sind Segen und Fluch zugleich: Auf der einen Seite erhöhen sie ungemein die Authentizität. Nachteil dieser Unterbrechungen ist aber, dass der australische Film lange nicht in die Gänge kommt. Bis das Team endlich im Untergrund gelandet ist, dauert es etwa eine halbe Stunde.
Doch wer so lange aushält, wird daran erinnert, warum „Blair Witch Project“ seinerzeit so verdammt effektiv war. Eine Geschichte nur aus dem begrenzten Sichtfeld der Egoperspektive zu erzählen, ist wie gemacht für einen Film, der gerade davon lebt, nicht alles zu zeigen. Bei „The Tunnel“ wird dieser Effekt durch das Setting noch weiter verstärkt; die engen, unübersichtlichen und dunklen Gänge verhindern jede Form von Orientierung, die eingeschränkte Perspektive sorgt für eine klaustrophobische Stimmung. Wenn man dem Film einen Vorwurf machen kann, dann allenfalls für die dahinter liegende wenig originelle Geschichte. Dennoch: Wer noch nicht genug „Found Footage“ in seiner Videosammlung hat, sollte auf jeden Fall einen Blick auf „The Tunnel“ werfen. Schließlich hat das Genre nur selten vergleichbar Gutes zu bieten.
Regie: Carlo Ledesma; Darsteller: Bel Deliá, Andy Rodoreda, Steve Davis, Luke Arnold; VÖ: 18. Oktober 2013
„Zimmer 205 – Traust du dich rein?“
Kaum ein Moment wird von Jugendlichen wohl stärker herbeigesehnt, als endlich eine eigene Wohnung beziehen zu können. Und für Katrin gilt das noch mehr als für jeden anderen, schließlich wird sie von der Fürsorge ihres Vaters geradezu erdrückt, seit ihre Mutter tot ist. Und diese Fürsorge zeigt sich vor allem in der hohen Anzahl an Psychopharmaka, die sie zu schlucken hat. Mit einer derart angeknacksten Psyche hat sie natürlich keine Chance gegen Oberintriganten wie Sanne, die selbst Mafiabosse problemlos zum Weinen bringen könnte. Doch Katrin findet auch Unterstützung auf dem Campus. Da wäre zum einen der hilfsbereite Kommilitone Dirk. Und auch Annika bietet ihr sofort per StudiVZ die Freundschaft an. Nur hat das einen Haken: Annika ist die Vormieterin in Zimmer 205 und verschwand vor einem Jahr spurlos. Und diese Anfrage soll nicht die einzige unerklärliche Erfahrung der jungen Studentin bleiben.
„Zimmer 205 – Traust du dich rein?“ erzählt recht kompetent eine spannende und stimmungsvolle Geschichte, die in der endlosen Horrorreihe in der Videothek nicht aus der Reihe fällt – weder positiv noch negativ. Dafür schielte man wohl auch einfach zu sehr auf etablierte Mechanismen und Motive von anderen Filmen: unheimliche Musik, Bewegungen in Fenstern, plötzlich auftauchende Menschen. Dazu noch eine psychisch angeknackste Hauptfigur, der niemand glauben will. Originell ist das nicht, aber auch so findet der geneigte Horrorfan einen grundsoliden Vertreter, der vor allem durch sein Setting ein Gesicht erhält. Das Studentenwohnheim in einem Erfurter Plattenbau als Ort des Schreckens – warum nicht? Überhaupt ist es mal etwas anderes, eine einzelne Wohnung in einem großen Gebäude zum Spukzimmer zu erklären, während außerhalb alles seinem normalen Gang nachgeht. Warum die Spukereignisse jedoch erst mit dem Auftauchen von Katrin ihren Anfang nehmen und später auch an ganz anderen Orten stattfinden, bleibt ein Rätsel des Films. Aber auch das sind wir von Horrorfilmen ja gewohnt.
Regie: Rainer Matsutani; Darsteller: Jennifer Ulrich, Julia Dietze, Inez Björg David, Marleen Lohse, Tino Mewes; VÖ: 10. Oktober 2013
„Citadel – Wo das Böse wohnt“
Die Angst vor engen, abgeschlossenen Räumen ist eine, mit der sich sicher viele irgendwo identifizieren können. Insofern verwundert es nicht wirklich, wenn Horrorfilme gerne auf entsprechende Orte zurückgreifen: Tunnel (siehe oben), Lüftungsschächte oder auch Keller. Aber eine Agoraphobie, die Angst vor weiten Plätzen? Die ist schon deutlich seltener, weshalb sie auch in Filmen nur selten eine Rolle spielt. Dass so eine Phobie aber fast noch fieser ist, beweist der irische Regisseur Ciaran Foy in seinem Debütfilm „Citadel – Wo das Böse wohnt“. Seit Tommy Cowley mitansehen musste, wie seine Frau von Jugendlichen zu Tode geprügelt wurde, traut er sich nicht mehr aus dem Haus. Was ein richtiges Problem ist, wenn gleichzeitig die Mörder noch da draußen rumlungern und nur darauf warten reinzukommen. Und als wäre das nicht schon schlimm genug, gibt ihm ein eigenartiger Priester zu verstehen, dass hinter den Angreifern mehr steckt, als nur missratende Jugendliche.
Zunächst wirkt die Geschichte wie eine Mischung aus Thriller und Sozialstudie. Tommy gehört zu den Verlierern der Gesellschaft, alles um ihn herum ist heruntergekommen, von der Politik und den Menschen vergessen. Doch die Gewalt ist mehr als das Ventil von Trostlosigkeit und Ohnmacht, später wendet sich der englisch-irische Film nämlich auch dem Übersinnlichen zu. Ob es das gebraucht hätte, ist sicher Ansichtssache, zumal auch nicht alles ganz durchdacht wirkt. Wo „Citadel“ sein Können zeigt, und das richtig gut, sind aber die Bereiche Atmosphäre und Spannung. Gerade bei den Belagerungsszenen in der ersten Hälfte dürfte so mancher Zuschauer sich tief in die Armlehnen krallen. Aber selbst wenn nichts passiert und Tommy nur durch die menschenleeren Straßen läuft, ist das so beklemmend inszeniert und von Hauptdarsteller Aneurin Barnard so gut gespielt, dass man auf einmal sehr gut versteht, wie einem weite Plätze Angst machen können.
Regie: Ciaran Foy; Darsteller: Aneurin Barnard, Wunmi Mosaku, James Cosmo; VÖ: 22. Oktober 2013
Horrorfans mit knappem Budget können auch heute auf die Hilfe von außen hoffen: Unter allen Einsendern verlosen wir dieses Mal 2 Blu-rays von „The Tunnel“. Wer sein Glück versuchen will, sollte uns eine E-Mail mit Namen, Adresse und Stichwort „The Tunnel“ an willhaben@curt.de schicken. Viel Glück!
Unsere Verlosung ist beendet, Die Blu-rays wurden verschickt.
TEXT: Oliver Armknecht