Halbzeit! Jetzt dauert es noch fast sechs Monate, bis wir uns an Halloween gesellschaftlich anerkannt Horror und Blutorgien widmen dürfen. Wem die Wartezeit zu lang ist, für den haben wir uns mal wieder umgeschaut, was denn der Videomarkt in der Zwischenzeit zu bieten hat. Zombies gibt es diesmal keine, dafür aber jede Menge Vampire und Geister sowie ein ganz spezielles kleines Monster.
Rigor Mortis – Leichenstarre
Seine Familie hat er verloren, seine Karriere als Schauspieler ist vorbei. Wenn Siu-Ho in das schäbige Hochhaus zieht, dann nur, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Doch daraus wird nichts. Als er am Strick hängt, weckt er in seinem Todeskampf nicht nur die Aufmerksamkeit zweier grausamer Geister, sondern auch die von seinem Nachbarn, dem früheren Vampirjäger Yau. Von ihm erfährt der verhinderte Selbstmörder dann auch, dass in dem Haus noch viel mehr übersinnliche Wesen durch die Gänge streifen. Aber man hat sich arrangiert, Menschen und Tote „leben“ in einer friedvollen Koexistenz. Diese wird jedoch empfindlich gestört, als der ältere Bewohner Tung bei einem Unfall stirbt und dessen Frau Mui ihn mit Hilfe von Mönch Gau zurück ins Leben holen will.
[display_video youtube=4H9cWdN6TS8]
Nachdem bei Vampirfilmen der Fokus in den letzten Jahren fast immer auf den tragischen Schicksalen der Halsbeißer lag, bekommen wir in „Rigor Mortis – Leichenstarre“ endlich auch wieder richtige Action und Horror geboten. Schon in den ersten Minuten spinnt sich eine unheilvolle Atmosphäre durch die Gänge, aus der es kein Entkommen gibt. Wie auch, wenn man nie genau weiß, welcher Bewohner real, wer ein Geist ist? Klassische Schockmomente gibt es dabei auffallend wenig, brutale Szenen ebenso wenig. Hier kommt es einzig und allein auf die alptraumhafte Stimmung an, und die wird im Regiedebüt von Schauspieler Juno Mak vor allem durch die fantastische, kunstvolle Optik erzeugt. Da sieht man auch darüber hinweg, dass die Handlung einfach und Erklärungen Mangelware sind.
Wertung: 7 von 10
Regie: Juno Mak; Darsteller: Siu-hou Chin, Anthony Chan, Richard Ng, Hee Ching Paw, Kara Hui; VÖ: 15. April 2014
Bad Milo!
Es mal ruhiger angehen lassen? Leichter gesagt denn getan. Bei Duncan gibt es sowohl im privaten – Ehefrau Sarah und Mutter Beatrice hätten doch ganz gerne mal Nachwuchs – wie auch im beruflichen Bereich eine Menge Druck. Und dieser Druck sucht dann manchmal etwas sonderbare Wege nach draußen. Im Fall von Duncan führt der über den Darm: Gerade noch redet er mit seinem Therapeuten Highsmith über einen Alptraum und seine Bauchschmerzen, da kommt ein kleines Monster aus seinem Hintern gekrochen, mit kleinen spitzen Zähnen und einem großen Appetit auf Menschenfleisch. Und das besorgt sich der blutrünstige Milo – auf diesen Namen wird es von Duncan getauft – bei eben jenen Menschen, die seinem Wirt solche Probleme bereiten.
[display_video youtube=MbGoyNWT5mU]
Schon beim Vorspann muss man zweimal schauen, ob nicht aus Versehen eine alte Videokassette abgespielt wird. Und auch bei Milo selbst fühlt man sich in die 80er zurückversetzt, die handgemachte Puppe wirkt wie eine bewusst alberne Mischung aus „ET“ und den „Gremlins“. Wenn hier kübelweise Blut vergossen wird, dann nicht, um die Zuschauer zu erschrecken – lachen sollen sie! Und das klappt, wenn man es etwas derber mag. Hier wird schon aufgrund der Ausgangssituation dem Fäkalhumor Tür und Toilette geöffnet, feinsinnig, subtil oder gar anspruchsvoll ist hier gar nichts. Dafür darf man sich über viele, viele absurde Situationen und völlig überzeichnete Figuren freuen. Die Abwechslung dürfte ruhig größer sein, spaßiges Material für den nächsten Videoabend bietet das monströse Darmgeschwür aber auch so.
Wertung: 6 von 10
Regie: Jacob Vaughan; Darsteller: Ken Marino, Gillian Jacobs, Mary Kay Place, Peter Stormare; VÖ: 14. April 2014
The Borderlands
Auf der ganzen Welt war Deacon schon im Auftrag der Kirche gewesen, um vermeintlichen Erscheinungen auf den Grund zu gehen. Bewahrheitet hat sich keine einzige davon. Groß ist die Skepsis daher, als er von angeblich unerklärlichen Phänomen hört, die sich in einer Kapelle in Nordengland zugetragen haben sollen. Hatte sich Gott während einer Babytaufe tatsächlich den Anwesenden gezeigt? Dutzende von Kameras, Mikrofonen und sonstiger Schnickschnack sollen die Wahrheit ans Licht führen. Und es sieht doch sehr danach aus, als würden sich Deacons Zweifel auch dieses Mal bewahrheiten. Aber dann erlebt die Untersuchungskommission selbst in den alten Gemäuern Dinge, die sich nur schwer mit Manipulation erklären lassen.
[display_video youtube=Q04GQ4t8PBQ]
Kamerateams, die übernatürlichen Ereignissen auf den Grund gehen sollen – das dürfte vielen Horrorfans reichlich bekannt vorkommen. Während wir meistens Pseudowissenschaftler und Journalisten verfolgen, die Geister aufspüren wollen, geht es hier um Kirchenvertreter und göttliche Wunder. Das ist mal was anderes. Inhaltlich ist das Pseudodokumentarische dennoch kaum gerechtfertigt und führt dazu, dass die erste Hälfte von „The Borderlands“ schlichtweg langweilig ist. Und das ist deshalb schade, weil später deutlich zugelegt wird: alte, verfallene Gebäude, kaum Licht, dazu enge Gänge und unheimliche Geräusche. Wenn dann noch vereinzelt fiese Schockmomente und Kameraspielereien kommen, wird recht eifrig an der Spannungsschraube gedreht, bis der Film sehr abrupt aufhört.
Wertung: 6 von 10
Regie: Elliot Goldner; Darsteller: Gordon Kennedy, Aidan McArdle, Robin Hill, Luke Neal; VÖ: 15. April 2014
Ghost Bride
Heute sind arrangierte Ehen etwas aus der Mode gekommen. Und wenn es nach Jason ginge, hätte das auch ruhig so bleiben können, denn mit Skye hat er seine Traumfrau längst gefunden. Nur hat die ein Problem: Sie ist Neuseeländerin. Das ist Jason auf dem Papier zwar auch, seine Eltern jedoch gebürtige Chinesen. Und nachdem der Vater tot ist, kümmert sich Mutter Alice um den Fortbestand der Traditionen. Die Heiratsvermittlerin Madam Yin soll dem hübschen jungen Mann eine passende, chinesische Braut finden. Die auserwählte May-Ling scheint den Kriterien auch voll und ganz zu entsprechen: Sie ist schön, fügsam und redet kaum. Einen kleinen Makel hat sie jedoch auch, sie ist schon eine ganze Weile tot und eifersüchtig auf die deutlich lebendigere Skye.
[display_video youtube=BSG_FAsfT6Y]
Warum es bei einem neuseeländischen Film unbedingt um chinesische Einwanderer gehen musste, wird nie so ganz klar. Auf jeden Fall führt es dazu, dass der Schauplatz doch sehr austauschbar ist, maximal an den Landschaftsaufnahmen lässt sich erahnen, wo man gerade ist. Die sind dafür recht hübsch geworden. Überhaupt gehört die stimmungsvolle Ausstattung sicher zu den Pluspunkten von „Ghost Bride“. Und auch die unaufdringliche, tendenziell unheilvolle Musikuntermalung kann sich hören lassen. Nur bringt das wenig, wenn es bei Geschichte und Inszenierung so hapert wie hier. Hauptproblem ist, dass der Film einfach nicht in Fluss kommt. Man wartet und wartet auf die vielbeschworene Spannungskurve, aber bis zum Schluss plätschert alles ruhig und ereignislos vor sich hin.
Wertung: 4 von 10
Regie: David Blyth; Darsteller: Yoson An, Rebekah Palmer, Fiona Feng, Catheryn Wu; VÖ: 25. April 2014
Kiss of the Damned
Nett ist es ja nicht, die eigene Schwester als Monster zu bezeichnen. Im Fall von Djuna und Mimi ist die Bezeichnung jedoch angebracht, schließlich handelt es sich bei ihnen um Vampire. Abgesehen von ihrer Vorliebe für Blut und einer ausgeprägten Abneigung gegen Sonnenlicht haben die beiden jedoch wenig gemeinsam. Während sich Mimi hemmungslos durch das Nachtleben mordet, hat sich Djuna in ein abgelegenes Anwesen zurückgezogen. Das ändert sich, als sie eines Tages den attraktiven Drehbuchautor Paolo kennenlernt und sich verliebt. Der stört sich auch nicht an ihrem Dasein als Vampir, besteht sogar darauf, selbst einer zu werden. Gestört wird das untote Lebensglück jedoch, als eines Tages Mimi vor der Tür steht und bei beiden einziehen will.
[display_video youtube=4h01SbtUuE0]
Wenn sich „Kiss of the Damned“ an Horrorfans richtet, dann vor allem an die nostalgisch veranlagten, die früher Vampirfilme der Erotik wegen geschaut haben. Auf die wird hier nämlich hauptsächlich gesetzt: Die oft spärlich bekleideten drei Hauptdarsteller dürften vor allem ihrer optischen Qualitäten wegen ausgesucht worden sein, aber auch Ausstattung und die langsamen Kamerafahrten bieten einiges fürs Auge. Bemerkenswert ist zudem die bewusst altmodische Musikuntermalung: Orgelmusik, Synthiespielereien, Gitarrenrock, Klassik – hier werden alle möglichen Stilrichtungen zu einem dichten, tendenziell aufdringlichen Klangteppich verwoben. Dafür ist die Geschichte sehr einfach, die Figuren blass und wirklich spannend ist der Film auch nicht.
Wertung: 6 von 10
Regie: Xan Cassavetes; Darsteller: Josephine de la Baume, Milo Ventimiglia, Roxane Mesquida; VÖ: 25. April 2014
TEXT: OLIVER ARMKNECHT