Nach diversen Exkursionen in den beschwingteren Dancefloor-Sound, den der Berliner Sascha Ring aka Apparat in Kooperation mit namhaften Kollegen wie Modeselektor und Ellen Allien hervorbrachte, widmet sich Ring nun wieder dem entspannten Sci-Fi-Soul, der sich ab Ende der 90er ankündigte und seitdem in unseren Gehörgängen festsitzt.
Auf seinem neuesten Longplayer „The Devil’s Walk“, den er mithilfe von Patrick „Nackt“ Chris-tensen produzierte, steckt der Teufel im Detail und ist in jedem Groove zu spüren.
curt: Was war der Auslöser, zum relaxten Experimental-Elektro zu wechseln?
Apparat: Eigentlich habe ich nie richtige Tanzmusik produziert, das passierte eher
in Verbindung mit anderen, zum Beispiel bei meinem Projekt „Moderat“ mit Mode-selektor. Ich reihe die bisherigen Apparat-Alben eigentlich immer schon in die
ruhige Listening-Musiksparte ein. Das hört sich nur im Live-Kontext anders an, weil ich als Elektroniker bis dato ständig in Clubs aufgetreten bin und da muss man eben die Bassdrums bringen.
curt: Dein nächster Gig in München wird in den Kammerspielen stattfinden. Wie kommt das?
Apparat: Ich habe das Gefühl, dass der Prozess, mich mehr dem akustischen Sound anzunähern, bereits sehr lange im Gange ist. Deshalb möchte ich zum ersten Mal ein Album so zum Besten geben, wie es sich tatsächlich anhört. Das geht in diesem Fall nur mit einer Band in einem Konzert-Setting. „The Devil’s Walk“ wurde live eingespielt und da war sofort klar, dass wir zu viert als Apparat-Band auf Tour gehen werden.
curt: Wäre „The Devil‘s Walk“ ein Film, wie sähe dessen Handlung aus?
Apparat: Ich denke dabei an einen sehr ästhetischen, atmosphärischen Streifen, der sich ausschließlich um meine Person dreht, denn das Album wurde inspiriert von lauter kleinen Geschichten, die ich erlebt habe.
curt: Der Titel des Albums ist eine Verbeugung vor Percy Bysshe Shelleys gleichnamigem satirischen Gedicht aus dem Jahr 1812. Was hat es damit auf sich?
Apparat: Ich sehe das als kleine Option am Rande, zusätzlich etwas Bedeutendes auf der Platte zu verewigen. Wie gesagt, die Lyrics sind sehr persönlich und so hat man wenigstens durch die Covergestaltung und die Namensgebung die Möglichkeit, kurz aufzuschreien. Als Shelley das Poem vor 200 Jahren verfasste, war das seine Reaktion auf die damals vorherrschende Wirtschaftskrise und die daraus resultierende Lebensmittelknappheit. Der Teufel schreitet zum Regierungsgebäude, um sich mit seinen Politiker-Kumpels zu treffen, und auf dem Weg begegnet er verschiedenen Personen, wie einem Bischof und einem Anwalt, mit denen der Teufel sich blendend versteht. Das Schlimme daran ist, dass man diese Situation wunderbar in die jetzige Neuzeit übertragen kann.
curt: Was hältst du davon, dass deine Platte als illegaler Download im Internet verfügbar ist?
Apparat: Tendenziell finde ich das nicht schlecht, weil die Platte Menschen zugänglich gemacht wird, die sonst keinen Zugriff darauf hätten, wie zum Beispiel Leuten aus Südamerika oder den tiefsten Ecken Russlands. Es ist schön, wenn ich an solch entlegenen Orten auftrete und man dort schon meine Musik kennt. Die Crux an der Geschichte ist, dass zwei bis drei Monate vor der LP-Veröffentlichung die Promo rausgeht und gleich eine Woche später diese auf einem Server zum kostenlosen Download angeboten wird. Das ist total uncool. Du bist manchmal über Jahre hinweg mit dem Projekt schwanger, arbeitest Tag und Nacht wie ein Schwein daran und auf einmal nimmt dir irgendeiner völlig respektlos die Früchte deiner Mühe aus der Hand und macht damit, was er will. Fazit: I don’t blame the downloader, I am blaming the uploader!
curt: Du hast bei „The Devil’s Walk“ hauptsächlich akustische Instrumente verwendet. Muss sich die heutige elektronische Musik weg vom Laptop entfernen, um up to date zu sein?
Apparat: Diese Frage gebe ich an meinen Koproduzenten „Nackt“ weiter …
Nackt: Nein, es geht eher darum, dass man sich als Künstler ständig weiterentwickeln will und muss und wenn man eine geraume Weile lang gewisse Muster und Routinen durchgespielt hat, ist es an der Zeit, sich zu verändern. Statt zu loopen spielen wir alle Parts als Band komplett durch, wir möchten eher Performances, anstatt nur Klänge einfangen und dabei möglichst wenig den Computer machen lassen.
curt: Der Maler Bob Ross hat mal gesagt: „There are no mistakes, just happy accidents.“ Trifft dieses Zitat auch auf die Apparat-Band zu?
Nackt: Ganz und gar. Das sind die Momente, die man am liebsten provozieren will, aber es ist klar, dass sich so etwas nicht konstruieren lässt und dann artet es in viel Arbeit aus. Wenn so ein „happy accident“ passiert, werden sofort sämtliche andere Pläne über Bord geworfen. Gott sei Dank befinden sich auf dem Album einige glückliche Unfälle. Menschen sind unzulänglich und wenn man wie wir probiert, eine „menschlichere“ elektronische LP aufzunehmen, ist es logisch, dass das nur möglich ist, wenn auch das Fehlerbehaftete Platz auf dem Album hat.
>> APPARAT // 09. November in den Münchner Kammerspielen
TEXT: CHRISTOPH BRANDT // hirnverbrandt