Auf dem GREAT ESCAPE-Festival in Brighton hat unsere Redakteurin Ines Punessen ihre Liebe zum Elektro-Pop-Quartett Bastille aus dem Süden Londons entdeckt. Jetzt hatte sie die Gelegenheit, mit dem Kopf der Band, dem 25-jährigen Dan Smith mit der ‚Eraserhead‘-Frisur, im Juli vor dem Konzert in London zu sprechen.
Der Boden im fünften Stock des Londoner Scalas vibriert. Kurzes Wundern, dann die Erkenntnis: die U-Bahn, die zwischen Kings Cross und Angel verkehrt. Dan, der noch auf den letzten Drücker die Gästeliste für das große ‚Heimspiel‘ im ausverkauften Scala regelt, dreht sich zu mir und meint grinsend: „Es ist schon etwas beunruhigend, dass wir das hier oben mitbekommen, vor allem, wenn ich mir die porösen Wände anschaue. Am besten inspizierst du das nicht näher.“
Foto: Katie Sara Anderson; Vanilla Collective.
Das Quartett Bastille wird als eines der vielversprechendsten neuen EMI-Acts gehandelt. Sie machen Elektro-Pop. Nein, kein Grund sofort in ‚Nicht-noch-so-eine-Band‘-Manier die Augen zu verdrehen. Bastille heben sich ab, sei es aufgrund der ausgefeilten Tempowechsel oder Dans authentischer, melancholischer Stimme, die den Songs mehr Tiefe und Reife verleiht.
Das Debütalbum wird voraussichtlich Ende dieses, Anfang nächsten Jahres erscheinen und bis dahin spielen sie auf sämtlichen englischen Festivals, inklusive Reading und Leeds Festival, und planen, auch einige Shows in Europa zu absolvieren. Sein Faible für David Lynch trägt er auf der Brust. Mit seinem ‚Lost Highway‘-T-Shirt sitzt der ehemalige Englische-Literatur-Student auf einem unbequem aussehenden Bürostuhl. Er scheint etwas nervös, sehr aufmerksam, aber vor allem bescheiden zu sein. Etwas, von dem die EMI-Leute noch auf der Aftershow-Party überrascht sein werden.
Du wurdest am Tag der Bastille geboren, daher auch der Bandname. Davon einmal abgesehen, habt ihr einen besonderen Bezug zu Paris oder Frankreich im Allgemeinen?
Dan: Es ist vielmehr so, dass ich keine wirkliche Verbindung zu Frankreich habe. Das zog sich so durch mein Leben. Vor allem als ich noch jünger war und Französisch in der Schule lernte. Wann immer ich meinen Geburtstag erwähnte, meinte der Lehrer: „Ah, Bastille, Bastille!“ Ich wusste nie, was das bedeutete, bis ich etwas älter war. Ich kenne niemanden, der den Tag der Bastille feiert – ich hoffe nur, dass die Leute, die ich kenne, meinen Geburtstag feiern (lacht). Der Bastille-Tag ist etwas, was viele Engländer nicht kennen, aber es hat sich aufgrund meines Geburtstags auf eine seltsam-egoistische Weise durch mein Leben gezogen.
Wie war es dann endlich − als Keanes Vorband − in Paris zu sein?
Dan: Es war abgefahren und machte total viel Spaß. Ich konnte unseren Tour-Manager dazu bewegen, uns zum Place de la Bastille zu fahren, wo einst die Bastille stand. Ich zog die Jungs in der Band vor alle möglichen Bastille-Schilder, wie etwa dem Bastille-Métro-Schild, und wir posierten für Fotos. Überall, wo ich den Schriftzug Bastille sah, meinte ich: „Anhalten, wir müssen ein Foto machen!“ Die anderen fanden mich ziemlich peinlich, aber mir war das völlig egal, schließlich waren wir das erste Mal dort und total überwältigt.
Unsere Show im Vorprogramm von Keane war super. Ich schätze, dass unser französischer Bandname die Neugierde der Franzosen weckte und somit viel mehr Leute zu unserem Auftritt kamen, als wir erwartet hätten. Es ist schon etwas enttäuschend, dass keiner in der Band französische Wurzeln hat und wir auch sonst keine offensichtliche Verbindung zu Frankreich besitzen.
Die beste Frage, die mir jemals gestellt wurde, war: „Kann man euren Bandnamen als Absicht interpretieren, die momentane Lage der Musikindustrie revolutionieren zu wollen?“ Nein, es ist nur mein Geburtstag. Sorry.
Wie haben die Franzosen auf euren Bandnamen reagiert?
Dan: Als wir in Paris spielten, war ich völlig paranoid, Bastille englisch auszusprechen, da ich erwartete, dass mich das Publikum auslachen würde.
Du hast ihn also französisch ausgesprochen?
Dan: Nein, in Englisch. Das war eine Kurzschlussreaktion. Ich wollte „Bastiii“ sagen, dachte mir aber dann, dass es sich wohl schlimmer anhören würde, einen französischen Akzent zu imitieren, als einfach die Hand zu heben und sich dazu zu bekennen, sehr englisch zu sein. Nichtsdestotrotz schienen sie unsere Musik zu mögen. Die Franzosen waren von der Tatsache fasziniert, dass wir einen französischen Bandnamen haben, allerdings nicht französisch sind. Bis jetzt hat uns noch niemand mit den Worten angefahren (imitiert einen Wutausbruch): „Warum klaut ihr unseren Nationalfeiertag?“
Foto: Katie Sara Anderson; Vanilla Collective.
Gibt es irgendwelche Charaktereigenschaften, die du dir seit Kindertagen beibehalten hast?
Dan: Ich bin ziemlich unbeholfen und verlegen, was sehr viele Menschen sind. Das ist vor allem in Bezug auf meine Musik der Fall. Ich habe schon immer Songs alleine komponiert, weil ich mir immer Gedanken machte, was andere Leute davon denken würden.
Kannst du mir etwas über euer Remix-Album Other People´s Heartache erzählen und warum ihr euch für diese Songs entschieden habt?
Dan: Ich machte es mit Mark Crew, der unser Debütalbum co-produziert hat. Mitten in der Aufnahmephase unseres Albums zu Beginn des Jahres bekam ich Pfeiffersches Drüsenfieber und musste mich für einige Woche ausklinken. Ich weiß nicht mehr genau, woher die Idee kam, aber ich erinnere mich, dass ich etwas beunruhigt darüber war, dass es noch einige Zeit dauern würde, bis unser Album veröffentlicht werden würde und es auch schon eine Weile her war, dass wir neues Material herausbrachten.
Ich wollte an etwas arbeiten, dass Spaß macht, ganz ohne Druck, sodass wir einige Songs wählten, an die ich mich fast schon liebevoll zurückerinnerte. Einige Songs, von denen ich dachte, dass Leute sie erkennen würden, über die sie aber auch nicht täglich stolpern würden. So fiel die Wahl auf einige skurrile ältere Songs, die ich als wirklich gute Songs betrachte, egal wie kitschig sie zu jener Zeit waren.
Sie hatten große Refrains und eingängige Hooks. Wir beschlossen, uns die Songs nicht mehr anzuhören und sie wie meine Songs zu produzieren. Entsprechend sind sie nicht wirklich originalgetreu. Wir ließen alles Mögliche mit einfließen. Meine Lieblingsfilme und –musik, aber auch Musik, die ich weniger mag, von der ich aber dachte, dass wir ihr gerecht werden würden. Zudem war es eine Gelegenheit, mit meinen Freunden aus anderen Bands zusammenzuarbeiten.
Wir hatten solch eine gute Zeit zusammen. Das Ganze entstand in einer Woche und es war eine Herzensangelegenheit, die uns zurück in den Aufnahmeprozess des Albums bringen sollte.
Foto: Katie Sara Anderson; Vanilla Collective.
Es war deine Absicht, Bastille so weit wie möglich von jeglicher Singer-Songwriter-Assoziation zu positionieren. Warum?
Dan: Ich sehe Bastille mehr als ein Projekt, in dem ich mit unterschiedlichen Sounds experimentieren kann. Dies gibt mir die Möglichkeit, die Aufmerksamkeit so weit wie möglich von mir zu lenken. Gleichzeitig wollte ich auch nicht, dass es eine Band ist, da ich die Freiheit des Alleine-Arbeitens mag. So kann ich sehr elektronische Songs aufnehmen, dann wieder einen Song als Band mit Streichern und schließlich einen mit mir am Klavier.
Wenn wir jedoch live auftreten, betrachte ich uns als Band. Wir touren als Band und alles läuft sehr demokratisch ab. Ich habe einfach gerne die Kontrolle über die Musik. Viele Leute denken bei Singer-Songwritern und Bands: „Das ist ihr Sound und dabei bleiben sie.“ Das kann einen Künstler sehr einschränken und ich wollte diesem Projekt möglichst viel Freiraum einräumen, zwischen verschieden Sounds zu pendeln, sodass wir alles tun können, was uns in den Sinn kommt.
In einem Interview meintest du, dass es deine Absicht sei, integere Musik zu machen, die nicht einfach austauschbar sei. Inwiefern unterscheiden sich deine Songs von den Veröffentlichungen anderer Künstler?
Dan: Wir arbeiten mit unterschiedlichen Sounds, die auf verschiedene Instrumente, aber auch Produktionsweisen zurückzuführen sind. Das Herzstück besteht aber aus guten Popsongs, die, wie ich hoffe, eingängig und einprägsam sind. Die Menschen betrachten Popmusik als etwas Austauschbares oder Wegwerfbares, über das sich im Entstehungsprozess keine Gedanken gemacht wird.
Hoffentlich isolieren oder fordern unsere Songs nicht zu viel. Sie besitzen aber textliche Tiefe und wurden aufwendig produziert. Du scheinst sehr an Filmen interessiert und von ihnen inspiriert zu sein.
Worauf ist das zurückzuführen?
Dan: Schon als Kind war ich besessen von Filmen und wollte Filmregisseur werden.
Als Jugendlicher gefielen mir besonders die Filme von David Lynch – ‚Mulholland Drive‘, ‚Lost Highway‘, ‚Der Elefantenmensch‘ und die Fernsehserie ‚Twin Peaks‘. Zudem fand ich ‚Requiem for a Dream‘ unter der Regie von Darren Aronofsky super.
Ich hatte nie einen Lieblingsfilm, habe mich aber immer für außergewöhnliche Filme interessiert und wollte nach dem Studium auch Filmkritiker werden.
Inwiefern hat David Lynch Bastille auf musikalische und visuelle Weise beeinflusst?
Dan: Was ich an David Lynch so schätze, ist seine Fähigkeit, potenziell alltägliche Situationen mit einer unterschwelligen Dunkelheit zu projizieren und es einem damit etwas unbehaglich zu machen.
Ich weiß nicht, ob sich gewisse Lynch-Merkmale durch unsere Musik ziehen, aber visuell bin ich auf jeden Fall von ihm beeinflusst. Seine Darstellungen sind unglaublich, gerade durch diese düstere, besorgniserregende Seite. Ich hoffe, dass ich dies von ihm übernommen habe. Ich liebe seine Arbeit und versuche das wahrscheinlich überall etwas tollpatschig zu zitieren.
Wie kam es dazu, dass sich Yeasayer dem Remix von ‚Overjoyed‘ angenommen haben?
Dan: Das war der Moment, in dem ich überglücklich war, bei einer großen Plattenfirma unter Vertrag zu stehen. Ich fragte einfach jemandem vom Label: „Meinst du, es gibt irgendeine Möglichkeit, dass Yeasayer ‚Overjoyed‘ remixen würden?“ Meine Managerin schrieb ihnen einfach eine E-Mail und sie hatten Lust darauf. Ich liiiiiiiebe Yeasayer. Sie sind so gut.
Plant ihr immer noch, euer Album ‚Bad Blood‘ zu nennen?
Dan: Ich denke schon. Unsere neue Single heißt jedoch auch ‚Bad Blood‘.
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INTERVIEW: Ines Punessen // FOTOS: Katie Sara Anderson; Vanilla Collective.