Am 15. Dezember 2012 feierte egoFM Weihnachten im Muffatwerk. Mit am Start: Skip & Die. curt hatte zuvor die Gelegenheit, dem Produzenten Jori Collignon aus Amsterdam und der Künstlerin und Sängerin Cata Pirata aus Südafrika Löcher in den Bauch zu fragen.
Wie hat alles angefangen?
Jori: Direkt nachdem wir uns kennenlernten, kauften wir uns erstmal Tickets nach Südafrika. Wir wollten verschiedene Beats und Stile in der ganzen Welt sammeln, um die zu einer großen Kollage zusammenzufügen. Jeder Künstler sollte einen völlig anderen Hintergrund und Stil haben.
Cata: Trotzdem ist unser Album nicht vorrangig südafrikanisch. Unsere Musik erzählt Geschichten und darüber, wie wir uns in dieser Welt bewegen und wie wir die Welt sehen. Skip & Die ist eine Kollage von und mit uns selbst.
Was waren die bewegendsten Momente eurer Reise?
Cata: Das Aufregendste war, dass wir in ganz unterschiedlichen Kulturen, mit ganz unterschiedlichen Musikern zusammenarbeiten konnten. Es war einfach wunderbar!
Könnt ihr euch vorstellen, in Südafrika, zum Beispiel in Johannesburg, zu leben?
Cata: Ja, klar! Ich denke oft darüber nach zurückzugehen. Doch die Musikindustrie in Südafrika ist nicht groß genug. Ich kann mich dort nicht entwickeln. Das ist hauptsächlich der Grund, warum ich in Europa bin.
Ihr seid oft in England, vermutlich wegen der Musikindustrie?
Cata: Mit 18 lebte ich schon mal in London. Später habe ich in Devon visuelle Performance und zeitbezogene Medien, also Kunst, bis zum Master studiert.
Jori: Devon ist gerade das Gegenteil von London!
Cata: Ja, dort ist es sehr idyllisch. Ich lebte von einem Wald umgeben. Meine Uni war in einem Schloss. Ehrlich gesagt, mochte ich London überhaupt nicht, weil ich jeden Penny dafür ausgeben musste, um überleben zu können, und das war hart genug. Alles war immer hektisch und alle Leute waren grantig, der Himmel war grau – ich war nicht glücklich in London. Ich fühle mich in der Natur viel wohler.
Jori: Aber wir werden bald dorthin zurückgehen und werden dort eine fantastische Zeit haben! (lachen)
Amsterdam ist entspannter? Lebt ihr deshalb dort?
Cata: Wir haben uns in Amsterdam kennengelernt. Das ist unsere Basis. Von da aus konnten wir uns sehr gut entwickeln. Hier hat uns die Musikindustrie unterstützt. Wir konnten uns von Anfang an kreativ ausleben. Auch alle Bandmitglieder wohnen da.
Du wurdest in Südafrika geboren und deine Eltern sind Filmemacher?
Cata: Meine Mutter ist Produzentin, mein Vater ist Regisseur und schreibt Manuskripte. Die beiden haben bei vielen Dokumentarfilmen über afrikanische Stämme oder Rassentrennung unter dem Regime mitgewirkt. Mein Vater hat auch in Los Angeles an kommerziellen Filmen gearbeitet. Doch beide machen inzwischen wieder sozialkritische Filme.
Waren deine Eltern daran schuld, dass du Kunst studiert hast?
Cata: Sie waren sicherlich ausschlaggebend …
Jori: Sie haben dich in diese Welt entführt …
Cata: Ich diskutiere sehr viel über Kunst mit meinen Eltern, aber auch über alle möglichen anderen Themen. Sie sind neugierige Menschen und ich bin genauso.
Viele Musiker präsentieren ihre künstlerischen Arbeiten auf der Tour. Kannst du dir so was vorstellen?
Cata: Das mache ich doch bereits! Alles was „Skip & Die“ auszeichnet, ist von mir gestalten, ist meine Kunst. Wenn du unser Album kaufst, dann auch ein Stück von meiner Kunst.
Jori: Während Cata noch an ihrem Master arbeitete, hatten wir unseren ersten Auftritt in Cornwall. Sie verwandelte einen ganzen Raum in ein Kunststück. Wir haben in dieser Installation gespielt. Das war großartig! Wir werden auf jeden Fall weiterhin solche Bühnensets aufbauen, wenn die Tour und das Budget größer werden. (lacht)
Ihr hattet kürzlich in Paris Aktionen mit dem Modetempel Colette und dem „Mode, Kunst, Aktivismus“-Projekt namens Andrea Crews.
Cata: Wir lieben so etwas und wollen auf jeden Fall mehr davon. Im Oktober haben wir mit Andrea Crews ihr 10-jähriges Jubiläum gefeiert. Vielleicht werden wir zusammen eine Kollektion entwerfen!?
Was bedeutet eigentlich euer Name „Skip & Die“?
Cata: Zwei Extreme, wie Ying & Yang, die wir auch in uns tragen. Durchs Leben zu purzeln, ist wunderbar, doch irgendwann stirbst du. Ehrlich gesagt, war es ein Witz unter Freunden. Wir sagten immer: „When you skip the song, you’ll die!“
Jori: Uns gefiel der Kontrast, der in der Kombi der beiden Worte liegt.
Was bedeutet für euch der Tod?
Cata: Ich bin besessen vom Tod und seiner Konzeption. Es fasziniert mich, zu beobachten und zu analysieren, wie unterschiedliche Kulturen mit dem Tod umgehen. Einige begrüßen den Tod. Einige Religionen behaupten, es geht immer weiter und der Tod kann eine Chance oder ein Tor in die nächste Erfahrung sein. Ich finde es faszinierend, wie die Mexikaner den Tod feiern. Für mich ist der Tod ein Faszinosum mit einem gehörigen Schuss Mystizismus. Zwischen Leben und Tod ist ein sehr schmaler Pfad, denn es kann jederzeit, in jeder Sekunde zu Ende sein.
Was macht dann das Leben für euch aus?
Cata: Vermutlich ein ähnliches Konzept, mit dem Unterschied, dass wir das Leben permanent erfahren. Ich glaube, wir sollten das Bestmögliche daraus machen, denn der Tod lauert. (lacht)
Jori: Das Leben ist eine großartige Feier, eine große Party! Das klingt vielleicht missverständlich. Ich liebe die Vielfalt und die Zweideutigkeit des Lebens. Es ist einfach wundervoll!
Tiefschürfende Gedanken? Und dann der Totenkopf auf euerem Cover? Dabei macht ihr Partymusik und erhebt auch noch den Anspruch, politisch zu sein.
Cata: Das ist aber genau das, worauf es uns ankommt. Wir wollen weder nur gute, noch nur schlechte Zeiten aufzeigen. Wir wollen alles. Du kannst keine Party feiern, ohne politisch zu sein, denn allein der Akt ist schon politisch. Ich begrüße Konflikte, ich begrüße die unterschiedlichen Seiten im Leben. Konflikt ist für mich nichts Negatives.
Jori: Unsere Reise, die verschiedenen Musikstile auf unserem Album, nicht nur die Musik aus bestimmten Regionen wie Favelas … alles ist ein Gerangel, ist ein Klintsch. Leute wollen mit ihrer Musik Rechte durchsetzen, auf Missstände aufmerksam machen. Es schwingt immer ein Unterton mit. Und wenn sie nur davon singen, mit dem Arsch zu wackeln, dann wollen sie vielleicht nur von ihrer deprimierenden Situation ablenken. In unserer Musik kombinieren wir das alles. Dabei wollen wir nicht predigen. Es zeugt eher von unserer poetischen Sichtweise.
Klingt nach Tradition, nach Tango, Samba, Forró oder Hip-Hop …
Cata: Genau. Keine Trübsal, sondern die nächste Party um die Ecke. Auch wenn Krieg herrscht.
Was sind euere Möglichkeiten, neben der Musik etwas zu verändern?
Cata: Wir würden gerne andere Menschen unterstützen. Jori und ich haben in England Kinderworkshops über Musik, Kunst und über soziale Umbrüche gemacht. Das könnten wir ausbauen. Wir könnten unsere vielen Fähigkeiten mit anderen teilen …
Jori: Wir sind vor allem Künstler. Ich wünsche mir, den Leuten vor allem Weitblick und Offenheit zu bringen. Ich hoffe, wir können das ganz einfach mit unserer Musik erreichen.
Cata: Ich habe beobachtet, dass junge Frauen, die auf unseren Konzerten tanzen, sich irgendwie befreit geben. Das würde ich gerne unterstützen. Ich wünsche mir, dass sich junge Frauen in dieser Welt stark fühlen. Und ich habe den Eindruck, unsere Musik kann das aus ihnen herauskitzeln.
Habt ihr eine Message?
Jori: Das können wir, nachdem wir so viel erzählt haben, was wir neben der Musik machen, beim besten Willen nicht sagen. Es ist für uns selber immer wieder ein Abenteuer und eine Entdeckungsreise, weil wir immer auf der Suche nach dem Neuen sind.
Cata: Auf so einer Reise ist man immer offen für neue Herausforderungen und begrüßt jede Veränderung. Wir nehmen alle neuen Herausforderungen an und fürchten uns nicht vor der Veränderung.
Was erwartet uns dann auf euerer Tour?
Cata: Ihr werdet Muskeln in euerem Körper spüren, die ihr vorher noch nicht wahrgenommen habt! (lachen)
SKIP&DIE INFOS:
Album: Riots In The Jungle
Links: www.facebook.com/skipndie // skipndie.withtank.com
Text & Interview: Angela Sandweger