Seit 1985 ist Lisa Fitz mit Herzblut als politische Kabarettistin unterwegs, nimmt mit spitzer Zunge und klaren Worten Stellung zu brisanten Themen. In ihrem aktuellen Programm „Mut – Vom Hasen zum Löwen“ ruft sie nun zu mehr Schneid auf. curt verlost 3 x 2 Gästelistenplätze für ihren Auftritt am 26. September im Kleinen Theater Haar.
Ihr aktuelles Programm trägt den Titel „Mut – Vom Hasen zum Löwen“. Worum geht es darin?
Es geht um Mut, und zwar um jede Art von Mut, um politischen Mut, aber auch um Zivilcourage. Mut heißt ja immer, sich den eigenen Ängsten zu stellen. Das ist beim einen die Angst vor der Maus, beim anderen die Angst vor der Wirtschaftskrise, beim dritten die Angst vor Krankheit, das ist ja ganz unterschiedlich. Getrud Höhler hat gesagt: „Wo die Angst sitzt, geht’s lang.“ Oder wie die Amerikaner sagen: „Face the fear.“ Das heißt, man muss schauen, wovor man Angst hat, dem nachgehen und dann auch das machen, wovor man Angst hat, bevor man die Angst verlieren kann. Darum geht es im Groben.
Sie wirken immer extrem stark und souverän. Wann verlässt Sie denn mal der Mut und was hilft Ihnen dann?
Ich habe mir meinen Mut schon erarbeiten müssen. Ich war ein dünnes Gestell mit elf Jahren, mit Schnittlauchhaaren und hatte eine wunderschöne Mutter, gegen die ich überhaupt nicht angekommen bin. Meine Großmutter war noch stärker, und beide waren Bühnenweiber. Dann habe ich mir in der Pubertät erstmal den Mut angetrunken. Da habe ich allerdings schnell gemerkt, das ist die Flucht auf einem lahmen Pferd, das funktioniert nicht. Danach fängt man eben an, den Mut zu trainieren, indem man widerspricht und Dinge macht, für die man mutig sein muss. Dann nimmt der Mut auch zu – natürlich auch nicht zuletzt auf der Bühne. Am Anfang da bibbert man und schlottert man. Vor jeder Premiere hat man natürlich Angst, wenn 25 Din-A4-Seiten Text auswendig rüberkommen muss.
Ist das nach wie vor so, dass Sie Lampenfieber haben?
Das hat man immer, grad wenn der Text neu ist. Da braucht es etwa 30 Vorstellungen und es wirkt sehr erlösend, wenn die Leute lachen und man merkt, dass die Arbeit, die man sich gemacht hat, funktioniert. Und dann lässt die Anspannung ein bisschen nach. Inzwischen spiele ich mein aktuelles Programm schon seit einem Jahr, jetzt können sich die Leute drauf freuen, dass ich keine Angst mehr davor habe, sondern ganz auf die Zuschauer eingehen kann.
1985 haben Sie als erste Frau ein eigenständiges Kabarettprogramm präsentiert. Inzwischen sind Sie bei Nummer 13. Ich habe mir einige Rezensionen angesehen und mich gewundert, wie oft in den ersten Zeilen vom „Barbie-Dirndl“, „knallenger Lederhose“, „Lack-Peeptoes“ oder „pinken Stilettos“ die Rede war. Was empfinden Sie als Kabarettistin für Nachteile oder auch Vorteile gegenüber Ihren männlichen Kollegen?
Das ist eine gute Frage. Die Verkleidung ist ja auch immer Transportmittel. Zum Beispiel komme ich im ersten Teil im schwarzen Mantel raus und darunter steckt das Dirndl. Das Dirndl wird dann persifliert, also ich erzähle dann, dass es früher viel einfacher war, weil ich da immer im Dirndl aufgetreten bin. Da bin ich dann rausgekommen im Dirndl, sag nur „Juhu“, und alle schwenken den Masskrug, ein paar Bsoffene rufen „Ausziehen!“ und die Welt ist in Ordnung. Dann sag ich: „So einfach kann bayerische Unterhaltung sein. Das weiß Florian Silbereisen schon lang.“
So geht’s auch mit der engen Hose und den Schuhen, damit wird gespielt, das wird immer kommentiert. Mit dieser Weiblichkeit kann man natürlich spielen. Und das ist – um auf Ihre Frage einzugehen – der große Vorteil. Die Männer, also meine Kollegen, sind eigentlich sehr fantasielos: Die beschränken sich auf T-Shirt und Hose. Jetzt war ja der deutsche Mann noch nie so besonders sexy, also er tut nicht sehr viel dafür. Aber ich denke mir, ab und zu könnten sie schon mehr Fantasie zeigen bei der Kleidung. Aber dafür hat der Mann beim politischen Kabarett immer noch – oder neuerdings wieder – die Nase vorn, weil man sich nach wie vor von einer Frau ungern die Welt erklären lässt.
Ich finde es sehr bedauerlich, dass es so wenig weibliche Kabarettisten gibt. Liegt es an den Männern, die diesen Bereich dominieren und den Frauen keinen Raum geben, oder an den Frauen selbst, die sich das einfach nicht zutrauen?
Beides. Früher war es natürlich auch nicht besser, sondern da gab es noch viel weniger Kabarettistinnen. Aber Dieter Hildebrandt hat zum Beispiel bei seinem Scheibenwischer manchmal reine Frauensendungen gemacht. Und das war zum Teil auch ziemlich böse. Das heißt, die weibliche Sicht auf die Welt und die Politik ist ja auch wichtig. Jetzt ist es schon so, dass in den Redaktionen mit der Ausrede, es gäbe keine politischen Kabarettistinnen, die Frauen ausgebremst werden. Oder wenn sie geholt werden, haben sie irgendwelche Texte zu Babykrisen, Mutterdasein, Kinderernährung und Äußerlichkeiten. Mir fehlt wirklich – das ist auch ein Aufruf an meine Kolleginnen! – die politische und gesellschaftspolitische Stellungnahme von Frauen. Und natürlich auch die Redakteure, die den Frauen eine Plattform geben und sie auftreten lassen. Das geht ja Hand in Hand.
Letztes Mal waren beim „Satiregipfel“ zum ersten Mal zwei Frauen, aber davon abgesehen lief das jahrelang ohne eine einzige Frau. Und bei der „Anstalt“ genauso, da kommt manchmal noch Monika Gruber, aber nur ganz wenig. Oder wenn irgendwelche Kabarettpreise oder Kabarettfestivals sind, dann haben sie manchmal nur Männer. Ich stelle das erstmal fest. Die Gründe sind sicherlich, dass es nicht so viele Frauen in dem Bereich gibt, dass sie Angst haben, dass man sie aber auch von TV-Seite aus nicht ermuntert oder holt.
Es gibt ja in München verschiedene offene Bühnen, wo Nachwuchskabarettisten erste Erfahrung sammeln – und da sind im seltensten Fall Frauen dabei.
Es gab mal eine Umfrage, die mich erschreckt hat. Ich weiß nicht, ob sie stimmt, ich hoffe nicht. Da hieß es, 70 % der befragten Frauen haben kein Interesse an Politik. Das wäre natürlich eine Katastrophe, und so sieht die Politik ja auch aus. Wenn Sie zum Beispiel den Fernseher aufdrehen, haben Sie ab 10 Uhr abends nur noch Gewalt, irgendwelche Kriminalfilme, Männer, die sich gegenseitig umbringen. Sowas wie der französische Film, auch der böse österreichische Film oder der englische Film geht stark zurück, es gibt nur noch die Ami-Filme, in denen sich die Leute umbringen. Und das würden Frauen sicher nicht so machen oder sehen das nicht so gern, glaub ich.
Sie haben letztes Jahr die Erste Münchner Kabarettschule gegründet. An wen richtet die sich? Und wäre das nicht eine Möglichkeit für Frauen, die sich ans Kabarett wagen wollen?
Da sind tatsächlich schon immer Frauen dabei gewesen. Mein berühmtester Schüler war allerdings der bayerische Kunst- und Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch. Der hat von meiner Kabarettschule gehört und gesagt, er möchte wissen, wie die andere Seite aussieht, weil wir ja immer so herziehen über die Politiker. Jetzt wollte er selber mal mitmachen. Dann saß er wirklich zwei Tage lang im Kurs, hat mir sehr viel Respekt abgenötigt. Da hatte ich zum Beispiel Angst, ich kann doch nicht einen Minister unterrichten! – aber es war toll.
Aber es sind auch viele Frauen dabei. Ich hatte eine Dame, Mitte Fünfzig, die hat sich auch schon einen Künstlernamen rausgesucht, Cora Peters nennt sie sich, und will jetzt durchstarten und sucht Auftrittsmöglichkeiten. Die ist richtig motiviert. Vielleicht muss man den Frauen nur ein bisschen mehr Mut machen. Ich fänd es sehr wichtig, auch wenn es Konkurrenz für mich ist.
Mit solchen Institutionen, wie Sie jetzt eine geschaffen haben, wird das politische Kabarett am Leben gehalten. Wie ist es generell um seine Lage bestellt?
Auch wenn Kabarett oft nichts direkt bewirkt in der Politik, ist es doch ein Gegengewicht. Weil, wer ist sonst noch kritisch? Es gibt nur Partei und Opposition, den Rest der Bürger hört man ja nicht. Oft ist es doch so, dass man eine Meinung hat, aber sich nicht traut, die zu sagen. Wenn aber dann ein Kabarettist kommt und sagt das laut, dann fühlt man sich bestärkt in seiner Meinung. Mir geht’s auch so. Wenn Kollegen was aussprechen, was ich mir politisch nur gedacht habe, aber nicht sagen getraut habe, dann fühle ich mich auch bestärkt und dann habe ich mehr Kraft, gegen die Missstände anzutreten. Deswegen finde ich ganz wichtig, dass das Kabarett nicht vom Comedy-Boom völlig überrollt wird. Wobei man sagen muss, die Live-Szene blüht und gedeiht, die ist in ganz Deutschland sehr lebendig. Die treten überall auf, mit mehr oder weniger Zuschauern, das ist unterschiedlich. Man muss aber nicht immer Stadthallen füllen, um Leute zu unterhalten.
Wer die mittlerweile furchtlose Kabarettistin am 26. November live erleben will, schickt uns einfach eine E-Mail mit Betreff „Mut“ an willhaben@curt.de. Unsere Glücksfee greift dann beherzt in die Lostrommel und schenkt den glücklichen Gewinnern 3 x 2 Gästelistenplätze. Viel Glück!
Unsere Verlosung ist beendet, die Gewinner wurden informiert.
Herzlichen Dank an Lisa Fitz für das Gespräch.
Das Interview führte Claudia Pichler.