Zeit für die Kinder haben, eine Bombenkarriere vorweisen können und gleichzeitig noch eine aufregende Beziehung? Aber das sind ja gleich drei Wünsche auf einmal! Dass das manchmal wirklich nicht geht, zeigt der Film Eltern. Dort verzweifeln Konrad und Christine beim Versuch, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Warum er diesen Film gemacht hat und was er persönlich von dem Bild der modernen Familie hält, das hat uns Robert Thalheim im Interview erzählt.
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Wie bist du auf die Idee für den Film gekommen?
Ich fand dieses Gefühl ganz interessant bei meiner eigenen Elternzeit, wenn man da jeden Tag auf den Spielplatz geht. Auf der einen Seite ist es ein tolles Geschenk, jeden Tag Zeit mit seinen Kindern zu haben. Aber auf der anderen Seite merkt man auch schnell, es wird eintönig und man hat Angst, den beruflichen Anschluss zu verlieren. Und auch privat verkleinern sich die Kreise, die Nachrichten aus der Welt treten nur über den Partner zu einem. Und da habe ich mich gefragt: Wie ist das eigentlich, wenn das jetzt so bleibt? Wie sieht das dann in zehn Jahren aus? Ist man dann immer noch glücklich?
So richtig glücklich wirken Konrad und Christine nicht. Warum klappt das bei denen nicht?
Weil beide den Anspruch haben, sich beruflich zu verwirklichen, für die Kinder da zu sein und eine tolle Beziehung zu führen. Und damit überfordern sie sich in dem Moment. Und wie so oft, wenn etwas nicht funktioniert, kommen dann die wahren Probleme zum Vorschein. Bei Konrad der Frust, dass er die ganze Zeit zu Hause gesessen hat mit den Kindern, während sie Karriere gemacht hat. Und bei Christine ist es der Frust, dass sie durch ihre Karriere den Kontakt zu ihren Kindern verloren hat. Beide waren also unglücklich in dem System.
Mit Eltern sprichst du bestimmt vielen jungen Eltern aus der Seele. Wie geht man als Regisseur vor, wenn man mit einem Film so authentisch sein will?
Dafür braucht man vor allem Zeit und eine genaue Arbeit mit den Schauspielern. Wir haben das Geld für den Film nicht in spektakuläre Kranfahrten oder technischen Schickschnack gesteckt, sondern dafür ausgegeben, Zeit mit den Schauspielern zu haben und mit ihnen die gemeinsamen Situationen zu erarbeiten. Das ist auch schon eine Sorgfaltsaufgabe beim Casting, dass man die Darsteller der Kinder sehr sehr lange auswählt, damit das so glaubhaft rüberkommt. Das wirkt im Ergebnis vielleicht leicht, ist aber ganz schwer zu erreichen.
Wie viel Zeit habt ihr euch denn für den Film genommen?
Wir hatten jetzt 33 Drehtage. Im Moment drehe ich einen „Polizeiruf“, da hat man ein Drittel weniger Zeit. Es ist aber nicht nur die Drehzeit an sich, sondern auch die Zeit, die man sich vorher nimmt, um die Schauspieler auszuwählen, mit den Schauspielern zu proben. Bei einem Fernsehfilm ist das so ja gar nicht möglich.
Und dann kommt auch noch Zeit fürs Drehbuch dazu. Da hast du ja selbst mitgeschrieben.
Genau, auch das hat gedauert. Uns war es beim Schreiben nämlich wichtig, Situationen zu finden, die authentisch sind. Natürlich sind die in „Eltern“ auch zugespitzt und es ist ja auch ein lustiger Film und nicht nur naturalistisch. Es sind trotzdem ganz tolle Situationen, die aus dem Leben gegriffen sind. Das merkt man auch als Zuschauer, dass es kein ganz ausgedachter Plot war, sondern er setzt sich eher aus Situationen des alltäglichen Lebens zusammen.
Sind Konrad und Christine mit ihren Problemen also symptomatisch für die Gesellschaft?
Ich glaube schon, dass wir in der Gesellschaft so ein Idealbild von neuen modernen Familien haben, wo der Vater auch jede Phase des Kindes mitbegleitet, wo die Frau genauso studiert und Karriere macht. Das ist ein riesiger Anspruch, der in der Praxis gar nicht so leicht zu bewerkstelligen ist. Viele tausend Jahre war das System so, der Mann geht da raus und die Frau bleibt zu Hause. Und so einfach ist das nicht, das zu ändern, sowohl innerpsychologisch als auch gesellschaftlich. Das sieht man auch an den vielen Kinderzeitschriften und Foren, die überall hochploppen, dass wir damit noch ringen, ein System zu finden.
Glaubst du, dass wir so ein System überhaupt finden können?
Ich glaube, es ist eine Illusion mit unserer Konstellation von Kleinfamilie voller Berufstätigkeit, immer für die Kinder da zu sein und auf Augenhöhe zu erziehen und auch noch eine aufregende Beziehung zu führen, das ist zu viel. Das werden wir nie erfüllen können. Wir werden aber natürlich Teile davon schaffen, wenn wir offen mit den Problemen umgehen und auch zugeben, dass das manchmal schwierig ist. Das muss dahinführen, dass man manchmal selbst auch zurücksteckt. Dass man zum Beispiel nicht innerhalb von drei Jahren die allerfetteste Karriere macht. Dafür habe ich dann in der wichtigsten Phase einen Kontakt zu meinen Kindern.
Sind wir dafür einfach zu egoistisch geworden?
Klar ist es ein gesellschaftliches Ziel, dass man sich selbst verwirklicht. Das klingt ja auch erst mal positiv. Es ist aber natürlich gleichzeitig etwas Egoistisches. Ich würde das aber nicht sofort bewerten oder als negativ abqualifizieren. Dass eine Frau genauso das Recht hat, beruflich Karriere zu machen und da egoistisch ist, ist ja gut und total richtig. Insofern muss es eine Balance geben, zwischen dem Egoismus und dem Familienwert.
Und genau diese Balance ist natürlich schwierig. Welchen Rat würdest du Leuten geben, die jetzt ihr erstes Kind erwarten?
Kinder sind etwas Großartiges! Man muss sich aber darüber im Klaren ein, dass sie das Leben verändern und man für jemanden verantwortlich ist, bis zum Ende seines Lebens. Und dass Surfen und Trekking in Australien erst mal ein bisschen weniger wird. Weil das wird einem ja ein bisschen suggeriert: Mit Kindern, das ist Lifestyle. Mit Kindern ist das alles irgendwie schick. Aber das ist halt nicht die Wahrheit. Kinder bedeuten, dass man erstmal einen stabileren Alltag braucht. Dass man auf einmal auch viel Zeit mit reproduktivem Arbeiten verbringt, zum Beispiel eine Küche wischen, damit sie eine halbe Stunde später schon wieder dreckig sein kann und man sie wieder wischen muss.
Nicht jeder wird das wollen. Du hast in dem Film auch die Rolle der Isabel eingebaut, die sich am Ende gegen Kinder und für eine Abtreibung entscheidet. Keine Angst vor wütenden Protesten?
Nee, überhaupt nicht, denn so war es auch gemeint. Natürlich ist es toll mit Kindern, aber es ist am Ende eine individuelle Entscheidung zu sagen: Im Moment geht das nicht, ich bin mir selbst erstmal wichtiger. Ich finde, das ist eine absolut legitime Entscheidung, die eine Frau treffen darf und treffen können muss.
Du hast vorhin den „Polizeiruf“ erwähnt. Was steht sonst noch in der nächsten Zeit bei dir an?
Sobald der abgedreht ist, bereite ich meinen nächsten Kinofilm vor. Der heißt „Kundschafter“ und ist eine Komödie, wo es um ausrangierte Ostagenten geht, die jetzt aber noch mal ranmüssen, um die Welt zu retten. Der soll dann planmäßig im Frühjahr 2015 ins Kino kommen.
Das Interview führte Oliver Armknecht.