Rudi (Karsten Jaskiewicz), Hannes (Benjamin Schroeder) und Franz (Sebastian Fräsdorf)

Im Kino: Bruder Schwester Herz

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Rinderzucht hat in ihrer Familie Tradition. Und so steht es auch völlig außer Frage, dass Franz (Sebastian Fräsdorf) und Lilly (Karin Hanczewski)  diese Tradition fortführen, jetzt wo ihr Vater ein Pflegefall ist. Während Franz aber gern alles so belassen würde, wie es immer war, hat Lilly andere Vorstellungen, was sie mit dem Hof machen können. Und überhaupt: Hat das Leben nicht auch mehr zu bieten? Als sie auf einem Fest Chris (Godehard Giese) kennenlernt, der dort mit seiner Band auftritt, ist das für sie auch ein Ticket raus aus dem Trott. Mehr sehen, mehr erleben, sich selbst verwirklichen. Für Franz ist diese Veränderung jedoch nur sehr schwer zu akzeptieren, zumal er seine Schwester nicht einfach so gehen lassen will …

Das Bild der Großfamilie ist in Deutschland zu einer absoluten Ausnahme geworden, die Zahl der Geschwister nimmt immer mehr ab, so wie allgemein familiale Bande an Bedeutung verloren haben. Auch deshalb ist „Bruder Schwester Herz“ ein irgendwie sonderbarer Film, der so völlig aus der Zeit gefallen zu sein scheint. Denn wie der Titel bereits verrät, geht es hier um eine Beziehung zwischen einem Bruder und einer Schwester, die über das hinausgeht, was wir von anderen Filmen oder auch unserem Leben kennen. Und doch gibt es deutliche Differenzen. Wo er von dem Farmleben träumt und sich gar nichts anderes vorstellen kann, da ist sie eher eine Gefangene der Traditionen und Erwartungen. Auch wenn ihr das vorher wohl nicht so ganz bewusst war.

„Bruder Schwester Herz“ ist deshalb auch die Geschichte einer doppelten Loslösung. Lilly muss lernen, aus dem Schatten der Familie herauszutreten und sich selbst zu finden. Sie muss aber auch lernen, von ihrem Bruder wegzukommen, der so gar nicht einsehen möchte, dass sich da etwas ändert. Der einen mit seinem Verhalten auch irgendwie überfordert. Ist das nun lustig, wenn er wie ein kleines Kind reagiert, wenn sie Schwester einen Freund hat und weg will? Ist es befremdlich? Oder ist es doch traurig? Der Film lässt das irgendwie offen, so wie eine Zuordnung zum Genre ziemlich schwierig ist, irgendwo zwischen Drama und Komödie angesiedelt ist, ohne sich klar für eine von beiden Seiten zu bekennen.

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Ebenso lässt Regisseur und Drehbuchautor Tom Sommerlatte es offen, wie er selbst die Sache bewertet. Dass eine derart innige Beziehung jenseits der 30 ungewöhnlich, das ist klar. Aber ist sie damit auch verkehrt? Denn irgendwo hat es auch etwas Rührendes, wie die beiden aneinander festhalten und so tun, als wären sie immer noch kleine Kinder. Als wären sie noch die Cowboys, als die sie auf den Bildern zu sehen sind. Denn auch im Erwachsenenalter wirken sie so, als wären sie eher im Wilden Westen zu Hause oder einer TV-Serie von anno dazumal. Wären da nicht hin und wieder die Autos, die auf der nahegelegenen Straße durchs Bild huschten, man wäre sich nicht einmal sicher, ob wir überhaupt im hier und jetzt sind.

Einerseits ist das schön. „Bruder Schwester Herz“ erzeugt eine irgendwie wohlige, nostalgische, ein bisschen idyllische Atmosphäre. Ein Paradies, in dem es dennoch auch rumort. Ein Paradies, das deshalb aber auch nicht so ganz zu greifen ist und nie ganz real wirkt. Der Film erzählt vom späten Erwachsenwerden, von alten Träumen und neuen Herausforderungen. Er wird dabei aber nie wirklich zwingend, nicht ergreifend. Das Geschehen schwankt zwischen banalem Alltag und kuriosen Ausbrüchen und zeigt uns dabei eine in sich geschlossene Welt, in die man von außen kaum hineinkommt – weder als Partner noch als Zuschauer.

Fazit: In „Bruder Schwester Herz“ müssen zwei Geschwister, die immer ein besonders inniges Verhältnis hatten, langsam erwachsen werden und ihre Unterschiede begreifen. Das ist mal komisch, aber auch tragisch, im einen Moment banal, danach wieder kurios oder auch rührend, ohne dass man wirklich schlau daraus würde, was hiermit anzufangen ist.

Wertung: 7 von 10

Regie: Tom Sommerlatte; Darsteller: Sebastian Fräsdorf, Karin Hanczewski, Wolfgang Packhäuser, Jenny Schily, Godehard Giese; Kinostart: 10. Oktober 2019