Im Gespräch: Iron & Wine

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Der US-amerikanische Singer/Songwriter Sam Beam gehört unter dem Namen Iron & Wine seit nunmehr 15 Jahren zur Haute Couture in Sachen Indie Folk. Was im Jahre 2002 mit The Creek Drank The Cradle begann, führt ihn Jahre später zurück zu seinen Wurzeln. Gereift, ein wenig gealtert und um etliche musikalische Erfahrungen reicher, präsentiert er auf seinem neuesten Album Beast Epic sagenhaft ruhige Songs und vorsichtige Arrangements.

Und genau so präsentierten sich auch der zottelige Mann aus South Carolina und seine Backing-Band letzten Donnerstag in einer nahezu vollen Muffathalle. Bestuhlt war es ein Abend der etwas anderen Art, doch nachdem uns die New Yorkerin Half Waif mit einer sphärischen Mischung aus Portishead und einer etwas zugänglicheren Björk sonisch einbalsamierte, bescheren uns Iron & Wine einen Liederabend voller Zuckerwatten-Indie Folk, nachdenklichen Meditationen und immenser Dankbarkeit darüber, dass Sprachbarrieren hier keinen Platz haben. Mehrmals entschuldigen sich die Musiker unter einer Ambilight-Wolkendecke stehend, die im richtigen Licht mal an schwebende Chicken Nuggets, mal an übergroße Gehirne sicherlich unfreiwillig erinnerte, kein Deutsch sprechen zu können. Iron & Wine spielten das Publikum selig, während man sich ein derart meditatives Lichtkonzept durchaus gern in die eigenen vier Wände wünscht.

Bevor es auf die Bühne ging, traf sich Sam Beam mit unseren beiden Redakteuren Amelie und Tim auf einen entspannten Plausch über 15 Jahre Iron & Wine, sein „Beast Epic“ und ganz viel Leidenschaft zur Musik.

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Sam, herzlichen Dank für Deine Zeit und verspätete Glückwünsche zu Deinem neuen Album welches Du heute Abend live präsentieren wirst. Es ist diesmal eine ganze Ecke minimalistischer und erinnert sehr an Deine frühesten Alben. Wie gehst Du ans Songschreiben heran? Lässt Du dich von der Musik leiten oder sind es erst die Texte, die entstehen?

Vielen Dank, dass ihr hier seid! Ja es ist tatsächlich so, dass ich mich erst an die Musik mache. Auf der anderen Seite schreibe ich die ganze Zeit und manches wird auch mal zu einem Gedicht. Das hat seinen ganz eigenen Rhythmus. Aber bei einem Song gibt dir die Melodie vor, wie es weitergehen wird. Melodien haben ihre ganz eigene Tragweite, falls das überhaupt Sinn macht. Und manchmal spielt man dagegen an, für die Ironie. Aber manchmal freut man sich auch über die Resonanz. Meistens fängt jedoch alles damit an, dass ich irgendwie herumspiele, etwas vor mich hin nuschele. Meistens irgendeinen Nonsens, manchmal bleibt aber ein Wort hängen und dann mache ich mich an die Architektur.

Gibt es ein bestimmtes Instrument mit dem Du mit Vorliebe schreibst?

Zurzeit ist es wirklich wieder die Gitarre. Für eine ganze Weile war es aber das Klavier. Insofern ist es ganz schön wieder die 6-Saiten zu entdecken. Für „Beast Epic“ habe ich das auf jeden Fall getan.

So pur der Sound auf „Beast Epic“, so pur war auch der Songwriting Prozess?

Die Songs sind definitiv auf diese Art und Weise geboren. Aus kleinen, leisen Gitarren-Miniaturen heraus. Und es hat Sinn für mich gemacht, die Arbeit um Studio auf die gleiche Weise anzugehen. Das war nichts wonach explizit gefragt wurde, aber das Thema des Albums hat sich hierfür einfach angeboten.

Das Album wagt eine Rückschau auf Deine frühen Tage als Künstler und erinnert viele an Deine ersten Songs. War das eine bewusste Entscheidung?

Das war bestimmt keine bewusste Entscheidung. Wie gesagt, diese Songs boten sich einfach an, sie reduzierter auftreten zu lassen. Aber auch die Arbeit mit Ben Birdwell hatte großen Einfluss, da ich hiermit sehr zufrieden war. Das Leise. Das Akustische. Aber auch die Platte mit Jess ist dem Sound auf „Beast Epic“ sehr ähnlich. Es ging mir in der Tat um Fortschritt. Nur anstatt vorwärts zu laufen, bin ich imKreis gegangen.

Du blickst auf eine Zeit zurück, die auch voller Rückschläge war, emotional wie beruflich. Du warst ein junger Künstler voller Elan, der aber mit vielen unterschiedlichen Gefühlen klar zu kommen hatte. Welche Lektionen hast Du gelernt?

Oh ja, man lernt viel. Allein wie man zu leben hat, denke ich. (lacht). Es geht darum, das Leben zu erleben, Liebe zu finden und Dinge zu erfahren. Vieles davon will man, manches davon nicht. Herauszufinden was funktioniert und was nicht, ist sehr spannend. Von den Themen her hat sich aber ehrlich gesagt nicht viel zu meinen Anfangstagen verändert. Doch jetzt wo ich ein gutes Stück weitergekommen bin, nimmt man eine andere Perspektive auf die Dinge ein. Und man wird sich über die Konsequenzen seines Handels bewusster. Ich meine, Du willst bestimmte Dinge und versuchst es immer wieder diese zu bekommen, wirst verletzt oder bekommst sie am Ende sogar tatsächlich. Nur manchmal stellst Du auch fest, dass das gar nicht so erstrebenswert war. Und es gibt zudem viele Dinge, die ich noch nicht ausprobiert habe, damals wie heute.

Ist es für Dich einfacher geworden Songs zu schreiben und Alben aufzunehmen?

Nicht wirklich. Einiges hat sich zwar verändert, aber ich muss sagen, ich mag Musik mehr denn je. Ich weiß vor allem Spontanität mehr zu schätzen als früher. Das einzige womit man sich beschäftigt, ist dass man gegen seine Diskographie arbeitet. Selbstverständlich will man sich nicht wiederholen, aber ich versuche es mal so zusehen: Cézanne hat viele Orangen und Aprikosen gemalt. Und ich meine viele. Und irgendwann realisiert man, das man immer über dieselben Dinge spricht. Aber das ist okay, denn Du tust es jetzt, heute, in diesem Moment. Du bringst also all das mit, was Du über die Jahre gelernt hast oder auch nur eine kleine Lektion von gestern. Es wird also immer etwas anders sein. Das ist der Punkt an dem ich mich zurücklehne, relaxe und versuche all das zu genießen. Und hey, es macht Spaß!

Wie hältst Du Iron & Wine für Dich spannend? Was macht Dir gerade am meisten Spaß?

Diese Band hier macht verdammt viel Spaß! Sie sind alle klassische oder Jazz-Musiker und haben eine Menge Power, wenn es um die Instrumentierung geht. Wir ändern vieles ab oder schreibe um, was mich sehr inspiriert. Wie gesagt, Spontanität ist für mich zu einem großen Antrieb geworden in den letzten Jahren.

Wir sind gespannt, was wir davon heute auf der Bühne zu sehen kriegen. Warum sollte man sich eigentlich Iron & Wine anhören? Derzeit gibt es so viele Singer-Songwriter und Folk-Musiker. Was macht Deine Musik aus?

Das musst Du mir sagen, ihr habt sicher einen Haufen anderer Dinge zu tun. (lacht) Ich denke das, was ich tue kommt aus mir selbst heraus und bringt dadurch ein gewisses Einstellungsmerkmal mit. Aber man wird nicht behaupten können, dass meine Musik besser als die eines anderen ähnlichen Künstlers ist. Kunst ist ja doch sehr subjektiv und kein mathematisches Problem. Jeder genießt andere Dinge, aber ich liebe einfach das, was ich tue.

Hast Du bereits Ideen für einen Nachfolger zu „Beast Epic“? Ist das schon ein Thema im Moment?

Ich gehe in der Tat nächsten Monat ins Studio. Es sind wirklich einige gute Dinge nicht rechtzeitig fertig geworden und ich würde die sehr gerne zu einem schönen Paket schnüren, was irgendwann im nächsten Jahr erscheinen könnte. Noch dazu macht es mir sehr viel Spaß mit Streichern zu spielen, aber ich weiß es noch nicht. Ich habe auch erst kürzlich mit Joey und John von Calexico gesprochen, also ergibt sich hier vielleicht auch etwas. Wenn, wird das aber noch eine Weile dauern.

Das klingt sehr gut. Also können wir vielleicht etwas wirklich „Episches“ erwarten.

Vielleicht, vielleicht.

Du released wieder über Sub Pop Records, nachdem Du zu Warner gegangen bist. Nun sind alle wieder in einem Boot. Wie fühlt es sich an auf so einem legendären Label zu sein, bei dem auch Songwriter wie Father John Misty große Erfolge feiern?

Das ist ein Haufen Irrer und es macht Spaß! Ich habe ja wirklich lange mit ihnen gearbeitet, insofern fühlte es sich wie eine Rückkehr in den Kreis der Familie an. Das war super! Aber auch die anderen Labels waren sehr gut zu mir. Da arbeiten eine Menge Leute sehr hart. Allerdings hat mir nie jemand etwas vorgeschrieben. Meistens habe ich ein Album vorgelegt und es hieß: „Was, Du hast was aufgenommen?“ Insofern weiß ich nicht, ob ich die verfügbaren Ressourcen so gut ausgenutzt habe, wie ich es hätte tun können. Aber ich bin auch nicht gegangen, weil etwas nicht stimme. Ich bin zu Sub Pop zurück, weil ich das kleine Team vermisst habe und einen Ort wo Du jeden kennst. Kleine Teams liegen mir einfach.

Gerade Dein Album „The Sheperd’s Dog“ liegt hier sehr prominent auf dem Merch-Table, dabei ist es schon gute zehn Jahre alt. Es kam raus als klar wurde, dass George W. Bush zum zweiten Mal zum US-Präsidenten gewählt wurde. Damals warst Du schon angefressen, doch heute hat sich alles nur verschlimmert, wie es scheint. Wie fühlt sich das an?

Es war ja kein politisches Album in dem Sinne, sondern es ging um mich und meine Reaktion darauf, älter und erwachsene zu werden. Damals dachten wir alle, er wird verlieren und ich habe die Leute um mich herum nicht verstanden, die ihn wiedergewählt haben. Aber natürlich hat mich der neue Präsident auch wieder daran erinnert, dass man für das, was man will, auch kämpfen muss. Es wird einem nicht einfach so zugetragen oder ergibt sich von selbst. Auf dem Album damals gab es viel Interpretations-Spielraum, wie bei jeder Message. Man konnte viel reinlesen, manches positiv, manches negativ.  Zu dieser Zeit war mir nicht immer klar, was um mich herum geschieht. Aber ja, das Pendel schwingt auch heute. Vielleicht schreibe ich doch noch mal ein politisches Album. Mal sehen … (lacht)

Mark Lanegan wurde vor wenigen Monaten gefragt, wie es sich für ihn anfühlt, in Europa auf Tour zu sein. Seine Antwort klang sehr ernüchternd, als er sagte, es wäre bei weitem keine derartige Shitshow, wie in den Staaten. Wie erlebst Du das und fragst Du dich auch manchmal, wie gerade nicht-englischsprachige Fans mit Deinen Songs umgehen?

Ohja, das frage ich mich in der Tat schon eine ganze Weile! Ich für meinen Teil konzentriere mich immer sehr auf die Musik. Meine Songs bestehen aber durchaus aus vielen Worten, was mir besonders hier bewusst wird. Ich frage mich oft, was die Leute hier an meinen Songs mögen, denn eigentlich bin das ja nur ich, der konstant am Quasseln ist. Auf der anderen Seite gibt es  wunderbare brasilianische Musik, die ich liebe. Und glaub mir, ich habe keine Ahnung worüber die so singen. Aber auch afrikanische Musik… Wahnsinn! Vielleicht geht es auch gar nicht um die Worte. Menschen auf der ganzen Welt lieben Kunst und am Ende ist es einfach ein kultureller Händedruck. Das Publikum ist jedenfalls großartig hier drüben, sehr freundlich und erhebend.

Worauf freust Du Dich heute am meisten?

Ich hab große Lust in München zu spielen, freue mich aber auch sehr auf Prag. Dort war ich noch nie und bin sehr gespannt. Aber hey, ich liebe es, Musik zu spielen und dann ist es eigentlich egal, ob ich das daheim, in Deutschland oder anderswo tue. Das ist ja das Schöne an meinem Job. (lacht)

Immerhin ist es heute ein der wenigen bestuhlten Shows, die wir sehen. War Dir das wichtig?

Gar nicht, aber ich mag ein wenig Exklusivität. Aber vor allem, wenn das Publikum sitzt, muss ich mir keine Sorgen machen, dass sich die Leute die Beine in den Bauch stehen.

Ist Dir schon einmal jemand eingeschlafen?

Ohja, ständig! Aber das ist ja auch verständlich, gerade bei meinen Solo-Shows. Da stehe ich und spiele für eineinhalb Stunden diese ruhige Musik, die Leute sind vielleicht betrunken und pennen dann natürlich ein. Ich erwarte physikalisch schon viel von den Leuten. (lacht) Aber wenn die Leute sitzen, habe ich kein schlechtes Gewissen mehr und auch nicht den Druck, sie zum Tanzen zu bewegen.

Kannst Du eigentlich auch ihre Gesichter sehen? Ist das nicht komisch, die Reaktionen sofort zu sehen?

Manchmal ja, manchmal nein. Es kommt immer auf das Licht an. Ab und zu fokussiere ich auch mal jemanden. Manche gucken auch weg, wenn man sie ansieht, andere lachen. So lange man mir nicht den Finger zeigt, ist denke ich alles okay. Aber das kommt auch mal vor. Mal sehen, was heute passiert.e (lacht)


Iron & Wine > Homepage // Beast Epic // Sub Pop Records // VÖ: 25. August 2018

Das Interview führten Amelie Arbenz & Tim Brügmann > Homepage