Im Gespräch: Die „Resi-Freunde“

///

curt-Redaktuerin Claudia Pichler traf sich mit Marissa Biebl und Lena Kettner vom Förderverein „Freunde des Bayerischen Staatsschauspiels“ zum Interview.


Imposant ist es, das Residenztheater, das Staatsschauspiel, zwischen Residenz und Nationaltheater mitten im Herzen Münchens gelegen. So ein prächtiges Äußeres könnte auch abschrecken, doch die Türen vom „Resi“ stehen allen offen. Besonders unter der neuen Intendanz von Andreas Beck, der seit Herbst dieses Jahres das Theater leitet und vom Theaterhaus Basel mit vielen Ideen und noch mehr Neugier nach München gekommen ist. So ein Start ist natürlich viel leichter mit guten Freunden an der Seite. Die hat das Resi zum Glück. Seit eineinhalb Jahren leiten Marissa Biebl (50) und ihre Stellvertreterin Lena Kettner (34) den Förderverein „Freunde des Bayerischen Staatsschauspiels“ mit viel Engagement, Energie und Freude. Genauso enthusiastisch und herzlich begleiten sie jetzt die neue Intendanz – und das Ganze ehrenamtlich.

Marissa Biebl war im Bereich Kinder- und Jugendarbeit tätig, als sie vor zehn Jahren zum Verein gekommen war, um dort das „Junge Resi“ für Kinder von 6–14 Jahren auszubauen. Als ihr Vorgänger, Stefan Meissner, vorzeitig als Vorsitzender zurücktreten wollte, überlegt sie kurz, stellte sich ein Team zusammen und leitet nun seit Mai 2018 den Verein. Zu diesem Team gehört auch Lena Kettner, Vollzeit beschäftigt bei einem Filmverleih, nebenher bloggt sie als „Kulturflüsterin“ und engagiert sich seit 2013 für das Residenztheater vor allem im Bereich Marketing und Presse.

Thema Ehrenamt: Es ist das eine, ob man gern ins Theater geht und sich dafür begeistert oder ob man den recht großen Schritt weitergeht und sich ehrenamtlich in einem Verein dafür engagiert. Ihr seid die Vorsitzende und die stellvertretende Vorsitzende der Resi-Freunde. Der Arbeitsumfang ist da sicher nicht zu verachten.
Marissa: Also bei mir artet das wirklich phasenweise in einen Halbtagsjob aus. Einmal im Jahr vergeben wir unseren Theaterpreis, den Kurt-Meisel-Preis, und dafür arbeite ich dann sechs Wochen toujours. Dieses große Engagement für die Freunde des Residenztheaters bringe ich sehr gerne auf. Ich kann das, denn ich habe das Glück, dass ich nicht arbeite. Wenn man jedoch wie Lena voll berufstätig ist, wird es sehr schwierig, sich nebenher ehrenamtlich zu engagieren.
Lena: Die ganze Kommunikation mit dem Theater wäre nicht möglich, wenn Marissa nicht so ansprechbar wäre.

… weil du zu den Bürozeiten vollzeit arbeitest.
Lena: Genau, das ist das Problem. Es ist nicht leicht, sich neben der Arbeit noch zu engagieren. Ich kenne in meinem Bekanntenkreis schon Leute, die ein Ehrenamt machen, aber eher phasenweise. Über eine längere Zeit hinweg und vor allem über Jahre sehe ich in meinem Alter wenige. Das hat natürlich mit der Tatsache zu tun, dass man Kinder kriegt oder in anderen Lebensumständen ist – da muss das Ehrenamt dann verständlicherweise hinten anstehen.

Den Verein gibt es seit 1976, mit euch wird er nun erstmalig von zwei Frauen geführt. Ist das ein Thema für euch oder für den Verein?
Marissa: Für mich selbst spielt das keine große Rolle. Im Verein jedoch hat die Tatsache, dass es mit mir nun erstmalig nach über 40 Jahren eine weibliche Vorsitzende gibt, durchaus Beachtung und Erwähnung gefunden – aber absolut nicht im negativen Sinne. Vielleicht tut man sich als Frau in meiner Position in mancher Hinsicht sogar etwas leichter.

In welcher?
Marissa: Ich glaube, dass ich gerade unsere männlichen Vorstands- und Kuratoriumsmitglieder ganz gut durch meinen Charme überzeugen kann. Wenn Männer aufeinandertreffen, beobachte ich oft, dass sie erst einmal im übertragenen Sinne ihre Muskeln spielen lassen. Für mich hingegen hat Führungsstärke nichts mit einem übersteigerten Machtbewusstsein zu tun. Ich arbeite gerne teamorientiert, bin aber gleichzeitig durchsetzungsstark und entscheidungsfreudig.
Lena: Uns geht es wirklich sehr um die Sache und weniger darum, uns persönlich in den Vordergrund zu stellen. Wir wollen durch unsere Arbeit vor allem vermitteln, wie sehr wir das Haus und sein Ensemble schätzen. Und dafür sind wir bereit, sehr viel zu leisten, Kompromisse einzugehen und viel miteinander zu diskutieren. Marissa und ich verstehen uns, glaube ich, so gut, weil keine anderen Eitelkeiten im Raum stehen.

Das neue Ensemble des Residenztheaters. Foto: Lena Kettner


Welche Vorteile hat man als „Resi-Freund“?

Marissa: Man ist näher dran am Theater. Es gibt 20 Prozent Ermäßigung auf die Theaterkarten ab sieben Tage vor der Vorstellung und wir organisieren im Jahr bis zu zwanzig Veranstaltungen für die Mitglieder unseres Freundeskreises – zum Beispiel spannende Hintergrundgespräche, Treffen mit dem Ensemble, Führungen hinter die Kulissen oder auch Kulturreisen, wo man sich untereinander besser kennenlernt. Diejenigen Freunde, die mit uns auf Reisen gehen, wissen unsere Arbeit sehr zu schätzen, weil sie sehen, wie viel Zeit wir in die Vorbereitung, die Begleitung und die Nachbereitung dieser Tage investieren.

Das Residenztheater ist ein staatliches, subventioniertes Haus. Die finanzielle Unterstützung allein ist also wahrscheinlich nicht euer einziges Anliegen. Was sind die Ziele der Freunde?
Marissa: Wir sind zunächst einmal – und das ist uns sehr wichtig zu betonen – ein Förderverein. Das heißt, wir wollen laufendend neue Mitglieder dazugewinnen. Jede Kündigung ist daher eine große Enttäuschung für mich.

Wie viele Mitglieder habt ihr?
Marissa: Wir haben im Moment 520 Mitglieder, was super ist. Viele Leute waren sehr neugierig auf die neue Intendanz und das neue Ensemble – dieses Interesse hat sich auch bei uns in Form steigender Mitgliederzahlen niedergeschlagen. Seit dem Beginn meiner Zeit als Vereinsvorsitzende waren wir aber auch durchgehend aktiv in Sachen Mitgliederwerbung und können jetzt erstmals die Früchte unserer Arbeit ernten.
Lena: Man möchte es nicht glauben, aber es gibt auch an einem Staatstheater immer außergewöhnliche Inszenierungen, die nicht ohne zusätzliche Förderung stattfinden könnten. Die Inszenierungen, die im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Weltbühne“ – ein tolles Format für außereuropäische, zeitgenössische Dramatik – stattgefunden haben, konnten nur dank unserer finanziellen Unterstützung stattfinden. Ich finde es wichtig, dass wir ein verlässlicher Partner für das Theater sind. Es geht nicht darum, dass man jede Inszenierung liebt, sondern dass man ein Haus langfristig unterstützt. Das bedeutet für mich jedoch nicht, in irgendeiner Art und Weise in künstlerische Prozesse einzugreifen.
Marissa: Die künstlerische Unabhängigkeit war für uns immer eine wichtige Maxime. Die Politik darf und soll sich ja auch nicht einmischen, wenn es um das Programm des Theaters geht. Uns als Verein verbindet quasi eine bedingungslose Freundschaft mit dem Residenztheater.

Bedingungslose Liebe?
Marissa: Ohne dass wir immer zu allem Ja und Amen sagen und alles immer toll finden. Unter der neuen Intendanz ist es mir schon ein paar Mal passiert, dass ich gefragt wurde, wie mir eine Inszenierung ganz persönlich gefallen hat. Es ist sehr schön, dass wir unter dieser neuen Intendanz das Gefühl bekommen, ein sehr wichtiger Ansprechpartner für das Theater zu sein.

Lena Kettner


Welche Ziele habt ihr noch?

Marissa: Wir sammeln auch Geld für unser Projekt „KlassenKasse“, sodass Kinder aus nicht so wohlhabenden Familien mit ihrer Schulklasse ins Theater gehen können. Neben dem Sammeln von Geld – sprich Mitgliedern – bildet das gemeinsame Theatererlebnis einen Schwerpunkt in unserer Arbeit. Bei den Freunden des Residenztheaters kann man viele Theaterfreunde finden und sich über das Theater austauschen. Lena und ich haben uns ja glücklicherweise auch über das Residenztheater kennengelernt!
Lena: Ja, Gott sei Dank! Mein Wunsch wäre schon auch, dass wir eine Anlaufstelle für Leute werden, die neu nach München kommen und nach anderen Theaterbegeisterten in der Stadt suchen. Wir unterstützen aber natürlich auch das Ensemble und erkundigen uns, was die Schauspielerinnen und Schauspieler über das Theater hinaus für aktuelle Projekte haben. Wenn ein Ensemblemitglied zum Beispiel im Literaturhaus liest, in Film und Fernsehen auftaucht oder wie Juliane Köhler eben gerade den Bayerischen Kulturpreis bekommen hat, übernehmen wir einen Teil des Marketings und werden dadurch zu Multiplikatoren.

Seit diesem Herbst ist die neue Intendanz unter Andreas Beck im Haus. Ihr verfolgt das natürlich aus nächster Nähe. Wie ist euer Eindruck?
Marissa: Bisher kann ich mit Stolz sagen, dass ich bei fast allen Premieren anwesend war (lacht). Ich habe insgesamt ein unheimlich gutes Gefühl, was die nächsten Jahre angeht. Da ist dieser Ensemble-Gedanke, den ich sehr toll finde. Es gibt zum Beispiel keine Applaus-Ordnung mehr. Die war früher ja ausgeklügelt und es wurde extra geprobt, wer wann, wie, von welcher Seite und in welcher Reihenfolge auf die Bühne kommt. Jetzt verbeugt man sich einfach gemeinsam und die Schauspieler beziehen immer ausdrücklich die Inspizienz und die Technik auf der Bühne mit ein. Der Intendant Andreas Beck ist mit Sicherheit jemand, der jeden einzelnen Mitarbeiter seines Hauses als wichtigen Teil eines großen Apparats wahrnimmt. Natürlich kann man nicht 450 Menschen auf einen Schlag kennenlernen, aber Herr Beck wird sich sicherlich darum bemühen. Diese Aufbruchsstimmung, die gerade im Theater herrscht, schwappt auch schon auf das Publikum über, das sehr wohlwollend gegenüber dem neuen Ensemble eingestellt ist.
Lena: Ich sage das nicht nur, weil ich Teil dieses Fördervereins bin: Besser wie dieses jetzige Leitungsteam am Residenztheater kann man so einen Intendantenwechsel nicht vollziehen. Die Verantwortlichen – allen voran der Intendant Andreas Beck und die stellvertretende Intendantin Ingrid Trobitz – wussten, welches Haus sie übernehmen, und traten am Anfang sehr bescheiden auf. Für mich ist dieser Baseler Spirit, den sie aus der Schweiz mitgebracht haben, total im Residenztheater spürbar. Während die „Zugangsbedingungen“ niederschwellig sind, ist das, was sich auf der Bühne abspielt, auf allerhöchstem Niveau. Es kann jeder und jede in dieses Haus kommen, auch wenn er nicht viel Ahnung von Theater hat. „Schaut einfach vorbei, tauscht euch aus, wir sind offen für jeden“: Das ist die Botschaft, die von dieser neuen Leitung ausgeht. Wo so ein Gemeinschaftsgefühl von der Leitung propagiert wird, fühle ich mich noch mehr aufgehoben und in meinem Ehrenamt total bestärkt – trotz Stress und Vollzeitjob. Das finde ich klasse.

Marissa Biebl


Welche der aktuellen Inszenierungen gefällt euch am besten?

Marissa: Die „Drei Schwestern“ ist eine Produktion, die aus Basel mitgebracht worden ist: Wahnsinnig sehenswert und total gut! Es hat sehr viel von Fernsehen, von Netflix-Serien und ist unheimlich gut geeignet für junge Leute. Mir hat persönlich „Der Riss durch die Welt“ sehr gut gefallen. Auf die komplizierte, aber faszinierende Sprache muss man sich erst einmal einlassen. Aber da gibt es ja auch noch dieses tolle Bühnenbild und die fantastischen Schauspieler. Ich finde den Umgang mit dem Thema Umweltproblematik, die Sinn-Suche oder auch die Frage, ob es einen Gott gibt oder welchen neuen Göttern wir in unserer modernen Welt hinterherlaufen, sehr spannend. Ich hatte Herzklopfen bei der Premiere und war gebannt.
Lena: Du merkst bei jeder Inszenierung, wie sehr der Ensemblegedanken im Vordergrund steht. Das beeinflusst natürlich auch die Stückauswahl. Es gibt viele spannende zeitgenössische Stücke auf den Bühnen im großen Haus und im Marstall, oder Klassiker, die aus einer zeitgenössischen Sicht interpretiert werden. Ich fand jede Inszenierung, die ich bisher am Residenztheater gesehen habe, außergewöhnlich, aber Thom Luz’ „Olympia Park in the Dark“ fand ich am stärksten. Luz ist ein sehr musikalischer Mensch, der mit seiner Inszenierung eine Art Symphonie erschaffen hat, die sehr viel mit dem Künstler als rätselhaftes Wesen, aber auch mit der Stadt München zu tun hat. Darüber hinaus liebe ich Bastian Krafts „Lulu“-Inszenierung im Marstall. Ein feministischer Inszenierungsansatz, der ganz ohne erhobenen Zeigefinger auskommt – mit großartigen Darstellerinnen!
Marissa: „Lulu“ ist wirklich ein fabelhafter Abend! Es ist unheimlich anstrengend für die Schauspielerinnen, live mit Video-Einspielungen zu arbeiten und über einen Knopf im Ohr zeitversetzt die Texte der anderen Spielerinnen zu hören, während sie auch noch ihren eigenen Text im Kopf behalten müssen.
Lena: Andreas Beck hat es geschafft, lauter Ensemble-Mitglieder zu finden, die für das Theater brennen und es nicht zwingend als Sprungbrett für eine Filmkarriere ansehen. Ich finde es ganz außergewöhnlich, dass man an diesem Haus nun so viele junge Schauspieler findet, die die Qualität von Ensemble-Theatern zu schätzen wissen.

Optisch hat sich ja auch einiges verändert im Residenztheater. Es wurde umgebaut.
Marissa: Ja, es gibt jetzt zum Beispiel im Marstall eine Lichtinstallation und eine Kakteenzucht.

Ist das die persönliche Leidenschaft des neuen Intendanten?
Marissa: Ach, das weiß ich gar nicht. Seine Leidenschaft ist sein Hund Oskar – ein Mops und ein sehr theateraffines Tier. Er wird nicht an der Leine gehalten, ein sehr freier Hund also. Und ein wichtiger Teil des Ensembles. Wir haben also jetzt einen Theaterhund. Das braucht doch jeder Verein. Die Kölner haben den Geißbock als Glücksbringer und wir haben Mops Oskar.

Marissa und Lena, vielen Dank für das Gespräch!


Freunde des Residenztheaters > Homepage