Jede Trennung ist ein kleiner Tod, heißt es ja bekanntlich. Wenn das wahr ist, dann dürften die Fans von James seit der Jahrtausendwende das eine oder andere Mal gestorben sein. Nach ihrem wunderbaren „Pleased to Meet You“ 2001 hieß es sieben Jahre warten, bis mit „Hey Ma“ ein neues Album erschien. 2010 folgten zwei EPs und dann wieder eine vierjährige Funkstille, bis die Tage dann doch mal „La Petite Mort“ in den Länden stand.
Nun kann sich der Ausdruck ja auf vieles beziehen, das einen gewissen Abschluss oder eine Befreiung beinhaltet, bis hin zum Orgasmus. Hier ist die Beschäftigung mit dem Tod aber tatsächlich wörtlich zu verstehen, schließlich musste Sänger Tim Booth in den letzten Jahren den seiner Mutter und eines guten Freundes verarbeiten.
James sind aber nicht Eels, „La Petite Mort“ kein „Electro-Shock Blues“. Weitermachen heißt hier die Devise, nach dem Tiefschlag wieder aufstehen und losmarschieren. Und das gilt nicht nur für die Vorabsingle „Moving On“, die mit ihrem Mitsingchorus und den Trompetentupfern beste Aufbruchstimmung verbreitet – sofern man sich nicht zeitgleich das dazugehörige, bewegende Stop-Motion-Video ansieht.
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Diese Kontraste zwischen fröhlich und traurig, ernst und mitreißend sind auf dem ganzen Album zu finden, teils mit eher befremdlichem Effekt. „Gone Baby Gone“ mag textlich das Ende einer Beziehung zum Thema haben, von Trauer und Nachdenklichkeit ist hier jedoch nichts zu spüren. Stattdessen ist die gitarrenlastige Popnummer geradezu dafür prädestiniert, auf Konzerten oder Partys Füße und Stimme des Publikums zum Mitmachen zu animieren. Doch nirgends brechen Inhalt und Sound stärker auseinander als bei „Curse Curse“.
„Alone in my bedroom
I prowl the walls create shadows“
Wo Booth vor zwanzig Jahren im tieftraurigen „Out to Get You“ noch eine Seelenbotschaft für all die Einsamen und Verlassenen aufs Band sprach, wird hier jede Trauer mit einer Mischung aus Tequila und Technoraves einfach hinuntergespült. Das ist so unpassend, dass man nicht weiß, ob man die Stereoanlage bis zum Anschlag aufdrehen oder augenrollend das Zimmer verlassen möchte. Vermutlich beides. Passend dazu gestaltet sich auch das Booklet, das von bunt angemalten Totenköpfen geziert wird. Das Morbide und das Karnevaleske, bei James gehört beides zusammen.
Faszinierend ist das, gleichzeitig aber auch irgendwie die Schwachstelle von „La Petite Mort“. Verschwunden sind die kleineren, ruhigen Lieder, abgesehen vom bittersüßen „Bitter Virtue“ und dem getragenen „All in My Mind“ schielt hier alles auf den großen Auftritt. Schon immer hatten James den Hang zum Arenarock und eingängigen, simplen Refrains, die jeder im Publikum mitgröhlen kann und will. Hier gingen dem englischen Urgestein aber ein wenig die Pferde durch. Beim siebenminütigen Opener „Walk Like You“ lässt man sich das noch gerne gefallen. Über die Distanz von zehn Liedern hätte es aber auch eine Spur kleiner sein dürfen.
Da auch die Texte doch sehr einfach gehalten sind und ein bisschen den Witz von früher vermissen lassen, drängt sich mit der Zeit der Eindruck auf, die Platte ist nur Mittel zum Zweck, um mal wieder auf Tournee gehen zu können. Wer in England lebt, darf sich im Herbst dann auch darüber freuen, die Veteranen wieder auf der Bühne zu begrüßen. Hierzulande muss man sich jedoch mit dem Longplayer zufrieden geben, Auftritte in Deutschland sind keine geplant. Verkehrt ist der nicht, sofern man mit dem Hang zum Bombast leben kann. Mit dem besten Material der nunmehr 30 Jahre andauernden Bandgeschichte können es die zehn Tracks nicht aufnehmen, aber die Lebenszeichen sind inzwischen so selten geworden, dass der solide Totentanz zumindest die gröbsten Trennungsschmerzen lindert.
TEXT: OLIVER ARMKNECHT