Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Nachdem sich Walter Steffen in seinen letzten bei Filmen „München in Indien“ und „Trüffeljagd im 5 Seenland“ von dem Porträtmaler Fritz-München bzw. dem Autor Gerd Holzheimer inspirieren ließ, wendet sich der bayerische Dokumentarfilmer nun einem anderen Aspekt der lokalen Kunst zu: die Musik.
Und dieses Mal scheint es besonders viel zu erzählen zu geben, denn nicht weniger als vier Filme sind dem Thema gewidmet, jeder zu einer anderen Region des Freistaates. Den Anfang macht Oberbayern, gleich sieben Bands dürfen sich hier einmal einem größeren Publikum vorstellen.
Aber kann das gut gehen? Schließlich zeigte das thematisch verwandte „Kofelgrschoa. Frei. Sein. Wollen.“ diesen Sommer, dass ein Film allein gar nicht ausreicht, um einer Musikgruppe ganz gerecht zu werden. Wie soll das dann erst bei sieben klappen? Eigentlich gar nicht, denn bei einer Laufzeit von 90 Minuten bleibt nicht mehr, als jede nur kurz vorzustellen, ein bisschen über die Hintergründe zu sprechen, eine kleine Anekdote zu erzählen, vielleicht auch den ein oder anderen Konzertausschnitt zu zeigen. Wer nicht aufpasst, wird manchmal nicht mal merken, dass „Bavaria Vista Club“ bereits zum nächsten Porträt übergegangen ist. Gerade durch die hohe Taktfrequenz an Gesichtern und Geschichten beschleicht einen manchmal das Gefühl der Beliebigkeit.
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Dabei ist es nicht einmal so, dass die Bands völlig austauschbar wären, sobald die denn mal mit ihrer Musik loslegen. Da wird gejodelt, beim Ska geborgt, Akkordeon und Tuba ausgepackt oder auch schon mal an die Tür des Reggae geklopft. Abwechslungsreich ist das, zumindest in den Grenzen der Volksmusik. Wenn „Bavaria Vista Club“ eines gelingt, dann ist es, dem oft belächelten Musikgenre bislang unbekannte Seiten zu entlocken. Und darum ging es eben auch, statt an einer Stelle in die Tiefe zu gehen, entschied sich Steffen lieber für die Breite, versucht sowohl Anhängern wie auch Skeptikern zu zeigen, welche unterschiedlichen Stilrichtungen sich hier so tummeln.
Wirklich Spaß macht das natürlich vor allem dann, wenn man diese Musik auch privat gerne hört. Doch selbst wer das nicht von sich behaupten würde und den volkstümlichen Spielarten nichts abgewinnen kann, darf zumindest den einen oder anderen interessanten Gedanken aufschnappen. Einige davon sind sicher bekannt, etwa dass Musik Ausdruck Identität und Heimat sein kann oder auch Menschen der unterschiedlichsten Kulturen oder Altersklassen zusammenführt. Doch dazwischen finden sich im interviewlastigen „Bavaria Vista Club“ auch ungewöhnliche Themen. So darf der Zuschauer beispielsweise erfahren, dass ein Kontrabass in Bayern vor nicht allzu langer Zeit noch als exotisch galt und Sanskritkenntnisse als Jodlerin hilfreich sein können. Und das wird sicher nicht jeder von sich behaupten können.
Fazit: Sieben bayerische Volksmusikbands in anderthalb Stunden, für Genrehasser hört sich das nach einem Alptraum an. Doch „Bavaria Vista Club“ zeigt, dass es innerhalb dieser Richtung tatsächlich eine bemerkenswerte Vielfalt geht. Das Kaleidoskopartige geht jedoch auf Kosten der einzelnen Gruppen, in die Tiefe geht durch den Platzmangel keins der Porträts.
Regie: Walter Steffen // Kinostart: 25. Dezember 2014