Kino: Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution

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Die Welt muss sich ändern und endlich Frauen denselben Respekt entgegenbringen wie den Männern – darin sind sich Sally Alexander (Keira Knightley) und Jo Robinson (Jessie Buckley) einig. Bei der Wahl der Mittel könnten die beiden aber keine unterschiedlicheren Ansichten vertreten. Sally möchte das System von innen heraus verändern. Jo und andere Aktivistinnen setzen auf Taten – etwa Slogans, die sie auf Plakate sprühen. Doch als 1970 die nächste Wahl zur Miss Welt ansteht, beschließen sie gemeinsame Sache zu machen, um das frauenfeindliche Event zu stören. Zeitgleich hat die amtierende Miss Grenada Jennifer (Gugu Mbatha-Raw) ganz andere Sorgen, ist sie als schwarze Frau gleich doppelt Diskriminierung ausgesetzt …

50 Jahre sind die Ereignisse inzwischen her, die in „Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution“ dargestellt werden. Das ist eine lange Zeit. Und doch irgendwie nicht genug. Auch wenn sich seither natürlich einiges getan hat, was in dem Film gezeigt wird und die angesprochenen Themen sind noch immer so aktuell, dass man vor Scham im Boden versinken möchte. Das ist Regisseurin Philippa Lowthorpe und ihrem Team natürlich bewusst. Mehr noch: Hier wird jede Gelegenheit genutzt, um zeitlose Überlegungen rund um die Rolle der Frau anzustoßen.

Es ist aber auch zu offensiv, was die diversen Protagonistinnen hier so zu erdulden haben. Ob es die herablassenden Kommentare sind, die Sally in der Universität erhält, die diversen Bevormundungen während der Misswahl oder auch die Sprüche von Bob Hope, der das Event moderiert: Kaum eine Minute vergeht, in der nicht klar wird, wie groß der Handlungsbedarf ist. Dabei versteift sich „Die Misswahl“ nicht zu sehr auf moralisierende Belehrungen, lässt manches unkommentiert. Der Film ist auch kein bleiernes Betroffenheitsdrama, das sein Publikum erdrücken möchte.

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Tatsächlich ist „Die Misswahl“ eine überraschend leichtfüßige Komödie. Das funktioniert gerade auch wegen des spielfreudigen Ensembles sehr gut. Unterhaltsam sind beispielsweise die Szenen, die auf den Kontrast der beiden Aktivistinnen setzen. Während Keira Knightley eine doch eher biedere Vorkämpferin verkörpert, die alles korrekt machen will, wird Jessie Buckley zur kompromisslosen Rebellin, die erst einmal gegen alles ist. Der Film ist dann auch die Geschichte einer heterogenen widersprüchlichen Bewegung.

Auch an anderen Stellen fällt auf, wie sehr man bei „Die Misswahl“ um Differenzierung bemüht war. Schön sind die Szenen zwischen Sally und ihrer Mutter, die sich selbst keine Träume erfüllen konnte und einfache Hausfrau blieb, sich dafür aber um ihre Kinder kümmern konnte. Sally muss hingegen ihre Tochter immer wieder vernachlässigen. Damit geht dann die Grundsatzfrage einher, welche Aufgabe eine Mutter zu erfüllen hat. Soll sie das Leben der Kinder so schön wie möglich machen oder für eine bessere Zukunft kämpfen? Ein zweiter wichtiger Aspekt, ist der des Rassismus. Sally und Jo sehen die Misswahl in erster Linie als Unterdrückung. Für Jennifer ist es eine Möglichkeit, dass schwarze Frauen auf einer Stufe mit weißen Frauen stehen. Doch was ist wichtiger: Kampf für eine Gleichberechtigung für Frauen oder Kampf für Gleichberechtigung von Schwarzen?

Dass der Film sich an der Stelle nicht festlegen mag, ist einerseits als Diskussionsgrundlage begrüßenswert, zeigt aber auch auf, dass man hier bloß niemandem auf die Füße treten wollte. Vielmehr hat Lowthorpe eine Wohlfühl-Tragikomödie gedreht, die auf Missstände aufmerksam macht, ohne dabei die gute Laune zu verderben. Das kann man nun mutlos finden oder zu wenig ambitioniert. An manchen Stellen hätte man sich schon mehr Schärfe und Konturen gewünscht. Aber es ist doch eine unterhaltsame Geschichtsstunde, die dazu anregt, auch über das hier und jetzt noch ein bisschen mehr nachzudenken.

Fazit: „Die Misswahl – Der Beginn einer Revolution“ nimmt uns mit in das Jahr 1970, als eine Aktivistinnen-Gruppe die Misswahl als Symbol der Unterdrückung von Frauen bekämpft. Das Thema ist ernst, wird aber mit viel Humor aufgearbeitet, was auch dank der Schauspielerinnen gut funktioniert. Schön ist zudem die Aufzeigung der Komplexität, auch wenn zum Ende hin doch der Wohlfühlfaktor überwiegt.

Wertung: 7 von 10

Regie: Philippa Lowthorpe; Besetzung: Keira Knightley, Gugu Mbatha-Raw, Jessie Buckley, Keeley Hawes, Phyllis Logan, Lesley Manville, Rhys Ifans, Greg Kinnear; Kinostart: 1. Oktober 2020