Tommy Krappweis muss eine bedauernswerte Kindheit und Jugend verbracht haben. Zumindest wenn es nach seinen autobiografischen Werken geht. Während er im „Spiegel“-Bestseller „ Das Vorzelt zur Hölle“ die Familienurlaube mit seinen überzeugten Wildcamper-Eltern literarisch verarbeitete – inklusive der einen oder anderen Nahtoderfahrung –, geht er nun mit seiner „Jugend mit Seitenstechen“ hart ins Gericht.
„Sportlerkind“ heißt das aktuelle Buch und eines ist von Anfang an klar: Der Münchner Krappweis ist Comedian, Regisseur, Produzent, Erfinder der Kultfigur Bernd das Brot, Grimme-Preis-Träger und Musiker – ein Sportler aber ist er nicht. Obwohl gerade das sein Vater liebend gern gesehen hätte. Schließlich ist Werner Krappweis passionierter Rennradfahrer, war 30 Mal Bayerischer Meister, dreimal Deutscher Meister, trainierte Jahrzehnte lang die Jugend beim Münchner RV Sturmvogel. Nur der eigene Sohn – der wollte nicht so, wie der Vater es sich sehnlichst wünschte.
Und wie verarbeitet man ein Kindheitstraum am besten? Indem man eine oder gleich mehrere Therapien absolviert, mit seinem Vater bricht oder – wie im Falle der Krappweis’ – indem man miteinander spricht … oder seine unterschiedlichen Erfahrungen, Wünsche und Ängste auf Papier bringt. Genau das haben Vater und Sohn gemacht. Kapitel für Kapitel kommen Vater und Sohn zu Wort, stellen ihre einander teils sehr konträre Sicht der Vergangenheit dar.
Walter ist heute noch der festen Überzeugung, dass Tommy ein ganz großer Sportler hätte werden können. Konjunktiv! An der fehlenden Motivation durch seinen Erzeuger kann es jedenfalls nicht gelegen haben. In Sachen Ausrüstung gab es nur das Beste, ein gestricktes (wenn auch übel kratzendes) Rennleiberl mit Namenszug inklusive, während der Schulferien „durfte“ der Sohn jahraus, jahrein beim Sturmvogel-Trainingslager teilnehmen. Der indes dachte sich nur: „Meine Fresse, lasst mich doch alle in Ruhe mit eurem Radlscheiß, ich will doch einfach nur nach Hause! Hause! Hause!“
Während sein Vater auch mit plattem Reifen oder gerissenem Blinddarm immer weiterradelte, mit abgerissenem Bizeps beim Langlauf in der Spur blieb, mit gebrochenen Rippen weiterjoggte, bevorzugte der Sohn Lego statt unzähliger Siegerpokale. Spätestens seit den Bundesjugendspielen empfand Tommy Befehlsverweigerung als eine Form von Freiheit. Mit einer sturen Verweigerungshaltung kämpfte er daher vehement gegen jegliche sportlichen Leistungsansprüche – mit Erfolg!
Fazit: Ein hartes Los, aber wenn man Vater und Sohn heute Seite an Seite sieht, hat alles Leiden ihrer Freundschaft offensichtlich keinen Abbruch getan. So konträr die beiden sind, so wunderbar sympathisch und humorvoll ist ihr Schlagabtausch. Eine Buchempfehlung für passionierte Sportler und Sportverweigerer gleichermaßen.
Tommy Krappweis & Werner Krappweis: „Sportlerkind – Meine Jugend mit Seitenstechen“ // Droemer/Knaur Verlag 2016 // VÖ: 1. April 2016 // 240 Seiten // ISBN: 9783426787939 // 9,99 Euro > Homepage > Facebook