Gehört: Lan – Urop

/

Ist das jetzt ein Gesicht? Zwei? Drei? Selbst bei wiederholtem Hinschauen auf das Cover ist nicht so ganz ersichtlich, aus wie vielen verschiedenen Bestandteilen sich das Porträt zusammensetzt. Ein bisschen verwirrend ist das, faszinierend auch, vor allem aber bezeichnend für „Urop“, das sich ganz gerne mal über stilistische oder zeitliche Grenzen hinwegsetzt.

Und noch etwas verrät einiges über das zweite Album der Elektropopper Lan: die Tracklist. Acht der elf Lieder tragen nur ein Wort im Titel, darunter so schöne Sachen wie „Radio“, „Polaroid“ und „Trenchcoat“.

Und während man sich noch wundert, in welchem Jahrzehnt man da gerade unterwegs ist, ist bereits der Opener vorbei. Denn der ist wie so viele andere Lieder auch eben das, was die Titel andeuten: kurz, verschroben, ein bisschen altmodisch. Wer genauer aufgepasst hat, bekam bei „Say Hello“ diverse elektronische Spielereien zu hören, lustige Hintergrundgeräusche, ein leichtes Technoambiente, dazu eine gradlinige Melodie. Noch weiter in die Vergangenheit reisen wir auf dem anschließenden „We Call It Love“, das uns in die 80er zurückführt, zu New Wave, zu Bands wie Depeche Mode oder Soft Cell.

[display_video youtube=hIZJagQoerU?list=PLrpMpg5AiMXgYiBH1hxke3-8hY5r7gn_v]

Und spätestens wenn wir bei Track drei das „Radio“ aufdrehen, haben wir auch die Bluebells dazu eingeladen, dazu gibt es paar Zitate bekannter Lieder. Und frei nach dem 80er-Jahre-Motto „simple is beautiful“ erfahren wir auch, was gerade gespielt wird: „bla bla bla“. Einen Preis für die intelligentesten Lyrics werden die drei Berliner Jungs dafür wohl nicht einheimsen, aber das Ergebnis ist so bedingungslos ansteckend, dass die Mitsinghymne spielend die grauen Wolken im Gemüt vertreibt. Denn so ein bisschen Nonsens hin und wieder, das tut schon gut.

Ähnlich starke Volltreffer findet im Verlauf noch ein paar Mal: Ohrwurm „Polaroid“ mit seinem unverschämten Retrocharme oder das atmosphärische, rein instrumentale „Killing“, das an vergangene Synthiegroßmeister erinnert. Auch der melancholische Rausschmeißer „Fall“ lässt sich gut hören. Und dann wäre da noch „Monster“, das trotz seines Titels alles andere als bedrohlich ist. Wenn überhaupt ist die leicht alberne Popnummer ein Risiko für die Schuhsohlen, denn das Gute-Laune-Lied setzt sich nicht nur in den Gehörgängen fest, auch die Beine werden über kurz oder lang ungewollte Reaktionen zeigen.

[display_video youtube=9sHTVUAGw50?list=PLrpMpg5AiMXgYiBH1hxke3-8hY5r7gn_v]

Tanzbar ist „Urop“ ohnehin an vielen Stellen, auch wenn Lan diesmal nach eigenen Angaben mehr Wert auf das Songwriting an sich gelegt haben und sich dafür in ein kleines polnisches Dorf verkrümelt haben. Dass das Vorhaben mal besser, mal schlechter geklappt hat, ist klar – bei den 46 Minuten ist so manche Füllnummer dabei, an die man sich im Anschluss kaum erinnert. Insgesamt ist das Album aber eine schön stimmige Sache geworden, die nicht nur Nostalgikern und Zeitzeugen vergangener Elektrobands Spaß machen sollte.


Lan „Urop“ //Superstar Recordings // 17. Oktober 2014