Interview Leif Vollebekk curt München

Im Gespräch: Leif Vollebekk

Ein Kanadier mit skandinavischen Wurzeln, der Americana macht – das ist keine ganz alltägliche Kombination. Im April haben wir euch schon das neue Album „North Americana“ des Folksängers Leif Vollebekk genauer vorgestellt, in der Zwischenzeit hatten wir die Gelegenheit, uns mit ihm zu treffen und ein bisschen über seine Einflüsse, die Musik und seine Erfahrungen in Deutschland zu plaudern.

Lief Vollebeck North Americana Rezension curt München

Wie bist du zur Musik gekommen?
Ich habe schon als Kind viel Musik gemacht. Damals aber nur aus Spaß, so für mich selbst. Meine ersten eigenen Lieder waren auch keine wirklichen Lieder, sondern eher Sounds, die sich wie Lieder anhörten. Die Texte hatten kein richtiges Ziel. Ich hab erst mit 19, 20 angefangen, auch Wert auf die Texte zu legen. Damals habe ich ein Jahr lang in Island gelebt, weil ich irgendwie raus aus der Schule wollte, aber nicht so recht wusste, was ich eigentlich tun soll. Also entschied ich mich, ein bisschen meinen Wurzeln nachzugehen. Die sind ursprünglich in Norwegen, aber die haben dort keine englischen Philosophiekurse. In Island schon. Außerdem hatte ich vorher jemanden von dort getroffen und dachte, das hört sich perfekt für mich an, um wegzukommen von wirklich jedem, den ich kenne. In Island hab ich wirklich viel Zeit mit Schreiben verbracht und als ich zurück war, hatte ich genug Lieder zusammen für ein Album. Es hat dann auch nur zehn Tage gebraucht, alles aufzunehmen, weil ich genau wusste, wie es klingen soll. Das war schon etwas anmaßend, das so schnell machen zu wollen. Aber das Ergebnis war ganz okay dafür.

Bist du denn noch stolz auf dein erstes Album? Das hört sich gerade nicht danach an.
Das Ding ist, dass ich wirklich sehr lange damit getourt bin, weil es alles war, das ich hatte. Dadurch habe ich das Album wirklich zu Tode gespielt und kenne jedes einzelne Geheimnis davon. Ich schäme mich nicht dafür, habe aber auch nicht das Gefühl, dass das noch ich bin. Wenn Leute wollen, dass ich Lieder daraus spiele, ist das so, als würde ich jemanden anderen covern. Ich kann auch nicht mehr sagen, worüber die Songs überhaupt sind. Okay, jetzt fühle ich mich etwas mies, als würde ich da jemanden beleidigen.

Wurdest du denn bei deinem ersten Album von der Musik in Island beeinflusst?
Ich hab damals sehr viel Bob Dylan gehört, das war also eher mein Vorbild. Aber was die Bilder in den Liedern angeht, da war ich schon sehr von Island beeinflusst. Es sind keine Stadtlieder, sondern handeln von weiten Flächen. Manche sagen, dass sich das Album nach Sigur Ros anhört. Aber ich glaube, dass sagen sie nur, weil sie die Musik irgendwie mit Island in Verbindung bringen wollen.

Normalerweise ist es so, dass Bands für ihr erstes Album alle Zeit der Welt haben, sich beim Nachfolger aber sehr beeilen müssen. Bei dir war es umgekehrt, „North Americana“ erschien erst drei Jahre später. Hast du bei deinem zweiten keinen Druck von außen gefühlt?
Nein, da gab es niemanden, der mich gedrängt hätte oder an meine Tür geklopft hat. Nur mich. Ich hatte in zwölf Tagen wieder elf Lieder aufgenommen und sie sogar gemasterd. Aber dann hab ich auf einmal gezögert und darüber nachgedacht, was es heißt, mit diesen Liedern auf Tour zu gehen. Und die Vorstellung fand ich nicht sehr aufregend, weil da ja alles sehr rau würde und die technischen Spielereien nicht mehr dabei wären. Ich wollte aber Lieder haben, die ich auch wirklich live spielen kann. Und dann habe ich mich entschieden, alles wieder über den Haufen zu schmeißen. Ich hab gerade mal drei Aufnahmen oder so davon behalten und den Rest so überarbeitet, dass es wirklich für mich gepasst hat. Ich wollte unbedingt, dass es sich live und akustisch anhört. Das hat dann eine Weile gedauert, weil ich währenddessen ja immer noch auf Tour für das erste Album war.

Und warum hat es dann so lange gedauert, bis das Album in Europa erschien? In Kanada kam es ja schon vor einem Jahr raus.
Wir haben danach mit einigen Labels gesprochen und da waren einige tolle dabei. Ich hatte auch ein Angebot, aber das war mit einem Plattendeal verbunden, der mir ein wenig Angst machte. So ein lebenslanges Ding. Also habe ich auf etwas Besseres gewartet. Anfang des Jahres kam es dann in den USA raus. Und mein kanadisches Label kam dann auf einmal mit dem Vorschlag, es selbst in Europa zu veröffentlichen, weil sie ohnehin eine europäische Niederlassung aufmachen wollten. Also eine ziemlich langweilige Musikbusinessgeschichte.

Ach so. Ich hatte mich nur gewundert, ob ein Album namens „North Americana“ vielleicht in Europa schwer verkäuflich ist. Hier hat man es nicht so mit dem amerikanischen Patriotismus.
Ist ja witzig. Nein, darüber habe ich nicht nachgedacht. In meiner Vorstellung, und ich lebe ja in meiner eigenen kleinen Blase, habe ich Leute wie Bob Dylan und Gillian Welch gehört und wollte etwas modernere Folklieder aufnehmen. Das war es, was mich interessiert hatte und was ich wirklich aufregend fand. Ich weiß nicht mehr, wer mal gesagt hat, dass Kanada so was ist wie Amerikas Hut. Die Frage war also, wie kann ich rechtfertigen, Lieder in Montreal aufzunehmen, die sich an amerikanischen Liedern orientieren. Was natürlich Blödsinn ist. In meiner Vorstellung hab ich mich deshalb darüber lustig gemacht, indem ich mein Album „North Americana“ genannt habe. Das hatte ein bisschen was Arrogantes an sich. Ein bisschen was Lächerliches. Und das mag ich.

Wie waren denn deine Erfahrungen in Europa bisher? Ist das deine erste Tour hier?
Vor ein paar Jahren bin ich ein paar Mal in Frankreich aufgetreten. Und 2010 war ich mit Sam Amidon in UK unterwegs. Das fand ich toll, vermutlich weil sie dir dort keine Hotels oder Essen zur Verfügung stellen. Dadurch fühlt sich das alles so real an. Manchmal sagen dir die Leute: „Das Lied da ist scheiße. Aber das andere war toll.“ Du hast dort ein wirklich raues Publikum, das dir nix verzeiht. Meine Lieblingsplätze waren bislang Schottland und Deutschland, denke ich. Die Leute dort sind einfach präsenter. Ist schwer zu erklären, aber das sind einfach die Stimmungen. Ich bin ja sehr empfindlich, was das Publikum angeht, und achte immer sehr auf ihre Reaktionen. Und auf die meiner Bandmitglieder. Wenn ich mit denen auf Tour bin, dann sind die so was wie mein Publikum. Ich will die dann einfach beeindrucken, weil die alle so richtig gut sind. Das sind eigentlich Jazzmusiker.

Wir wären dann auch schon durch mit meinen Fragen, außer du hast noch irgendwas hinzuzufügen.

Ich weiß nicht. Was fügen Leute denn da normalerweise noch hinzu?

Manche sprechen dann über zukünftige Projekte. Oder sagen einfach nur: Kauft mein Album!
Richtig, das ist gut. Kauft mein Album!

Herzlichen Dank, Leif Vollebekk, für das Interview.
Das Gespräch führte Oliver Armknecht.