Lange haben wir darauf warten müssen, bis wir endlich den dritten Teil von Marcus H. Rosenmüllers „Beste“-Trilogie sehen durften. Doch warum eigentlich? Diese und weitere Fragen zu seinem neusten Film stellten wir dem bayerischen Regisseur anlässlich des Kinostarts von „Beste Chance“.
Die ersten beiden Teile „Beste Zeit“ und „Beste Gegend“ zeigen das Leben von Jugendlichen in einem kleinen bayerischen Dorf. Warum habt ihr euch entscheiden, den dritten Teil viel in Indien spielen zu lassen?
Wir brauchten einen größtmöglichen Kontrast zwischen der alten Heimat und den neuen Erfahrungen, die Kati macht. Dass das Indien wurde, hat mit Karin, unserer Autorin, und mir zu tun, weil wir beide dort waren. Meine erste große Reise war nach Indien, und zwar ein Austauschprogramm an einer Filmhochschule in Puna. Indien ist ein Land, das so viel mit Tod und Leben zu tun hat und sehr von den Religionen im Land geprägt ist. Es gibt ja viele Leute, die meinen, sie müssten die Welt sehen und gehen deswegen in einen Ashram. Indien ist dadurch auch ein Symbol für die Sehnsucht nach Fremden. Etwas, das ganz weit weg ist von unserem Bewusstsein, von Geborgenheit. Es ist auch unglaublich, wie es da wuselt. Und darum geht es ja auch in dem Film, wie ein Individuum Teil eines großen Ganzen wird. Das Anfangsbild sind diese ganz geraden Linien an der Decke von der Uni. Und das Schlussbild ist der Ganges und überall ist Leben.

War das von Anfang geplant, den dritten Teil in Indien spielen zu lassen? Es hat ja recht lange nach der Ankündigung gedauert, bis er dann doch noch gedreht wurde.
2008 habe ich das zum ersten Mal vorgeschlagen. Die Karin wollte zuerst noch auf die Alm, als überlegt wurde, wo der dritte Teil spielen könnte. Sie war dann aber schnell dabei. Und dann mussten wir nur noch andere überzeugen, dass das gut ist. Ich fand es wichtig rauszugehen. Kati und Jo sprechen immer wieder davon, von der großen weiten Welt, rausgehen, die Heimat verlassen. Im ersten Teil, im zweiten Teil. Und ich wollte unbedingt, dass wir nicht immer nur davon sprechen, sondern dass wir auch wirklich mal machen.
Ist der Film denn insgesamt so geworden, wie du ihn dir damals vorgestellt hast? Oder hat sich etwas in den sechs Jahren geändert?
Nein, für mich ist es voll aufgegangen. Man kann natürlich über bestimmte Szenen diskutieren. Da gab es auch immer Überlegungen. Sollen wir das so konkret machen? Sollen wir das noch konkreter machen, bestimmte Sachen? Es gibt Tage, da denke ich, es wäre so besser, oder so. Aber der Spirit, das was ich erzählen wollte, das ist schon so drinnen.
Welcher Spirit ist das denn?
Ich wollte das Gefühl wiedergeben, wenn man in die Heimat zurückkommt und jeder plötzlich so in seinem Universum ist. Beim Hausbau zum Beispiel. Das ist wirklich so, man verliert die Leute, man hat keine Zeit mehr. Es ist so eine Aufbauphase, die Familien werden gegründet. Im ersten Teil ging es darum, erwachsen zu werden und sich gegen das Elternhaus zu lehnen. Beim zweiten Teil steht nach dem Abitur die Welt offen und du musst entscheiden, wohin du gehst, was du machst. Dabei steht sie nicht lange offen, denn man ist schnell wieder drinnen im Rad. Dieses Mal haben wir den Ansatz, sich von der Schule und dem schulischen System zu lösen und das Leben als Schule zu sehen. Ich kann mir auch gut einen vierten Teil vorstellen, wo man so langsam was vom Leben begreift, dabei aber auch merkt, dass es ans Sterben geht. Gott, wie schrecklich …
Das ist natürlich auch eine obligatorische Frage, ob es denn einen vierten Teil geben wird.
Ich bin echt stolz und glücklich, dass wir den dritten Teil geschafft haben. Ich würd’s mir wünschen, einen vierten Teil zu machen. Aber das war jetzt so ein Kampf für mich, dass wir den so gekriegt haben. Jetzt brauche ich glaube ich erst mal eine Pause. Lust habe ich aber schon, ich würde wirklich gern noch einen vierten Teil machen. Das muss ich mir glaube ich aber auch wieder erst erkämpfen. Ich hab das ja nicht in den Händen. Ich hab das Geld nicht in den Händen. Ich kann auch nicht sagen, ob die Schauspieler wieder Lust haben. Ich hab beim dritten Teil feststellen müssen, dass das keine Entscheidung von mir ist. Die anderen müssen mitziehen. Das ist kein Wunsch eines einzelnen.

Warum war es denn so schwierig beim dritten Teil im Vergleich zu den ersten beiden?
Ich glaube, dass es vielleicht damit zu tun hatte, dass der zweite nicht ganz so erfolgreich war und heute alles immer aufgewogen wird mit Einspielergebnissen. Ich mach ja auch andere Filme, die für ein größeres Publikum gedacht sind. Bei denen du weißt: Da werden wir jetzt mehr Einnahmen haben. Schon bei „Beste Zeit“ war mir damals klar, dass das jetzt kleinere Filme sind im Grunde. Für mich sind sie aber vom Herzen her größere Filme. Und ich finde, dass sie andere Qualitäten haben, die sie zu etwas Besonderem machen. Dass es wichtig ist, dass man sie macht. Aber es muss sich ein Film natürlich immer rechnen. Das verstehe ich, das kostet natürlich, da hängen Existenzen dran.
Dass die Studios da genau drauf schauen, ist klar. Aber wie sah es bei den Schauspielern aus? Wie hatten die reagiert, als es hieß, dass doch noch ein dritter Teil gemacht wird?
Der ganze Hauptcast war schon positiv eingestimmt. Es waren aber auch ein paar dabei, die erst das Drehbuch lesen wollten. Was verständlich ist, denn so ein dritter Teil hat häufig nichts Eigenes mehr und wurde einfach nur so gemacht. Da wollten die anderen schon sicher gehen, dass das hier nicht so ist. Aber die Resonanz war super, nachdem sie es gelesen haben und gemerkt haben, dass es wirklich ein eigenständiger Film ist und trotzdem die beiden anderen weiterführt. Ich hätte die ersten beiden unkomplett gefunden, wenn da nicht noch der dritte gekommen wäre. Ich hätte es fürchterlich gefunden. Was bin ich froh, dass wir das doch noch geschafft haben!
Wir danken für das Gespräch!
Wem die Antworten oben nicht reichen, der darf auf keinen Fall die Sommerausgabe von curt verpassen, die ab 27. Juni überall ausliegt. Denn dort findet ihr den zweiten Teil unseres Interviews, wo uns Marcus H. Rosenmüller verrät, was für ihn Heimat bedeutet und wie es war, auf dem bayerischen Land aufzuwachsen.
TEXT: OLIVER ARMKNECHT // FOTO: © GERALD VON FORIS