Egersdörfer und Puntigam zeigten gerade in einigen Previews im Großraum in Nürnberg und Fürth ihr gemeinsames Programm „Erlösung“. Am 4. November hat das Kabarettprogramm Premiere in der Münchner Lach- und Schießgesellschaft. Getrennt voneinander wurden jetzt die beiden Kabarettisten zueinander befragt.
Matthias Egersdörfer über Martin Puntigam
Der Martin ist ein ganz ein lieber. Ein Familienmensch. Das glaubt man gar nicht, wenn man ihn bei seinen Programmen auf der Bühne wüten sieht. Macht so die 100er bis 150er Säle. Im deutschsprachigen Raum. Wobei da, mit seinem Dialekt, naturgemäß schon Grenzen sein Verbreitungsgebiet einengen. Ich habe jetzt bei den Previews schon festgestellt, dass das Publikum zum Teil große Schwierigkeiten hat, den Martin zu verstehen. Also ich tu mich da selbst ehrlich gesagt schon ein bisschen schwer bei ihm. Das österreichische ist schon gewöhnungsbedürftig. Das kommt auch von der österreichischen Lebenskultur. Das ist ja auch schwierig, wenn man den ganzen Tag von einer Alm zur anderen Alm hinüberbrüllen muss, ob der andere Öhi einem vielleicht ein paar Siebener Dübel ausborgen kann. Aber ich denke, bei den Aufführungen kriegen wir das hin. Bei Verständnisproblemen sollen sich die Zuschauer bitte gleich melden. Ich übersetze das gerne. Oder der Martin versucht die undeutliche Passage noch einmal deutlich auszusprechen.
Angeblich spielt er auch in der Schweiz. Das steht halt in seinem Tour-Plan. Das schaut schon gut aus. Aber ich denke, wenn er da auf 40 kommt, kann er froh sein. Sein Mantra lautet: Es waren zwar nicht viele Zuschauer da, aber denen hat es sehr gut gefallen. Die sind schon anspruchsvoll, seine Programme. Er verlangt dem Publikum was ab. Der wurde sogar einmal in der konkret in Deutschland besprochen. Über eine ganze Seite für einen Kabarettisten aus Österreich, der maximal in 150er Sälen spielt. In der konkret. Das muss man sich einmal vorstellen. Da beneide ich ihn schon darum. Die konkret ist ja das alte und das neue Testament für die linksintellektuelle Oberschicht in Deutschland. Das sind auch so zwischen 100 und 150.
Ich bräuchte ja diesen Kleinkunstquatsch gar nicht mehr machen. Ich spiele im Franken-Tatort mit in der Rolle des Hauptkommissars der Spurensicherung, Michael Schatz. Da sehen mich Minimum sieben Millionen. Sieben Millionen sind es wenn es schlecht läuft. Wenn in der Eifel ein Vulkan ausbricht. Aber davon ist ja nicht auszugehen. Das Interesse ist jetzt schon enorm. Ich werde schon in der U-Bahn angesprochen, obwohl der Film noch gar nicht ausgestrahlt wurde. Ich schätze 25 Millionen Zuschauer sind realistisch. Ich bräuchte nur mit dem Finger schnippen und der Lanz interviewt mich. Die Leute sprechen mich jetzt schon überall mit „Herr Kommissar“ an. Ich hätte eigentlich diese analogen Auftritte auf den Kabarettbühnen überhaupt nicht mehr nötig. Habe das aber mit dem Martin vereinbart und dann stehe ich selbstverständlich zu meinem Wort. Und das hat ja auch was. So nah am Publikum, am Volk. Ich hör die Menschen atmen und lachen. Sehe ihre Blicke und das Minenspiel und darf hoffentlich den Applaus genießen. Ein Stück weit freue ich mich jetzt schon auch auf unsere Premiere.

Martin Puntigam über Matthias Egersdörfer
Der liebe Matthias. Er ist einer der schärfsten Analytiker, die ich kenne. Er schaut zwar aus wie ein mittelfränkischer Humpty-Dumpty, mit einem Dialekt, der bei jedem Logopäden die Dollarzeichen in den Augen aufblinken lässt, aber da darf man sich nicht täuschen lassen. Ich kenne niemanden, der so raffiniert erzählt, und trotz der teilweise monströsen Lautstärke mit so viel leisen Zwischentönen, fantastisch. Ihm können Sie alles glauben. Wenn er erzählt hat, was ich annehme, weil er das eigentlich immer hinter meinem Rücken macht, dass ich zwar tolle Sachen mache, aber praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, so hat er leider recht. Ich habe mir da blindlings jahrelang das Mantra des Verlierers heruntergebetet: „Es waren zwar nur wenige da, aber denen hat es super gefallen“. Ah, hat er Ihnen schon erzählt. Wollte ich nur abtesten. Aber damit ist es jetzt vorbei. Das war eine Lebenslüge, mit der habe ich abgeschlossen. Ab jetzt gibt es „Erlösung“. Wie habe ich das gemacht, fragen Sie sich. Ganz einfach.
Ich habe mich erfolgreich an Matthias herangeschleimt, jahrelang, er ist für so etwas empfänglich, um nun, im Windschatten seiner Triumphe, selber zu wachsen. Matthias ist dafür der ideale Kandidat: Er ist gerade so weit aus der Spur, dass das für mich künstlerisch auch noch interessant ist, aber irgendwann in naher Zukunft wird er ein Massenpublikum begeistern. Sein Agent ist darauf auch vorbereitet, der hat früher auch Großveranstaltungen mit Volksmusikanten organisiert, der hat schon Stefan Mross auf dem Schoß gehabt.
Wenn man allerdings so nah dran ist wie ich jetzt an ihm, dann sieht man auch, der Erfolg verlangt einen hohen Preis. Matthias ist ja eigentlich Künstler. Er kommt aus der Malerei, wirkt so grobschlächtig, aber tief drinnen ruht ein zartfühlender, filigraner, fast papierener Poet. Der auch leidet. Denn für den enormen Erfolg, ich nehme an, er hat den Tatort erwähnt und das Millionenpublikum, das ihn dort erwartet, dafür muss er auch viele Sachen einfach machen, wie sie ihm vorgegeben werden. Und er liefert einfach ab, ohne nachzudenken, sagt die Dialoge im Tatort, obwohl er weiß, so spricht kein normaler Mensch und denkt sich dabei: Was mache ich da mit meiner kostbaren Lebenszeit? Aber er ist Profi, Augen zu und durch.
Nur durch diese Zerrissenheit zwischen Anspruch und Wirklichkeit hat er eine massive Persönlichkeitsstörung erlitten. Viele halten es für sein Markenzeichen, dass er immer wieder unkontrolliert und ohne Grund zu schreien beginnt, das Publikum anherrscht, aber es ist eine schwere Erkrankung. Eigentlich ursprünglich klinische Disposition. Er ist mittlerweile gut auf seine Medikamente eingestellt, Gott sei Dank, aber es passiert ihm ab und zu trotzdem. Wenn es auf der Bühne passiert, bin ich da, habe die Tabletten dabei, da kann ich aufpassen. Aber er geht immer wieder gern ins Publikum, einfach weil das im Kabarett so beliebt ist, und da kann es heikel werden.
Insgesamt freue ich mich auf die Zusammenarbeit und glaube fest, dass sowohl unsere Pointen, als auch die Tabletten gut genug sind, um einen durchschlagenden Erfolg zu garantieren. Wenn nicht, muss ich mir einen anderen Kollegen für den nächsten Karriereschritt suchen.
Matthias Egersdörfer und Martin Puntigam: „ERLÖSUNG“
Die beiden go-to-guys für sorgsam eingepflegte Satire haben sich über die Landesgrenzen hinweg die Hände gereicht, um zu zeigen, dass Glück auch für Sie ein Born der Freude sein kann.
Nach all den Jahren der Grobheit und Renitenz (1989 – 2014) haben die beiden kabarettistischen Schwerenöter ihre Flegeljahre endlich hinter sich gebracht und entpuppen sich in ihrem neuen Opus als wunderschöne Schmetterlinge, die auf der Blumenwiese des Lebens leicht wie der Wind von Blüte zu Blüte flattern und ihre langen Zungen mit dem süßem Nektar der Liebe netzen.
Als notorische Spätentwickler haben sie sich erst jetzt und endlich den Wonnen der Welt öffnen können und räumen allen Kritikerinnen reumütig ein: „Ihr hattet Recht! In Vielem!“ Sie entschuldigen sich in aller Form, und dieses neue, nun gänzlich vollendete und an Großartigkeit und Pracht in nichts übertroffene Programm „Erlösung“ soll nicht nur dieselbe für alle bringen, die ebenfalls guten Willens sind. Die beiden Babe Magnets verstehen es als Wiedergutmachung für alle Kränkungen der Vergangenheit, als Geschenk ans gesamte Universum, vor allem an die Frauen.
Cuteness overload alert!
>> Matthias Egersdörfer
>> Martin Puntigam
Premiere: 4.November, 20 Uhr, Münchner Lach- und Schießgesellschaft
Weitere Termine: 5.11., 6.11., 7.11., 8.11., immer 20 Uhr.
Der Artikel ist in der curt Nürnberg Ausgabe erschienen >> Egers Kolumne